Freie Fahrt in allen Bussen in Baden-Baden?
15Februar
2018
Weil der Bundesregierung in Brüssel eine millionenschwere Anklage wegen dreckiger Luft in vielen deutschen Städten droht, haben einige Bundesminister einen überraschenden Vorschlag gemacht: in 5 Teststädten in Deutschland wollen sie versuchsweise kostenfreien öffentlichen Personennahverkehr (ÖPNV) einführen oder unterstützen. Die fünf Teststädte waren ziemlich überrascht und wissen nicht so recht, wie sie mit dem Vorschlag umgehen sollen. Die Universitätsstadt Tübingen ist hingegen fast beleidigt, dass sie nicht mitmachen darf: dort gibt es bereits fix und fertige Pläne für freie Fahrt mit den städtischen Bussen. Und Baden-Baden? Der zuständige Baubürgermeister hält die Sache für unbezahlbar und wegen des KKV-Verbundes auch schwierig. (Klar ist das schwierig, jede neue ungewohnte Idee ist erst mal schwierig.) Aber es gibt viele Gründe, sich in Baden-Baden endlich aufzuraffen und über ein Verkehrskonzept für unsere Stadt nachzudenken. Die Stadt ist eng, hat zu wenig Parkplätze und viel zu viele Autos. Die städtischen Busse sind in der Mehrzahl veraltet und schrecklich, die Kosten für Tickets viel zu teuer, so dass jeder lieber mit seinem eigenen Auto fährt und damit die Stadt verstopft und die Luft verpestet. Und Autofahrer, die es versuchsweise dennoch mal mit den städtischen Bussen versuchen, steigen frustriert und durchgerüttelt wieder aus: so wollen sie nicht befördert werden.
Anderswo funktioniert ein absolut kostenfreier öffentlicher Nahverkehr bestens: in über 40 polnischen Städten beispielsweise und geradezu vorbildlich in Tallin, das ist die Hauptstadt von Estland. Klar, das kostet Geld, viel Geld. (für den kompletten Verkehrsverbund rund um Karlsruhe, KVV, mindestens 200 Millionen Euro). Es geht also für Baden-Baden um eine Summe von rund 4 bis 5 Millionen Euro jährlich, die bezahlt werden müssten. Das ist ungefähr so viel, wie die Stadt beim Umbau des Leo versenkt hat. Die Stadt Tübingen ist beleidigt, dass sie bei dem Versuch, den der Bund jetzt beginnen will, nicht mitmachen darf. Tübingen hat spontan beantragt, dabei sein zu dürfen, man hätte bereits fertige Konzepte für genau das, was der Bund ausprobieren will. Und in Tübingen fahren die städtischen Busse bereits jetzt an jedem Samstag umsonst, kein Ticket notwendig. Man würde das gern auf alle Wochentage ausdehnen, kann das (verständlicherweise) aber nicht allein finanzieren.
Was ist an einem kostenfreien Öffentlichen Nahverkehr eigentlich so teuer? Kein Zweifel: das Ding ist teuer! Erstens fallen dann die bisherigen Einnahmen (Tickes und Monatskarten) weg. Zweitens nutzen dann ja mehr Bürger als bisher diese Busse. Man braucht also mehr Busse als bisher. Und es sollten möglichst Elektrobusse sein, keine Dieselschleudern. Drittens braucht man mehr Busfahrer und sonstiges Personal. Die Busse müssen so sein, dass sie auch gern genutzt werden, also bequem, es darf nicht eine Strafe sein, mit einem Bus durch Baden-Baden fahren zu müssen. Und die Busse sollten in einem engeren Takt fahren und auch noch spät nachts - was dazu führt, dass sie wiederum mehr genutzt werden. Bei einigen Versuchen mit kostenfreiem öffentlichen Nahverkehr z.B. in Templin (Mecklenburg) stiegen die Fahrgastzahlen dramatisch an, so die Süddeutsche Zeitung: innerhalb eines Jahres von 41.000 Fahrgästen auf 350.000 stiegen. Heute müssen die Templiner eine Jahreskarte kaufen (für nur 44 Euro!) womit dann die fast freie Fahrt ein Jahr lang gewährleistet ist.
Freie Fahrt auf allen Bussen in der Stadt - das hört sich wie eine Revolution an. Und wie bei jeder Revolution sagt die Verwaltung (nicht nur in Baden-Baden): das geht so nicht, das ist zu teuer. Wir bauen lieber Parkhochhäuser, breitere Straßen und Parkplätze am Straßenrand. Kostenlose Busse sind zu teuer und wer weiß, was daraus wird. Nun: Momentan drohen Fahrverbote in Stuttgart und anderen Städten, die alle Grenzwerte für Feinstaub reißen. Diese Fahrverbote werden viel drastischere Einschnitte für den Autoverkehr bringen, nämlich Totalverbote. Und nebenbei: die Grenzwerte, was Abgase und Feinstaub betrifft, setzt Brüssel fest, Fachleute sagen: diese Grenzwerte sind viel zu niedrig, es sterben in Deutschland zu viel Menschen an dreckiger Luft. Aus Brüssel könnten also sehr schnell noch ganz andere Grenzwerte bestimmt werden als sie heute noch gelten. Und dann? Dann muss man, ob man will oder nicht, auch in Baden-Baden überlegen, wie man trotz Fahrverboten die Bürger und Kurgäste immer durch die Kurstadt bringt, und zwar so, dass diese auch das Angebot annehmen.
Foto: Ben Becher