„Baden-Baden läuft Gefahr, in der Beliebigkeit zu landen“
09Dezember
2022
Keine gute Prognose hat Wolfgang Niedermeyer, Stadtrat der FBB, für die Kurstadt. Die Verwaltungsführung sei nicht in der Lage, in Prioritäten zu denken. Und es fehle an Leadership in der Zivilgesellschaft. Ein Interview zum Jahresausklang.
Herr Niedermeyer, das Jahr 2022 geht in die letzte Runde. Mit welchem städtepolitischen Thema schließen Sie das Jahr gedanklich ab? Und mit welchem Gefühl für Ihre Wähler?
Wolfgang Niedermeyer: „Mir gibt das Klinikum weiter zu denken. Da werden lautstark Argumente hervorgeholt, die für unsere erkrankten Mitbürger keine Relevanz haben. Die werden nicht vom einem historischen Gesundheitsstandort, Imageträger, Wirtschaftsfaktor, Geburtsortstandort oder ähnlichem Beiwerk gesund, sondern von professioneller Diagnostik und Therapie, versorgt von ausreichend und motiviertem Personal. Ich hoffe, dass dies eine schweigenden Mehrheit erkennt und sich nicht in den unverantwortlichen Profilierungswettbewerb hineinziehen lässt, der letztlich zu Lasten aller Bewohner von Stadt- und Landkreis ausgehen könnte.“
Welches Thema wollen Sie im neuen Jahr zuerst anpacken?
Wolfgang Niedermeyer: „Wir wissen, dass wir dringend bezahlbaren Wohnraum, Betreuungseinrichtungen für Kinder und ältere Menschen benötigen. Gleichzeitig bleiben Projekte in den Schreibtischen liegen, weil immer neuer Klärungsbedarf vorgeschoben wird. Ich denke da an das große Projekt ,Eberts Garten‘. Das kann so nicht weitergehen.“
Welches politische Thema wird 2023 Ihr Leitmotiv sein?
Wolfgang Niedermeyer: „Es gilt in allen Bereichen, die Grenzen des Wachstums zu definieren. Was soll noch alles von Ämtern und Verwaltungen geleistet werden? Was soll wieder mehr in die (Selbst-) Verantwortung der Bürger gegeben werden?“
Welche Themen stehen weiterhin auf Ihrer politischen Agenda?
Wolfgang Niedermeyer: „Alle, die unsere Handlungsfähigkeit immer weiter einschränken und uns kurz- und mittelfristig finanziell erwürgen werden.“
Ein Gedankenspiel. Wir schreiben das Jahr 2030. Wie sieht Baden-Baden aus? Und wofür steht es?
Wolfgang Niedermeyer: „Da weder die Verwaltungsführung in Prioritäten denkt, noch Leadership in der Zivilgesellschaft aktiv vorhanden ist, wird Baden-Baden wahrscheinlich wegen der divergierenden Partikularinteressen keine positive Entwicklung nehmen. Baden-Baden läuft Gefahr, mit dem immerwährenden Blick auf die Vergangenheit, die Zukunft zu verlieren und in der Beliebigkeit zu landen.“
Foto: Ben Becher