Ein ungeliebter Dickfisch

09April
2021

Der gigantische Internet-Händler Amazon will ein Verteilzentrum in Haueneberstein bauen. Das bereitet vielen Menschen Kopfzerbrechen. Doch, kann man das Vorhaben verhindern?

Man darf gespannt sein, wie der Ortschaftsrat am kommenden Montag über das Thema berät. Und was der Gemeinderat am 26. April 2021 dann entscheiden wird: Wird es bei einem „Nein“ bleiben? Und wird der Riese Amazon sich davon aufhalten lassen?

Rund um die Uhr Verkehr

24 Stunden soll das geplante Verteilzentrum des Internet-Riesen in Betrieb sein – das schreckt nicht nur Hauenebersteiner, sondern auch Bürgerinnen und Bürger, die ganz bewusst den Internet-Riesen boykottieren und ihre Bücher, Schuhe oder Kochlöffel in Baden-Baden kaufen, was auch in einem Lockdown möglich ist und schneller funktioniert als die Lieferung des gigantischen Onlinehändlers (Karton wird dadurch obendrein auch gespart). Es wird lauter werden in Haueneberstein und Umgebung: Die Waren müssen das geplante Zentrum in der Braunmattstraße erst einmal erreichen – und von dort dann ja auch wieder ausgefahren werden.

Grenzwertige Steuerpraktiken, miese Arbeitsbedingungen

Dagegen steht, dass rund 150 Menschen in dem neuen Zentrum Arbeit finden würden. Als fairer Arbeitnehmer gilt das Unternehmen allerdings nicht. Schlechte Bezahlung, miese Arbeitsbedingungen, eine schon fast menschenverachtende Personalpolitik: Das Unternehmen von Jeff Bezos, Chef des weltgrößten Onlinehändlers, macht nicht nur wegen seiner grenzwertigen Steuerpraktiken von sich reden. Schon Ende 2020 gab es ist der Baden-Badener Stadtverwaltung eine Bauvoranfrage des Online-Handelsriesen – der in Deutschland kaum Steuern zahlt. Wie Spiegel Online am 7. April schrieb, konnte das Unternehmen sich mehrmals gar über einen negativen Steuersatz freuen. Amazon soll beispielsweise 2018 prozentual weniger Steuern als die ärmsten 20 Prozent der US-Amerikaner gezahlt haben.

Das Konzept der Gewerbefläche spielt Amazon in die Karten

Auf die Gemeinde Haueneberstein und damit den Haushalt Baden-Baden kämen vermutlich satte Ausgaben zu, sofern nicht Hebel gefunden werden, diese auf den Bauherrn abzuwälzen: Straßen müssten ausgebaut und eine neue Ampelanlage aufgestellt werden. Doch als Trumpf wertet man bei Amazon wohl das Gewerbeflächenkonzept für das entsprechende Gebiet Aschmatt/Selmatt: Dies stellt heraus, dass man über die B3 optimal an die Autobahn angeschlossen sei, sodass keine Ortsdurchfahrt vonnöten sei. Das mag vielleicht für die Anlieferung der Waren gelten – doch was ist mit der Auslieferung? Sofern Baden-Badener bei Amazon bestellen und künftig von Haueneberstein beliefert werden könnten, würde die Route sicherlich nicht über die Autobahn führen, sondern über die Land- oder Bundesstraße.

Die FBB stimmte bereits dagegen

Der lokale Einzelhandel hat es durch die Corona-Lage schon jetzt unendlich schwer, weiter zu bestehen. Der Umsatzzuwachs des Onlinehandels hingegen erreichte ab März 2020 laut Statistischem Bundesamt eine ähnliche Größenordnung wie die Verluste des Einzelhandels mit Textilien, Bekleidung, Schuhen und Lederwaren, der real ein Minus von 30,7 Prozent verkraften musste. Nicht nur deshalb hat das Thema des Verteilzentrums eine besondere Brisanz. Gleichzeitig wird es unter den Baden-Badenern doch viele treue Kunden des amerikanischen Internet-Konzerns geben – die ihre unglaubliche Macht eines jeden Verbrauchers, das Geld bewusst auszugeben und lokal zu investieren, immer noch nicht wahrnehmen. Die FBB unterstützen die Pläne des Online-Riesen Amazon jedenfalls nicht.

Foto: unsplash.com_Marcin Jozwiak