Baden-Baden am finanziellen Abgrund – Unternehmer Stefan Klocke fordert radikalen Neustart
24April
2025
„Wir brauchen einen externen Sanierungsbeirat“– so sieht der Baden-Badener Unternehmer Stefan Klocke, der selbst schon Unternehmen sanieren musste, die Finanzkrise unserer Stadt.
Baden-Baden ist pleite. Die Verwaltung sucht und fordert verzweifelt neues Geld, aber über einen nachhaltigen Ausweg aus der Misere spricht niemand. FBB-News hat darüber mit dem Unternehmer und Investor Stefan Klocke gesprochen.
FBB-News: Was war Ihr erster Gedanke, als Sie von der bevorstehenden Zahlungsunfähigkeit Baden-Badens gehört haben?
Stefan Klocke: Gewundert habe ich mich nur darüber, dass die große Mehrheit im Gemeinderat und die Verwaltung so überrascht waren. Der Weg in die Pleite war für jeden interessierten Bürger seit Jahren erkennbar.
FBB: Als Unternehmer und Investor haben Sie Krisensituationen wie die unserer Stadt vermutlich schon hautnah erlebt. Was ist jetzt zu tun?
SK: Ja, leider habe ich das auch schon erlebt. Baden-Baden braucht einen Sanierungsplan für eine echten Neuanfang. Die Situation ist vergleichbar mit der eines insolventen Unternehmens. Man ist zahlungsunfähig, sieht aber eine Chance, den Fortbestand des Unternehmens zu sichern – wenn es denn saniert und neu aufgestellt ist. Also: Was ist das Ziel? Wie wollen wir es erreichen? Wie lange wird das dauern? Und was wird uns das kosten? Leider passiert in diesen Tagen genau das Gegenteil. Kurzatmig soll ein Nachtragshaushalt für 2024 genehmigt werden. Bis der beschlossen ist, ist das Jahr halb rum – und dann? Nein, jetzt braucht es das „Große Bild.“
FBB: Trauen Sie dem OB und der Verwaltungsspitze einen solchen Kraftakt zu?
SK: Warum nicht? Sie sind dafür in der Verantwortung und werden dafür bezahlt. Ich schlage allerdings vor, einen ehrenamtlichen Sanierungsbeirat zu berufen und ihn direkt im Büro des OB zu platzieren. Er soll besetzt sein mit erfahrenen Unternehmern und Wirtschaftsexperten, die ihren Lebensmittelpunkt in unserer Stadt haben, diese Stadt lieben und sie erneuern wollen. Dieser Sanierungsbeirat soll unsere Bürgermeister und die Verwaltung bei der Ausarbeitung und Umsetzung des Sanierungsplans unterstützen und eng begleiten.
FBB: Wie soll das konkret passieren? Können Sie ein paar Beispiele nennen?
SK: Oberstes Prinzip im Rathaus muss Kostendisziplin und Kostentransparenz sein. Jeder, der in der Verwaltung der Geld ausgibt, sollte so fühlen, als ob es sein eigenes verdientes Geld ist. Da sehe ich sehr hohe Einsparpotentiale. Zur Kostentransparenz: unsere Bürgermeister werden nicht müde zu betonen, dass sehr viele Auf- und Ausgaben auf Gesetzen beruhen, die in Berlin und Brüssel gemacht werden und man deshalb die damit verbundenen Ausgaben nicht steuern könne. Gut gebrüllt, Löwe. Aber wie hoch sind denn diese Mehrausgaben genau in Baden-Baden? Mir sind keine Zahlen bekannt. Andere Gemeinden sind da mitteilungsfreudiger. Für diese Mehrkosten, die der Tübinger OB Boris Palmer „staatliche Zechprellerei“ nennt, dürfen nicht die Bürger in Anspruch genommen werden. Die Verwaltung muss diese Zahlen ermitteln und dann Druck auf Stuttgart, Berlin und Brüssel machen, damit die Rechnung bezahlt wird. Wofür haben wir Landtags- Bundestags- und Europa-Abgeordnete? Das gleiche Prinzip muss auf alle laufenden Großprojekte angewandt werden, zu denen die Stadt gezwungen wird.
