Wie kommen kleine Kinder ins Theater?

22Februar
2018

Kurz nach Weihnachten erreichte ein empörtes Schreiben von zwei Busunternehmern aus dem Murgtal Stadtrat Martin Ernst (er ist Stadtrat der Freien Bürger für Baden-Baden (FBB)). Was war geschehen?

Der Amtsschimmel hatte zugeschlagen. Die Stadt hatte zwei Bussfahrer mit Knöllchen (je 35,- Euro, zusammen 70 Euro!) belegt, weil sie ohne schriftliche Erlaubnis mit ihrem Bus voller Kleinkinder in die Stadt eingefahren waren.

Die zwei Busunternehmer aus Muggensturm und Gaggenau schildern den Vorfall in einem Brief, der der Redaktion vorliegt, wie folgt, wir zitieren wörtlich:

„Wie auch andere Busunternehmen fahren wir jedes Jahr im Dezember und Januar mit Grundschulklassen nach Baden-Baden ins Theater. Bei den Schülern handelt es sich um Kinder zwischen 6 und 10 Jahren. Das Problem ist, dass wir seit letztem Jahr eine kostenpflichtige Einfahrtsgenehmigung pro Bus und Tag NUR (!) zum Ein- und Aussteigen der Kinder benötigen. Die Busse bleiben an den Ausstiegsstellen ja nicht stehen, lediglich die Kinder steigen da kurz ein und aus. Die Busse fahren weiter auf den vorgeschriebenen Busparkplatz bis die Kinder wieder abgeholt werden. Unter anderem fuhren wir (Firma Lauk und Mann) mit zwei Bussen an den Ludwig-Wilhelm-Platz in Baden-Baden. Dort haben wir gegen 12.30 Uhr die Kinder nach der Theatervorstellung wieder abgeholt. Währenddessen kam ein Ordnungshüter der Stadt Baden-Baden und überreichte mir pro Bus einen Strafzettel über je 35,- Euro. Darüber war ich natürlich sehr verwundert, dass ich 70 Euro nur für die kurze Abholung der Kinder dort bezahlen musste. Dieser Ordnungshüter gab mir die Auskunft, dass ich mich an eine Frau Reiss beim Ordnungsamt deswegen wenden soll. Dies tat ich direkt nach der Fahrt und bekam von Frau Reiss folgende Auskunft:

Ab sofort benötigen alle Busse, die den Ludwig-Wilhelm-Platz (auch zum Ein- und Ausstieg!) anfahren, eine kostenpflichtige Einfahrtsgenehmigung (pro Bus und Tag 15,- Euro). Um keine Genehmigung zu benötigen, sollten wir die Kinder ca. 3,5 km entfernt vom Theater aus- und einsteigen lassen. Als ich Frau Reiss darauf hinwies, dass der Weg für die kleinen Kinder viel zu weit und gefährlich wäre (abgesehen vom Wetter …) meinte sie: „mit mehr Begleitpersonen für die Kinder und wettergerechter Kleidung, wäre dies kein Problem.“ Ich meinte dann, dass diese Auflage nicht kinderfreundlich wäre, da es sich ja nur um den Aus- und Einstieg handeln würde und die Schulen diese Mehrkosten nicht tragen können und wollen. Außerdem würde in Karlsruhe das Staatstheater ja auch Kindervorstellungen zur gleichen Zeit anbieten, die kostenfrei angefahren (und geparkt) werden können. Daraufhin kam von Frau Reiss die Antwort: „Dann müssen Sie halt nach Karlsruhe ins Theater gehen!“ Da man in den Medien hört, dass die Zahlen für Theaterbesuche in Baden-Baden stark rückläufig sind, ist dies in meinen Augen eine geschäftsschädigende Aussage. Unser Vorschlag wäre, die Kinder, wie all die Jahre zuvor, an der Trinkhalle kostenfrei aus- und einsteigen zu lassen. Das wäre der kürzeste und vor allem der sicherste Weg für die Kinder.“

Soweit dieser Brief. Noch einmal: es geht um kleine Kinder im Grundschulalter, denen hier von einer Bediensteten des Ordnungsamtes ein Fußweg von 3,5 km zugemutet wird. Welche Eltern wären wohl damit einverstanden? Der zitierte Brief ging dann an die Stadtverwaltung zur Beantwortung. Und Sie dürfen raten, was raus kam. Alles ist selbstverständlich rechtens (die Äußerungen von Frau Reiss werden allerdings dort „bezüglich des Inhalts etwas differenzierter geschildert“). Und die Knöllchen? Kein Beamter wird gerne einräumen, dass er Unsinn fabrizierte und den Amtsschimmel losschickte. Also: die Knöllichen gehen in Ordnung, inklusive einer wortreichen langweiligen Begründung. Die zur Pflicht gemachte Einfahrtgenehmigung wird wortreich verteidigt. Wozu? Sie ist doch nichts als leerer Verwaltungswahnsinn um nichts und wieder nichts und bei näherem Hinsehen auch noch extrem kontraproduktiv. Unser Theater schreit nach Zuschauern, und es wird mit horrenden Summen von der Stadt subventioniert. Da brauchen wir jede Einnahme, auch von kleinen Zuschauern. Aber es ist geradezu typisch, dass ausgerechnet die Verwaltung nicht kaufmännisch denkt, sondern stur irgendwelche Verkehrslenkungs-Wahnvorstellungen verfolgt und tapfere Busunternehmer, die Kinder ins Theater schaffen, verärgert.

Bitte bringt die Kinder aus dem Murgtal auch in Zukunft nach Baden-Baden ins Theater. Bitte, wir brauchen Euch! Und die Stadtverwaltung, egal welches Amt sich hinter diesem kurzbeinigen Unsinn versteckt, wird aufgefordert, die 70,- Euro in Demut zurück an die Busunternehmer zu erstatten und diese merkwürdige Einfahrtsgebühr zu streichen! Wir brauchen Gäste in Baden-Baden, auch wenn sie mit dem Bus anreisen!

Foto: Ben Becher