Notstand in Kliniken – Patienten in Gefahr!

17Juli
2023

Das Wohl des Patienten – für die FBB steht dies im Mittelpunkt der Diskussionen rund um den Klinikneubau. Wie leicht es außer Acht gerät, zeigt eine tragische Geschichte aus Bühl. Ein Kommentar von Cornelia Mangelsdorf

Deutschland – eine der reichsten Industrienationen. Man sollte meinen, dass die medizinische Versorgung hier gesichert ist. Doch dieser Gedanke entspricht immer weniger der Realität. Patienten, die aus Zeitnot nicht aufgenommen werden, lang auf einen Termin beim Facharzt warten müssen oder selbst bei einem Notfall abgewiesen werden: Das ist schon Realität. Zum Glück finden sich oft noch Idealisten unter den Medizinern, die alles für ihre Patienten tun – Kostenpauschale hin oder her.

Das Krankenhaus-Drama, das sich gerade in Bühl abspielte und tödlich endete, zeigt, an welchen Grenzen wir bereits jetzt stehen mit der medizinischen Versorgung. Kliniken, Ärzte, Transportdienste ­scheinen am Limit.

Im Bühler Klinikum wurde ein todkranker 87-jährigen Mann abgewiesen – und das, obwohl ein Bett für ihn reserviert worden war, so berichtete das BT. Der Mann hatte mehrfache Erkrankungen, litt ebenfalls an fortgeschrittener Demenz. In Bad Krozingen war er bereits behandelt worden. Die Klinik dort soll auch das Krankenbett in Bühl reserviert haben, für die Verlegung des alten Herrn.

Ein Rettungsfahrzeug soll ihn von Bad Krozingen zum Krankenhaus nach Bühl fahren. Allerdings trifft der Krankentransport in Bühl erst am späten Abend ein.

Auf der Notaufnahme dann das Drama: Der Patient liegt bereits auf der Liege beim Eingang, vor dem Krankenhaus. Doch die diensthabende Ärztin meldet, für den Patienten sei kein Bett mehr frei. Und dann sagt sie einen Nebensatz, der noch weiter schockiert: Sie sei allein im Hause. Eine diensthabende Ärztin für eine Klinik? Wie kann das sein? Auf Nachfrage bei einer Ärztin erfahre ich: Ja, das ist kein Einzelfall. Der Betreuungsschlüssel in der Nacht ist oft auf das Minimum reduziert. Ich hoffe, niemals ein Notfall zu werden, dem man Hilfe verweigert.

Die Ärztin und ein Sanitäter suchen nach einer Lösung, während der Patient nach Sauerstoff ringt. Er leidet unter Atemnot, wird auf dem Parkplatz mit Sauerstoff versorgt.

Dann die Entscheidung: Der alte Herr soll ins Klinikum Mittelbaden in Balg gefahren werden. Dies geschieht. Am nächsten Tag geht der Transport dann zurück nach Bühl in die Notaufnahme. Dem Patienten geht es sichtlich schlechter. Es werden diverse Untersuchungen mit dem alten Mann durchgeführt, auch kommt er auf die Röntgenstation. Dort verstirbt er. Ob es nun die Strapazen des Umweges waren oder sein schlechter Allgemeinzustand, das müssen Experten entscheiden. Fest steht: Der zusätzliche Transport nach Balg hätte nicht sein müssen.

Es war eine traurige Odyssee, die tödlich endete. Zurück bleibt eine fassungslose Familie. Die nicht versteht, welch strapaziöse Reise der an einer Lungenentzündung erkrankte Familienvater zum Schluss noch antreten musste.

Laut Thomas Iber, medizinischer Geschäftsführer des Klinikums Mittelbaden, soll der Patient vom Herzzentrum zur Verlegung nach Bühl angemeldet worden sein, allerdings für tagsüber im Regeldienst. Dass der Transport später erfolgen würde, war nicht kommuniziert worden. In der Regel muss auf einen angemeldeten Patienten gewartet werden. Dies ist nicht erfolgt. Die Notaufnahme in Bühl wird ab 21 Uhr geschlossen. Man fragt sich auch, warum der Patient überhaupt verlegt wurde, in seinem scheinbar nicht stabilen Zustand.

Dieser tragische Fall zeigt: Hier hat nichts funktioniert: Der Transportdienst war zu spät – kein Einzelfall. Die Ärztin in Bühl – allein auf weiter Flur. Ich habe mit einer mir bekannten Ärztin gesprochen. Sie bestätigte mir, dass spärlich besetzte medizinische Nachtwachen kein Einzelfall ist. Mir sind außerdem Fälle bekannt, bei denen Schwestern in Ausbildung eine ganze Station versorgen müssen. Der Pflegenotstand – er ist längst bittere Realität.

Wird sich das im neuen Zentralklinikum ändern? Schon jetzt, bei der Planung, müssen aus meiner Sicht vor allem Schwerpunkte gesetzt werden, die den Patienten dienen: Wie kann man möglichst kompetente Ärzte und Pflegekräfte anlocken? Wie soll der Betreuungsschlüssel aussehen? Wie werden Nachtdienste besetzt werden? Welches medizinische Ziel hat man? Welche Schwerpunkte wird es in der Versorgung geben? Und, wichtiges aktuelles Thema, wie wird die Reform der Krankenhäuser, die Gesundheitsminister Lauterbach gerade anstößt, im Vorfeld berücksichtigt werden können?

Personalnotstand in Klininiken – das ist ein schwerwiegendes Thema, das uns alle betrefft. Ich wünsche mir, dass bei all den Besprechungsthemen rund ums Großklinikum schon jetzt eine Diskussion um seine Ausrichtug und die ethischen Werte geführt wird. Es muss um das Wohl der Menschen gehen und um die bestmögliche medizinische Versorgung. Damit sich Fälle wie in Bühl nicht mehr wiederholen. 

Foto: Pexels.com / Oscar Ritter