„Fünfmal nein der FBB-Fraktion zu dieser Vorlage“

17Dezember
2019

Der Doppelhaushalt 2020/21 war gestern Abend tragendes Thema im Gemeinderat. Martin Ernst, Stadtrat und Gründer der FBB, konfrontierte die Zuhörer mit knallharten Fakten. Hier können Sie seine Haushaltsrede nachlesen.

Werte Frau Mergen, werte Kolleginnen und Kollegen,

die Verabschiedung des Haushaltes ist in der Sitzungsperiode für die Verwaltung und die abstimmenden Gemeinderäte immer einer der Jahreshöhepunkte. Geht es doch für alle Mitwirkenden jeweils darum, die ins Auge gefassten Investitionen des nächsten Jahres mit dem finanziell Machbaren abzuwägen. 

Diese Abwägungen liefen in den vergangenen sieben Jahrzenten meistens geräuschlos über die Bühne, nur die Verabschiedung des letzten Haushaltes war etwas holprig. Mir jedenfalls ist kein Fall bekannt, dass ein Baden-Badener Gemeinderat den von der Stadtverwaltung vorgelegten Haushalt nicht genehmigt hätte. Dies wird auch heute mit großer Wahrscheinlichkeit so geschehen und die Mehrheit dieses Gremiums wird den Haushalt für 

  • 2020 mit Aufwendungen von über 246 Mio. € und für 
  • 2021 mit Aufwendungen von über 252 Mio. € absegnen.  

Die Gestaltungsmöglichkeit von uns Gemeinderäten für Infrastrukturmaßnahmen an diesem Haushalt beträgt im Jahr 

  • 2020 ganze 17,8 Mio. € und für 
  • 2021 ganze 16,4 Mio. €. 

und das bei einer dafür notwendigen Kreditaufnahme von jeweils 15 Millionen Euro pro Jahr. 

Unser Mitspracherecht in die Zukunftsfähigkeit unserer Stadt umfasst also im Jahr 2020 ganze 7 % des jährlichen Haushaltes und für 2021 noch jämmerliche 6,5 %. Alles andere wird uns vorgegeben und man erwartet von uns einfach nur – die Zustimmung.

Diese von uns – dem Gemeinderat – in all den Vorjahren erwartete und jeweils gegebene Zustimmung führte dazu, dass zum Jahre 2005 die städtische Verschuldung auf damals sagehafte 78 Mio. € angestiegen war und das Regierungspräsidium den Haushalt so für das Folgejahr 2006 nicht mehr genehmigen wollte.

Gängige Praxis war es damals und ist es bis zum heutigen Tage, die Schulden in Tochtergesellschaften auszulagern, um damit den eigenen Städtischen Haushalt mit verringerten Schulden wieder genehmigungsfähig zu machen. 

Auch wenn man hier im Saal Verbindlichkeiten bei den Städtischen Tochtergesellschaften gerne nicht als Schulden der Stadt selbst ansieht, bleibt es Tatsache, dass für diese Schuldenauslagerungen an die Städtischen Tochtergesellschaften allein die Bürger dieser Stadt haften. Zudem zahlen allein sie die Zeche über ständige Erhöhungen von Gebühren und Abgabesätzen. 

Mit dieser Schuldenauslagerung im Jahre 2006 verringerten sich die Schulden bei der Stadt selbst von ursprünglich 78 Mio. auf neu 29 Mio. €.  Mit der Differenz von 49 Mio. € startete der Eigenbetrieb Umwelttechnik in die Selbständigkeit. Pech für den Eigenbetrieb war es, dass diese Mitgift von 49 Mio. € auf der Soll- und nicht auf der Habenseite stand.

Die Stadtwerke hatten zum damaligen Zeitpunkt knappe 5 Mio. € an Verbindlichkeiten. Diese Zahlen sind entnommen aus der von der Stadt Baden-Baden jeweils herausgegebenen Haushaltsbroschüre. 

