„Das Thema Großklinikum wird im Herbst und Winter 2022 das alles beherrschende Thema bleiben“
30August
2022
Er sieht die Gefahr, dass die Ein-Standort-Lösung mit einem Zentralklinikum scheitern könnte und die Krankenhausversorgung in Mittelbaden mit zwei oder drei Standorten weitergeführt wird – und er lässt auch im Sommer nicht ab von der Kommunalpolitik: Martin Ernst im Sommer-Interview.
Herr Ernst, der Gemeinderat ist noch in der Sommerpause und wird sich erst wieder im September treffen. Welche Ereignisse in der Stadtpolitik haben Sie in diesem Jahr besonders gefreut?
Martin Ernst: „Nach acht Jahren OB Magret Mergen hat mich der Wechsel an der Rathausspitze besonders gefreut. Wir wählen in Baden-Württemberg den Oberbürgermeister auf acht Jahre. Wenn dies der oder die falsche ist, sind acht Jahre eine verdammt lange Zeit. Andere Bundesländer wählen auf sechs oder auch auf fünf Jahre. Diese Amtszeit würde ich viel eher begrüßen. Der jeweilige Bürgermeisterkandidat kriegt automatisch die Wiederwahl, wenn die Bürger seiner Stadt mit ihm zufrieden sind.
Gefreut habe ich mich deswegen, weil Magret Mergen allein regierte, ihre beiden Bürgermeisterkollegen nicht einbezog und schon gar nicht den Stadtrat.“
Und welche Entscheidungen haben Sie geärgert?
Martin Ernst: „Geärgert habe ich mich insbesondere über den von der Alt-OB vorzementierten Weg zum Großklinikum Mittelbaden. Es wurde nie über die Betriebsgesellschaft gesprochen, die seit zehn Jahren Jahr für Jahr ein gewaltiges Minus produziert – und auch nicht über die Kosten der gesamten Maßnahme. Selbstverständlich hat jede Region bezüglich der Daseinsvorsorge auch ein Klinikum zu organisieren. Aber nirgends steht geschrieben, dass diese Kosten alternativlos den Bürgern aufs Auge gedrückt werden müssen. Es gibt genügend Beispiele einer herausragenden Krankenvorsorge, die nicht von der öffentlichen Hand selbst organisiert und bezahlt werden muss. Und schon gar nicht kann es sein, dass wir zu etwas Ja sagen sollen, egal, was es kostet. Diese von der ehemaligen OB vorgegebene und vom Großteil des Gemeinderats mitgetragene Herangehensweise ist für mich einfach nur unglaublich.“
Der neue OB ist bereits einige Wochen im Amt. Was ist Ihr Eindruck: Treibt er die Stadtpolitik in die richtige Richtung?
Martin Ernst: „Ich freue mich sehr über den Wechsel an der Rathausspitze. Der neue Oberbürgermeister sucht das Gespräch und hört zu. Er macht sich einen eigenen Eindruck. Allein diese Tatsache ist schon sehr erfrischend. Unser neuer Oberbürgermeister hat verdient, dass ihm alle die Einarbeitungszeit gönnen, die man für eine Stadtverwaltung mit weit über tausend Mitarbeitern benötigt.“
Jetzt heißt es auch für Sie erst einmal: Auszeit vom mitunter anstrengenden Gemeinderats-Ehrenamt. Welche Hausaufgaben haben Sie sich für die Ferien gestellt?
Martin Ernst: „Sie können nicht in den Ferien das Denken abschalten. Die Kommunalpolitik holt Sie permanent ein. Bei jeder Einladung, bei jedem Treffen werden Sie automatisch auf irgendein Thema der laufenden Kommunalpolitik angesprochen.“
Und welches Thema möchten Sie ab September wieder verstärkt treiben?
Martin Ernst: „Das Thema Großklinikum wird im Herbst und Winter 2022 das alles beherrschende Thema bleiben. Ich möchte hier an dieser Stelle nicht ausschließen, dass ich die große Gefahr sehe, dass die Ein-Standort-Lösung scheitern könnte und die Krankenhausversorgung in Mittelbaden mit zwei oder drei Standorten weitergeführt wird. Aber auch hier muss im weiteren Prozess zwingend von den Kreis- und Stadträten die Kostenseite beim Bau und im laufenden Betrieb im Auge behalten werden. Genau über diese beiden zentralen Punkte wurde bisher überhaupt nicht gesprochen. Es geht momentan immer noch ausschließlich um die Auswahl des zukünftigen Standorts.“
Bereits in nicht einmal zwei Jahren finden Kommunalwahlen statt. Mit welchen Themen sollte die FBB aus Ihrer Sicht punkten?
Martin Ernst: „Die Freien Bürger für Baden-Baden sind keine Partei und damit keiner Ideologie verpflichtet. Wir müssen keine Bundes- oder Kommunalthemen mittragen, obwohl diese überhaupt nicht zu Baden-Baden passen. Uns geht es allein darum, die Stadt Baden-Baden in ihrer Einzigartigkeit zu bewahren und für die Zukunft wieder fit zu machen.“
Für alle Interessierten: Wann findet der nächste FBB-Stammtisch statt? Und wo?
Martin Ernst: „Am 20. September im Kurhaus. Nähere Details werde ich noch bekanntgeben.“
Last but not least: Wie und wo verbringen Sie den restlichen Sommer? Genießen Sie die Vorzüge der Kurstadt oder fahren Sie länger weg?
Martin Ernst: „Selbstverständlich freue ich mich auf den Sommer und auf eine Auszeit und etwas Innehalten und Ruhe. Familienintern kann ich nicht zwei bis drei Wochen an irgendeinen Strand fahren. Ich werde spontan mit meiner Frau sieben bis zehn Tage ein nicht allzu fernes Ziel in Europa ansteuern
Foto: FBB-Archiv