Zweiter Schwerpunkt für den Sanierungsbeirat wäre aus meiner Sicht ein 5-Jahres-Plan zur Modernisierung und Digitalisierung unserer Verwaltung. Warum dauert eine gewöhnliche Baugenehmigung 1 ½ Jahre? Weil wir zu wenig Personal haben? Falsch! Die Prozesse sind langatmig und noch immer viel zu papierlastig. Warum nehmen wir uns nicht Kommunen als Beispiel, die besser funktionieren? In der freien Wirtschaft gibt’s dafür einen Begriff: „Best Practice“ auf Deutsch: „Bewährte Praxis.“ Recherchieren, wo werden Baugenehmigungen am schnellsten erteilt? Dann dieses Modell einfach übernehmen und sofort umsetzten, auch wenn es zu Beginn nicht 100%-ig funktioniert. Übertragen auf die 20 wichtigsten Dienstleistungen der Verwaltung, entlastet man dadurch hunderte von Mitarbeitern von quälender Routine. Das ist gut, denn genau diese Menschen brauchen wir für die Umsetzung des neuen Leitbilds unserer Stadtverwaltung: die erste digitale Gemeinde in Baden-Württemberg. Damit wecken man Mut, Kreativität sowie kaufmännisches und kundenorientiertes Denken. Niemand wird entlassen. Jede zweite oder dritte altersbedingt freiwerdende Stelle wird neu besetzt und die Mitarbeiterzahl sinkt bis 2030 um etwa 20% auf rd. 1.300.
FBB: Ist Baden-Baden nicht zu klein, um als kreisfreie Stadt zu überleben?
SK: Ohne Sanierungsplan ganz sicher. Deshalb muss der Sanierungsbeirat auch die großen Fragen stellen: müssen wir als kleinste kreisfreie Stadt im Land alle Verwaltungsaufgaben selber machen? Kann man nicht Verwaltungsbereiche mit dem Kreis zusammenlegen? Bei der Polizei hat das ja auch geklappt. Ober warum muss eine neue Feuerwache eigentlich 110 Mio. kosten?
FBB: Und was ist mit der Einnahmeseite?
SK: Man kann die Kita-Gebühren, die Fahrpreise im ÖPNV oder die Eintrittspreise im Schwimmbad erhöhen. Wer damit einen Haushalt ausgleichen will, bringt die Bürger gegen sich auf und hat schon verloren, bevor er anfängt. Die Gewerbesteuereinnahmen müssen wieder steigen. Von größeren Neuansiedlungen hat man schon lange nichts mehr gehört, obwohl der Job der Wirtschaftsförderer im Rathaus ja doppelt besetzt ist. Auch da kann ein Sanierungsbeirat helfen. Aber dafür braucht es auch eine Vision, wohin sich Baden-Baden entwickeln soll. Auch hier fehlt das „Große Bild“. Was wollen wir sein? Sommerhauptstadt Europas? Kulturhauptstadt? Die kleine, feine Luxus-Stadt? Solche Fragen zu stellen und die Diskussion darüber anzustoßen, ist Chefsache. Die Antworten findet man in der Stadt: nehmt die spannenden Futurum-Initiatoren mit ins Boot und die engagierten Unternehmer von „We love Baden-Baden“ und mobilisiert damit das Bürgertum zum Mitmachen. Dann kann eine solche Vision entstehen. Alles begleitet mit einem 5-Jahres-Plan für die Modernisierung der Verwaltung sowie die Sanierung der Finanzen.
FBB: Die aktuelle Finanznot der Stadt ist damit aber noch nicht geheilt.
SK: Richtig, aber alles, was ich bislang gesagt habe, muss zuerst erledigt werden. Erst wenn wir einen tragfähigen Sanierungsplan haben, können wir damit nach Stuttgart, Berlin und Brüssel gehen und die Finanzierungsfragen klären. Wir müssen glaubwürdig vermitteln, dass wir uns selbst aus dem Schlamassel befreien können und dafür brauchen wir einen guten Plan!
Vielleicht gehört uns dann am Ende nicht mehr der größte Stadtwald Baden-Württembergs, aber das stört den Bürger nicht, der Wald ist ja immer noch da. Der Bürger wird aber sehr wohl merken, dass die Verwaltung schneller wird (freundlich und serviceorientiert ist sie ja heute schon), dass dank neuer Gewerbeinnahmen Geld in die Stadt fließt, der Bund endlich seine Rechnung bezahlt und unsere Heimatstadt vor einem neuen goldenen Zeitalter steht.
Wir dürfen uns allerdings nichts vormachen: das wird schmerzhaft und unbequem. Aber einen anderen Weg gibt es nicht, wenn wir die Unabhängigkeit unserer Stadt erhalten wollen. Jetzt ist Mut ist gefragt und vielleicht auch mal ziviler Ungehorsam gegenüber Stuttgart oder Berlin? Frei nach dem Motto von Winston Churchill: lass keine Krise ungenutzt!
FBB: Vielen Dank für das Gespräch
Jan-Michael Meinecke
2. Vorsitzender
Freie Bürger für Baden-Baden e.V. / Ortschaftsrat Ebersteinburg
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Fotos: FBB-Archiv
Die FBB und die Warnung vor dem finanziellen Kollaps - seit 12 Jahren der einsame Rufer in der Wüste
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