Eine alte Volksweisheit sagt: „Spare in der Zeit, dann hast du in der Not.“ Obwohl wir bis auf kleine Unterbrechungen 70 fette Jahre hinter uns haben, wuchsen die gesamten Verbindlichkeiten bis zum laufenden Jahr 2019 auf 155 Mio. € an, sie verdoppelten sich quasi seit 2006. Sie erhöhten sich nach der Reduzierung in 2006 und vor der heutigen Verabschiedung des Doppelhaushaltes

  • bei der Stadt selbst von 29 Mio. € auf aktuell knapp 48 Mio. €, 
  • beim Eigenbetrieb Umwelttechnik von 49 Mio. € auf 81 Mio. € und
  • bei den Stadtwerken von damals 5 Mio. € auf nun 26 Mio. €.

Dieses von Jahr zu Jahr praktizierte „Weiter so“ bedeutet, 

  • dass wir bei den Schulen einen Sanierungsstau in Richtung 80 Mio. € haben.
  • dass wir bei den Straßen einen Sanierungsstau über mindestens 110 km Gemeindestraßen haben. Trotz eines Gutachteraufwandes von 450 TSD € können die Kosten bis heute nicht annähernd beziffert werden. 
  • dass wir das Festspielhaus im Jahre 2020 vertragsgemäß für 18,4 Mio. € kaufen müssen, gleichzeitig kommt ein Sanierungstau im 2-stelligen Mio.-Bereich auf die Stadt zu.
  • dass wir seit Ihrem Amtsantritt in der Stadtverwaltung 20 % mehr Personal beschäftigen, mit einem Anteil der gegen 30 % an den gesamten Aufwendungen geht
  • dass der Verkehr bei jeder größeren Veranstaltung kollabiert. Diesbezüglich verhalten wir uns wie die drei Affen: Nichts sehen, nichts hören, nichts sagen!!!
  • dass der Staatsanwalt bei der Vergabe des 2. Bauabschnitt am Leo feststellt, dass ein Kartell gegen die Interessen der Stadt tätig war. 

Diese Aufzählung könnte ich noch einige Minuten fortführen. Ich möchte an dieser Stelle, werte Frau Mergen, jedoch anmerken, dass Ihnen diese desaströse Situation nicht alleine anzulasten ist. Sie übernahmen diese Erblast quasi zu Ihrem Amtsantritt. 

Auch bin ich überzeugt davon, dass wenn die Ihnen so oft vorgeworfene westfälische Sturheit und eine überaus positive Entwicklung in den letzten Jahren nicht gewesen wären, dieses Szenario per heute noch viel schlimmer aussehen würde. Ich habe in den Vorgesprächen selbst erlebt, wie unangenehm es Ihnen war, dass die Fraktionen gegen Ihren Rat fleißig weitere Millionen an Ausgaben zusätzlich in den Haushalt reinpacken wollten und durch die Fraktionen der Stellenplan zusätzlich nach oben getrieben wurde. 

Werte Kolleginnen und Kollegen,

oft fällt hier in Vorträgen der Verwaltung das Wort „alternativlos“. Man will uns damit suggerieren, wir hätten keine andere Wahl. 

Ich frage jeden einzelnen von Ihnen, 

  • ist es klug,
  • ist es weitsichtig, 
  • ist es intelligentes Verhalten 

angesichts dieser historischen Schuldenhäufung und Problemansammlungen so weiter zu machen und sehenden Auges die Zukunft unserer Stadt an die Wand zu fahren? 

Ich bin sehr froh darüber, dass bei der diesjährigen Kommunalwahl drei Stadträte unter 40 Jahren in dieses Gremium gewählt wurden. 

  • Wie wollen Sie Frau von Loga, 
  • wie wollen Sie Herr Gireaud, 
  • wie wollen sie Herr Gönner 

Ihren Altersgenossen in 10 oder 20 Jahren erklären, dass Sie einer Haushaltsvorlage wie dieser im Jahre 2019 zugestimmt haben? 

Sie, Frau Mergen und wir alle hier im Saal, können wesentlich mehr, als wir mit dieser Vorlage abzeichnen sollen. Deswegen sagen wir von der FBB-Fraktion zu dieser Vorlage Nein, Nein, Nein, Nein, Nein. Zudem fordern wir eine namentliche Abstimmung, damit im Protokoll für spätere Generationen festgehalten wird, wer diesem Konstrukt am 16. Dezember des Jahres 2019 seine Zustimmung gegeben hat. 

Ich bedanke mich für Ihr Zuhören.

Foto: FBB-Archiv