„Wir sollten uns fragen, in welcher Stadt wir leben wollen“
21Oktober
2024
Oliver Gahn-Schuster, FBB, hat einen Leserbrief zum BNN-Beitrag „Zukunft braucht Neues“ geschrieben. Er meint: Die Stadt braucht neue Impulse – und mehr Vielfalt.
„Endlich wissen wir, wer die wahren Feinde unserer Innenstadt sind: Barbershops und Nagelstudios! Dank einer geschickt inszenierten PR-Aktion müssen diese ,Bedrohungen‘ nun mit Merchandising – Tassen, T-Shirts, Weihnachtskugeln – bekämpft werden. Der Verein ,We love Baden-Baden‘, der bereits 175.000 Euro öffentliches Geld erhält, setzt auf diese Strategie. Ob Blumen und Weihnachtsbäume in Plastiktöpfen sowie aufwendig produzierte Internetvideos die Lösung sind, sollte ernsthaft hinterfragt werden, zumal lokale Anbieter wie Gärtnereien dabei völlig außer Acht gelassen werden. Wir sollten uns fragen, in welcher Stadt wir leben wollen und welche Rolle die Verantwortlichen dabei spielen. Eine populistische Sichtweise trägt kaum zur Lösung bei, sondern schürt lediglich Zwietracht – basierend auf einer vermeintlich kulturell fremden Vorstellung.
Aber was ist mit den eigentlichen Verantwortlichen? Vielleicht sollten wir einen genaueren Blick auf die Vermieter werfen, die letztlich entscheiden, wer ihre Immobilien anmietet. Viele von ihnen haben möglicherweise durch einen Generationswechsel keinen Bezug mehr zur Stadt und handeln vor allem aus wirtschaftlichen Gründen. In Zeiten hoher Mieten ist man schließlich froh, wenn überhaupt vermietet wird.
Die jüngste Erhöhung der Kurtaxe und des Fremdenverkehrsbeitrags wäre ein weiterer Schlag ins Gesicht der Innenstadt. Statt zur Belebung beizutragen, wirken diese Maßnahmen eher hemmend und erschweren es, den lokalen Einzelhandel zu unterstützen.
Wie Sarah Gallenberger in ihrem Beitrag ,Zukunft braucht Neues‘ beschreibt, braucht Baden-Baden dringend neue Impulse. Die alte Vorstellung einer Innenstadt ist längst passé – da beißt die Maus keinen Faden ab. Wer das noch nicht erkannt hat, hat die Zeichen der Zeit verpasst. Vielfalt und neue Ideen sind der Schlüssel, um unsere Innenstadt lebendig zu halten.
Ob dies jedoch durch Barbershops, Tattoostudios, Merchandising-Läden oder durch erhebliche Ausgaben öffentlicher Gelder erreicht werden kann, bleibt fraglich. Vielleicht wäre es an der Zeit, dass sich die hochdotierten, von öffentlichen Geldern finanzierten ,Experten:innen‘ zu Wort melden und sich ihrer eigentlichen Aufgabe wieder bewusst werden.“
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Foto: Tommy Schindler