Tafelladen: keine Neukunden mehr möglich
20Mai
2022
Zu viele Hilfsbedürftige und zu wenige Hände: Der Baden-Badener Tafelladen am Lichtentaler Klosterplatz kann den Ansturm der Hilfsbedürftigen nicht mehr bedienen und verkauft bis auf unbestimmte Zeit nicht mehr an neue Kunden.
Es geht an keinem Verbraucher spurlos vorbei, wie die Preise für Lebensmittel stetig in die Höhe schießen. Die Inflation ist auf dem höchsten Stand seit 1981, der steigende Mindestlohn führt zu höheren Kosten für Landwirte, der Ukrainekrieg sorgt für Lieferschwierigkeiten bei Sonnenblumenöl & Co. Gemüse, Butter, Fleisch: Alles ist bedeutend teurer als im Vorjahr und die Preise steigen weiter. Dies führt bei Menschen, die beim Einkaufen ohnehin schon aufs Geld gucken müssen, zu noch mehr Schwierigkeiten. Kaum verwunderlich also, dass sich der Kreis der Stammkundschaft des Baden-Badener Tafelladens binnen Wochen von 120 auf 440 vergrößert hat.
Fürs Erste keine neuen Ausweise mehr
Im Tafelladen am Klosterplatz kann nicht jeder einfach einkaufen gehen – hierfür ist ein spezieller Ausweis erforderlich, für den man seine Bedürftigkeit nachweisen muss. So wird garantiert, dass nur registrierte und berechtigte Bürger günstig einkaufen können. Weil durch den enormen Andrang in letzter Zeit enorm lange Schlangen entstanden sind, musste das Vergabesystem angepasst und Zeitpläne erstellt werden. Die Menge an Kunden setzt sich aus Rentnern, Arbeitslosen und einigen Geflüchteten zusammen. Wenn auch bis auf Weiteres keine neuen Ausweise mehr vergeben werden, kann man sich auf eine Nachrück-Warteliste setzen lassen – ein schwacher Trost, wenn man Hunger hat.
Armut in der vermeintlichen Stadt der Reichen
Luxushotels, schicke Restaurants, Villen und ganz viel good-good life. Das Bild, das Baden-Baden in der Welt hat, deckt sich nur teilweise mit der Realität. Jenseits vom Luxus von Kurhauskolonnaden, Allee und Bäderviertel finden sich die gleichen Probleme wie in jeder anderen Stadt auch. 2018 lebten 8,5 Prozent der Bewohner in Armut, die Arbeitslosenquote liegt mit aktuell 4,8 Prozent fast eineinhalb mal so hoch wie der Landesdurchschnitt – der Landkreis Baden-Baden hat die dritthöchste Arbeitslosenquote Baden-Württembergs. Angewiesen auf bezahlbare Lebensmittel sind hier also nicht weniger Leute als anderswo.
Viele Ehrenamtliche, aber nicht genug
Mehrere dutzend freiwillige Helfer – Rentner, Schüler und andere Hilfswillige – helfen wöchentlich in der Tafel aus und verkaufen, schleppen schwere Kisten mit Lebensmitteln und kümmern sich um den Papierkram. Dennoch ächzt die Tafel unter dem Andrang der Hilfsbedürftigen. Trotz der großen Menge an Ehrenamtlichen bittet Leiterin Helene Schäfer um weitere Helfer, um vormittags zu Verkaufszeiten die Kunden versorgen zu können. Der Bühler Tafelladen steckt ebenfalls in der Klemme – weil die Vorräte nicht für alle Kunden reichen, wurde zu Lebensmittelspenden aufgerufen. Doch nicht nur Essbares ist willkommen: Die Bühler Tafel hat jüngst, zusätzlich zum Lebensmittelgeschäft, einen Non-Food-Laden eröffnet, in dem sie Haushaltsartikel, Spielsachen und vieles mehr anbieten. Das Projekt ist mit großem Erfolg angelaufen und auch hier sind Sachspenden jederzeit willkommen – besonders ukrainische Geflüchtete nehmen das Angebot des Non-Food-Tafelladens häufig in Anspruch.
Fotos: Ben Becher