Steigende Heimkosten: Ein Damoklesschwert
25November
2024
Die explodierenden Kosten für Bewohnerinnen und Bewohner in Seniorenheimen treffen Familien oft hart und unerbittlich. Denn das Entlastungsgesetz der Regierung hält nicht, was es verspricht. Cornelia Mangelsdorf beschreibt einen Fall aus dem wahren Leben.
Für Nicht-Insider klingt das erst einmal positiv: Die Pflegekasse zahlt seit 2022 einen Leistungszuschuss für Bewohnerinnen und Bewohner von stationären Pflegeeinrichtungen. Dieser wurde 2024 angehoben und wird auch zum 1. Januar 2025 leicht erhöht. Je länger eine Person in einem Pflegeheim lebt, desto mehr zahlt die Pflegekasse für sie – natürlich richtet sich die Höhe des Beitrags auch nach dem jeweiligen Pflegegrad.
Ein Heimplatz ist ein Glücksfall – und kostspielig
Ein Fall aus dem echten Leben zeigt allerdings, dass der „Leistungszuschuss“, der stufenweise angehoben wird, regelrecht verpufft. Ich schildere einen Fall aus dem echten Leben: Eine betagte Dame kommt 2022 ins Seniorenheim. Der Platz, sofort verfügbar, stellt sich als Glücksfall heraus, denn viele Betroffene warten Wochen oder Monate vergeblich. Die Rente der Dame ist nicht besonders hoch. Sie besitzt ein Häuschen, an dem sie hängt und das sie nicht verkaufen möchte. Deshalb bringen ihre Kinder jeden Monat jeweils bis zu 1.000 Euro auf, um das Seniorenheim gemeinsam mit der Mutter zu finanzieren. Einen Teil trägt die Pflegekasse.
Zu früh gefreut
Sie sind erleichtert, als sie erfahren, dass die Pflegekasse ihren Anteil an den Pflegekosten im Heim sukzessive anhebt. Nach zwei Jahren Erfahrung stellt die Familie allerdings fest: Die jährlichen Preiserhöhungen der Seniorenheime sowie die jährlichen Erhöhungen der Pflegeleistungen und der Krankenkassen fressen diese staatlich verordnete Entlastung fast vollständig auf.
Ein Rechenbeispiel
Die Seniorin und ihre Kinder zahlen zu Beginn des Aufenthalts im Heim monatlich knapp 2.500 Euro, nach Abzug des Zuschusses für Pflegestufe 4. Nach einem halben Jahr kommt die erste Erhöhung seitens des Seniorenheims: Ab Juni 2023 klettert die monatlich zu zahlende Rate auf über 2.800 Euro. Hauptkostentreiber: die gestiegenen Gehälter des Pflegepersonals.
Zum Dezember 2023 erreicht die Seniorin dann eine Verweildauer von 13 Monaten im Seniorenheim. Damit steigt der Anteil der Leistungen der Pflegeversicherung – der von der Familie zu zahlende Betrag sinkt auf etwas über 2.500 Euro.
Die Entlastung um 300 Euro wird mit der nächsten Erhöhung des Seniorenheims im Mai 2024 fast komplett aufgefressen: Der monatliche Beitrag steigt auf 2.750 Euro. Zum Jahresende 2024 greift dann eine weitere Entlastung, weil die Seniorin nun im dritten Jahr im Pflegeheim ist. Die Familie zahlt monatlich jetzt rund 2.400 Euro. Doch die Freude über die Entlastung währt nur kurz: Denn schon warnt das Seniorenheim vor, dass die Kosten seitens des Seniorenheims zum 1. Januar 2025 wieder steigen werden.
Künftig wird es mit diesem Jojo-Effekt weitergehen:
• Das Heim wird nicht nur im Januar, sondern, wie jedes Jahr, auch im Juni 2025 wieder die Preise erhöhen.
• Die Pflegekasse wird ab Herbst 2025, wenn die Seniorin das vierte Jahr im Heim ist, wieder etwas mehr dazuzahlen.
• Das Heim wird im Jahr 2026 wieder aufschlagen – ob eine oder zwei Erhöhungen kommen? Vielleicht werden es auch drei.
Fazit der Familie: Das Entlastungsgesetz bringt nicht den erhofften Effekt
Die Kosten steigen und steigen, sie können nur geleistet werden, wenn eine ganze Familie zusammensteht und für die Bewältigung der Heimkosten bereit ist. Die Wirkung des Entlastungsgesetzes stellen selbst Fachleute infrage. Die Leiterin eines Seniorenheims, die hier nicht namentlich genannt werden will, sagte mir am Telefon: „Es ist ein reines Geldverschiebespiel, mehr nicht.“
Immer mehr Senioren müssen Sozialhilfe beantragen
Und sie fügte hinzu: „Mehr und mehr Heimbewohner erhalten Sozialhilfe. Waren es in einem mir bekannten Haus vor fünf, sechs Jahren noch keine fünf Prozent der Bewohner, die staatliche Hilfe benötigten, so sind es mittlerweile fast 40 Prozent; in einem anderen Seniorenheim sind es sogar 60 Prozent.“
In Würde altern – wie soll das gehen, wenn Gesetze wirkungslos bleiben?
Das Gesundheitsministerium setzt sich mit diesen Fragen freilich nicht auseinander. Eine Sprecherin weist auf meine Nachfrage darauf hin, „dass der Bund mit der Pflegereform fast sieben Milliarden Euro mehr in die Pflege investiert.“
Wirksam ist die Pflegereform damit aber trotzdem nicht. Die Kosten schießen immer weiter in die Höhe und stellen Familien oftmals vor ein großes Problem. Ich persönlich finde es nicht tragbar, dass unser Land immer noch nicht genug für unsere alten Menschen tut. Denn oft liegt ein arbeitsreiches Leben hinter ihnen. Einen ruhigen Lebensabend hätten sie mehr als verdient.
Aufgrund der besseren Lesbarkeit wird auf der Website nur die männliche Form verwendet. Diese Form versteht sich explizit als geschlechtsneutral.
Foto: Freepic