Eins, zwei oder drei? Was Klinik-Standorte kosten

17November
2020

Die Neuplanung des Klinikums Mittelbaden sorgt für Diskussionsstoff: Welcher Standort soll es werden? Und wie viele Standorte machen Sinn? Wolfgang Niedermeyer, Stadtrat FBB, hat als Architekt und spezialisierter Krankenhausplaner Kliniken gebaut. Und sich mit den aktuellen Zahlen beschäftigt. Für FOKUS Baden-Baden hat er gerechnet.

Rechnet sich eher ein Neubau oder soll saniert werden? Wolfgang Niedermeyer spricht sich zunächst einmal für ein strukturiertes Vorgehen aus, gemäß dem gemeinsamen Antrag aller Fraktionen vom 5. November: „Die Fraktionen im Stadtrat halten die vereinbarte Abfolge des Verfahrens für wichtig und richtig“: erstens, die Suche nach Lösungen für eine funktionelle, qualitätssichernde und bezahlbare stationärer Krankenhausversorgung im Stadt- und Landkreis anhand unterschiedlicher Szenarien:

  • bei Beibehaltung der Hauptstandort
  • bei Aufteilung auf zwei Standorte
  • bei Zentralisierung auf einen Standort

Zweitens, nach Festlegung auf eines der drei oben beschriebenen Szenarien:

  • Standortsuche im Stadt- und Kreisgebiet
  • Beurteilung der Vor- und Nachteile
  • Auswahl des geeignetsten Standorts.“

Zwei, drei Klinikstandorte oder einer – Vor- und Nachteile

Wolfgang Niedermeyer fährt fort: „Es gibt ein professionelles externes Gutachten. Dieses untersucht alle drei Möglichkeiten, sowohl aus qualitativ medizinischer Sicht, aus der personellen und materiellen Machbarkeit und aus Sicht der Zukunftsfähigkeit. Dazu gehört auch eine Untersuchung über die vorhandenen Gebäudestrukturen und ihre Verwendungsfähigkeit für zeitgemäße Klinikfunktionen.

Drei Standorte: mehr Betten als nötig

In der bisherigen Struktur werden an den drei Standorten 890 Betten vorgehalten. Tatsächlich sind davon im Schnitt 616 Betten belegt. In den Standorten kommt es zur Parallelvorhaltung von Fachabteilungen, jeweils mit den für den Betrieb notwendigen Diagnostikabteilungen und medizinischem Großgerät. Daraus ergibt sich auch ein entsprechend notwendiger Personalbedarf von derzeit 1301 Vollkräften. Bedarfsnotwendig wären laut Gutachten für die drei Standorte allerdings nur 715 Betten mit entsprechender Neugliederung der Fachabteilungen.

Zwei Standorte: weniger Betten, weniger Personal

Bei einer Konzentration auf zwei Standorte würde der daraus entstehende Organisationsvorteil die notwendigen Planbetten auf 675 vermindern, bei Reduzierung des Gesamtpersonals auf 1162 Vollkräfte.

Ein Standort: muss innerhalb von 30 Minuten erreichbar sein

Bei einer Zentralisierung auf einen Standort würde der Organisationsvorteil die notwendigen Planbetten auf 666 schrumpfen lassen, bei weiterer Reduzierung des Gesamtpersonals auf 1048 Vollkräfte. Für die Ein-Standort-Lösung wird ein Erreichbarkeitsradius von 30 Minuten vorausgesetzt um Notfallabdeckung und Patientenakzeptanz zu gewährleisten. Die Personalabdeckung wird, wegen der Knappheit im Gesundheitsdienst, nur bei Zentralisierung für zukunftsfähig gehalten. Für die Aufrechterhaltung und Steigerung der medizinischen Qualität ist die Zentralisierung ebenfalls förderlich.

Drei Standorte verursachen hohe Kosten

Entsprechend verändern sich auch der Erlös bzw. Aufwand und das Jahresergebnis:
Bei dem derzeitigen Drei-Standort-System wird sich das negative Jahresergebnis 2020 von 6,5 Millionen Euro auf 25,5 Millionen Euro im Prognosezeitraum bis 2032 erhöhen. Insgesamt auf ein Minus von rund 145,7 Millionen Euro.

Das Minus bleibt auch bei zwei Standorten hoch

Bei dem Zwei-Standort-System wird sich das negative Jahresergebnis 2020 von 6,5 Millionen Euro auf 10,9 Millionen Euro im genannten Zeitraum erhöhen. Insgesamt auf ein Minus von rund 112,2 Millionen Euro.

Kostenverträglicher: die Ein-Standort-Lösung

Beim Ein-Standort-System wird sich das negative Jahresergebnis 2020 von 6,5 Millionen Euro bis 2028 ebenfalls erhöhen, auf 12,5 Millionen Euro. Ab dann sind positive Ergebnisse zu erwarten mit 1,9 Millionen Euro im Jahr 2032. Insgesamt ein Minus von rund 62,2 Millionen Euro.

Die Stadt muss zahlen

Diese Beträge sind durch die Gesellschafter auszugleichen. Die Stadt Baden-Baden haftet für 40 Prozent, also bei der Drei-Standort-Lösung mit rund 58,3 Millionen Euro, bei der Zwei-Standort-Lösung mit ca. 44,9 Millionen Euro und bei der Ein-Standortlösung mit ca. 24,9 Millionen Euro.

Die alten Kliniken sanieren würde Unsummen verschlingen

Um die Kliniken bei der Drei-Standort-Lösung für eine langfristige Weiternutzung zukunftsfähig zu machen, müssen im Prognosezeitraum rund. 338 Millionen Euro für die Sanierung und weitere ca. 133 Millionen Euro für Ergänzungsbauten aufgewendet werden. Zusammen also ca. 471 Millionen Euro. Die Kosten für Interimslösungen sind darin nicht enthalten.

Die Investkosten für eine Zwei-Standort-Lösung werden mit ca. 362 Millionen Euro und die Kosten für die Ein-Standort-Lösung mit 331 Millionen Euro beziffert.

Zu beachten ist, dass für die Zwei- und Ein-Standort-Lösungen neue Grundstücke gesucht werden müssen, da die vorhandenen Standorte keine entsprechende Flächenreserven haben. Dies gilt auch für Ergänzungsbauten der Drei-Standort-Lösung, besonders in Rastatt.

Wie viel Geld fließt vom Land?

Das Gutachten geht davon aus, dass vom Land jeweils 50 Prozent der Gesamtkosten bezuschusst werden. Diese Annahme, als derzeitige Basis für die Ergebnisrechnungen, ist jedoch nicht bestätigt. Ein höherer Eigenanteil für Stadt und Kreis würde die Berechnungsgrundlagen bei allen aufgezeigten Szenarien entscheidend (negativ) verändern.

Sind zusätzliche Alternativen denkbar?

Stadt und Landkreis haben den ,Sicherstellungsauftrag für die stationäre Krankenversorgung’. Als bisherige Träger in der Akutversorgung wären sie gut beraten, auch über alternative Szenarien nachzudenken und über Betriebsformen oder Übernahmen durch andere Marktteilnehmer nachzudenken. Nach Meinung der FBB-Fraktion muss auch darüber ohne Scheuklappen öffentlich diskutiert werden.“

Foto: Ben Becher