Das neue Bürgerbegehren zum Klinikum: hilfreich oder schädlich?
20Januar
2025
Jan-Michael Meinecke (FBB-Ortschaftsrat in Ebersteinburg) im Gespräch mit Markus Fricke, FBB-Stadtrat.
Herr Fricke, wie stehen Sie persönlich zu dem Bürgerbegehren?
Ich denke, es steckt viel Unkenntnis und Unüberlegtheit in dem Thema. Emotionen und Populismus besiegen den Kopf mancher. Jeder wünscht sich eine Gesundheitsvorsorge in der eigenen Gemeinde.
Wie meinen Sie das?
Nun, schon der Ansatz des Bürgerbegehren ist fehlerhaft. Es geht nicht darum, ob Baden-Baden die Klinik bei sich oder der Landkreis Rastatt das Gebäude bei sich errichtet. Es geht darum, wo sich gemeinsam die beste Versorgung für alle realisieren läßt.
Das Bürgerbegehren setzt also falsch an?
Schlimmer noch! Es führt Baden-Baden in die Sackgasse. Ich versuche es zu erläutern:
„Die Stadtklinik“ gibt es seit Jahr und Tag nicht mehr. Beide politischen Kreis- und Landkreis betreiben gemeinsame eine Gesellschaft mit mehreren Standorten. Dieser (!) gehören die Immobilien. Alle Klinikstandorte fressen uns finanziell auf. Sie sind nicht mehr zeitgemäß und verschlingen alleine deshalb Millionen, ohne daß davon irgendwer gesund würde. Es muß ein zentraler Neubau her. Man behalte in Erinnerung, daß wir der kleinere der beiden Gesellschafter sind.
Wenn das Bürgerbegehren Erfolg hätte, bekämen unsere Bürger Steine statt Brot.
Wie kommen Sie zu dieser Annahme?
Nun, zwei Eigentümer sehen die Notwendigkeit eines Zentralklinikums (ZKM). Das ist von niemandem bestritten. Problem: keiner kann es sich alleine leisten. Also wurde in einem gemeinsam entwickelten Verfahren von Stadt- und Landkreis das beste Grundstück gesucht um es gemeinsam zu bebauen. Das Grundstück liegt im Münchfeld, sagen die Gutachter. Ich jedenfalls bin nicht schlauer als die Gutachter und ich maße mir im Gegensatz zu anderen nicht an, über höhere Sachkompetenz als diese zu verfügen.
Zurück zum Münchfeld: Ob alle Vorgaben für einen Bau eingehalten werden können, wird die Zukunft weisen. Da stehen noch viele Gutachten an. Übrigens wäre das an einem anderen Standort genauso der Fall.
Herr Fricke, was bringt denn nun den Bürgern Ihres Erachtens Steine statt Brot?
Nun, lassen wir das Bürgerbegehren mal erfolgreich sein. Was wird das Ergebnis sein? Daß der größere Gesellschafter auf die Knie geht und darum bittet, das ZKM doch in Baden-Baden zu bauen? Natürlich nicht. Ohne Einigung wird das Land wird seine finanziellen Zusagen ohnehin überdenken.
Nein, der Landkreis Rastatt wird möglicherweise für seine Bedürfnisse eine Klinik bauen können. Kein vernünftiger Mensch wird annehmen wollen, daß der Landkreis uns für unsere Bedürfnisse eine Erweiterung seines Klinikum auf eigene Kosten hinstellen wird.
Wenn das so käme, wo bliebe dann der Standort Balg?
Gesellschaftszweck ist die gemeinsame Gesundheitsversorgung. Die hat unbestritten nur Zukunft in einem ZKM. Wenn sich Baden-Baden dem verweigert, ist der Gesellschaftszweck nicht mehr erreichbar. Die Gesellschaft findet ihr (teures) Ende.
Mal angenommen, so käme es. Dann stünde die Klinik in Balg doch aber immer noch.
Das ist wahr. Wahr ist aber auch, daß das nicht lange so bliebe. Wir alleine können uns nur die Klinik in Balg dreimal nicht leisten, nicht einmal eine Mini-Klinik. Die geringe Größe würde zudem das Aus von Fördermitteln bedeuten, kurzum, der Abriß und die Verwertung des Geländes oder eine Umnutzung blieben das einzig Denkbare.
Was bedeutet das für den Umgang mit dem Bürgerbegehren?
Wer für die Bürger in Baden-Baden eine medizinisch sichere Versorgung gewährleisten will, der darf das Bürgerbegehren nicht unterzeichnen. Und wer jetzt behauptet, ich hätte dabei den Wählerwillen nicht vor Augen, dem rufe ich zu: „Das ist so falsch, daß nicht einmal das Gegenteil richtig wäre“. Gerade weil ich dem Wohl der Bürger verpflichtet bin und -vor allem- mich verpflichtet fühle, warne ich vor der Unterschrift.
Was sagen Sie zu den Mehrkosten im Formular des Bürgerbegehren?
Das ist meiner Einschätzung nach weniger als eine Milchmädchenrechnung. Sämtliche bisher angefallenen Gutachterkosten und Vorbereitungskosten wären durch den Schornstein gepustet. Der geneigte Leser wird mir zustimmen, daß das Welten mehr sind als 80.000 €, die wohl den Initiatoren kommuniziert wurden. Ich schreibe das nicht einer Unkenntnis der Stadtverwaltung zu, sondern der Ängstlichkeit, sich bei echten Zahlen dem Vorwurf einer Blockadehaltung gegenüber dem Bürgerbegehren ausgesetzt zu sehen. Eine Mutmaßung meinerseits.
In Wahrheit wären die Kosten eher bei denen für eine neue Feuerwache, die wir ebenso wenig von unseren Habenkonten bezahlen können.
Aber es gibt doch den Segelflugplatz, Herr Fricke. Der liegt ideal für alle.
Gut, daß Sie es ansprechen, Herr Meinecke. Vor wenigen Tagen wurde für TOP 5 der Sitzung des Gemeinderates am 27.01.2025 die fachgutachterliche Stellungnahme zugänglich gemacht. Jeder Bürger kann es nachlesen unter https://tinyurl.com/ydavuvne . In der Zusammenfassung kann festgehalten werden, daß dies definitiv eine Sackgasse ist.
Wie lautet Ihre Empfehlung, Herr Fricke?
- Runter vom Kirchturm!
- Den gedanklichen Horizont weiten
- Sich nicht an irgendwelchen Kleinigkeiten im Gutachten abarbeiten, die auf das Ergebnis keine Auswirkung haben
- Zuversicht und Vertrauen darin, dass 40 Gemeinderäte ebenfalls zum Denken fähig sind und allesamt das Wohl der Bürger verfolgen. Dass dabei unterschiedliche Schwerpunkte gesetzt werden und Argumente unterschiedlich gewichtet werden, liegt in der Natur der Sache.
- Anerkennen, dass Mehrheit in der Politik Wahrheit ist. Ich sage das, obwohl ich selbst gegen die aktuell vom Bürgerbegehren angegriffene Entscheidung stimmte. Dies nämlich nur deshalb, weil mir jede Vorstellungskraft dazu fehlt, wie wir den Kraftakt finanziell sollen stemmen können. Die Förderung des Landes muss deutlich höher werden.
Link zum Fachgutachten „Klinikum Standort Segelflugplatz“ https://tinyurl.com/ydavuvne
Foto: FBB Archiv