Absage an die Aktion Seebrücke: Humanitäre Hilfe anders ansteuern

09Juni
2020

Am 25. Mai wurde im Gemeinderat darüber abgestimmt, ob die Kurstadt im Rahmen der Aktion „Seebrücke* – Sicherer Hafen Baden-Baden“ zwei Flüchtlingskinder aufnehmen solle. Die Mehrheit stimmte dagegen. Warum dies FBB-seitig dennoch keine Absage an humanitäre Hilfe darstellt, belegt ein Schreiben des Stadtrats Markus Fricke vom 23. Mai an die Bürgermeister, die Presse und die Gemeinderäte.

Im besagten Antrag der Grünen sowie der SPD wurde an jenem Montagabend gefordert, wenigstens „bis zu zwei unbegleitete minderjährige Flüchtlinge im Rahmen der Aktion Seebrücke freiwillig aufzunehmen.“ Alle Fraktionen außer den Grünen und der SPD stimmten dagegen.

Herzlose Entscheidung?

Die Gegenstimmen lösten teilweise Unverständnis aus, der Vorwurf mangelnder Solidarität wurde laut. Warum wollen Kommunalpolitiker keine notleidenden Menschen aufnehmen, ist man geneigt zu denken. Doch mit Schwarz-Weiß-Denken wird man diesem Thema nicht gerecht.

Die finanzielle Verantwortung hätte das Land getragen – nicht die Kurstadt

Der Antrag der Grünen und der SPD, Flüchtlingskinder aufzunehmen, basiert auf einer Finanzierung mit Landesgeldern – die Stadt wäre hierbei kostenmäßig fein raus, hätte also keinerlei monetäre Verantwortung übernehmen müssen.

Ein Antrag, der die Stadt, den Gemeinderat und die Bürger in die volle Verantwortung nimmt, wurde allerdings von niemandem gestellt.

Anregung der FBB, sich seitens der Stadt für Flüchtlingskinder einzusetzen

Markus Fricke ist Rechtsanwalt. Als solcher hat er auch schon die Rechte von Flüchtlingskindern vertreten und diese über Jahre begleitet. Vor der Abstimmung im Gemeinderat wandte er sich an die Stadtverwaltung, mit einer Anregung, sich für Flüchtlingskinder einzusetzen – aber formal unabhängig von der Aktion Seebrücke.

Auszug an Frickes Schreiben ans Rathaus

„Bevor ich meine avisierte Entscheidung begründe, möchte ich als Stadtrat die Anregung geben, der Gemeinderat möge auf entsprechenden Beschlussantrag beschließen: Die Stadt Baden-Baden erklärt gegenüber dem Auswärtigen Amt der Bundesrepublik Deutschland, dass sie bereit ist, zusätzlich <Anzahl> unbegleitete minderjährige Flüchtlinge auf eigene Kosten aufzunehmen und sich ihrer anzunehmen.“

Wo ist das Thema Asylschutz verortet?

Laut Fricke habe die Stadt sonst keine Handlungsoptionen in Fragen der Übernahme von Schutzsuchenden aus dem Ausland, der Gewährung von Asylschutz und der Gewährung von Flüchtlingsschutz. Es handelt sich um eine allgemeinpolitische Aufgabe, nicht um eine kommunalpolitische.

Die Stadt, ihre Entscheider und Bürger können helfen

Der Entscheidung, die Kinder nicht aufzunehmen, haftet dennoch ein bitterer Nachgeschmack an. Es geht hier um unbegleitete Kinder, die Gewalt, Terror und Not erfahren haben. Baden-Baden könnte auch noch im Nachhinein und unabhängig von der Aktion Seebrücke tätig werden – etwa mit einem Schreiben an das Auswärtige Amt und der Übernahme der vollen Verantwortung für die Flüchtlingskinder. Samt finanzieller Unterstützung, etwa von Privatleuten. Die Kurstadt verfügt immerhin über 55 Millionäre.

*Die Seebrücke wurde vor zwei Jahren gegründet. Zahlreiche Städte, Gemeinden und Kommunen haben sich damit solidarisch erklärt. Diese Organisation stellt sich gegen die Abschottungspolitik Europas und leistet nach eigenen Angaben selbst einen Beitrag, um mehr Menschen ein sicheres Ankommen zu ermöglichen. 24 Seebrücke-Gemeinden gibt es allein in Baden-Württemberg, darunter etwa die Städte Karlsruhe, Heidelberg, Mannheim.

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