„Die gesamte Situation ist zu verfahren und schreit nach einem Neuanfang“
11Dezember
2023
Martin Ernst, Chef der FBB, übernimmt für Prof. Dr. med. Heinrich Liesen den Aufsichtsratsposten im Klinikum Mittelbaden. Wie er seine neue Rolle für die Bürger nutzen möchte, erfahren Sie hier.
Herr Ernst, Ihr Kollege, Prof. Dr. med. Heinrich Liesen, hat den Aufsichtsratsposten im KMB hingeworfen. Sie treten sein Erbe an. Warum fiel die Wahl auf Sie?
Martin Ernst: „Die FBB ist im Stadtrat von Baden-Baden die einzige Fraktion, die die Privatisierung des Klinikums fordert. Bis auf die Fraktionen der Grünen und der SPD sieht die Mehrheit im Stadtrat den Standort am Münchfeldsee in Rastatt kritisch. Leider tragen aber alle außer der FBB die ständig steigende Verschuldung (noch) mit. Die Aufsichtsräte aus dem Landkreis sind in der Hauptsache Bürgermeister von im Landkreis liegenden Städten. Obwohl ich nach wie vor in meiner Firma stark eingebunden bin, baten mich die Fraktionskollegen, das Aufsichtsratsmandat doch anzunehmen. Man traut mir scheinbar am ehesten zu, die Interessen der Stadt gegen die Bürgermeister im Landkreis durchzusetzen.“
Was ist Ihrer Ansicht nach die Aufgabe der Personen im Aufsichtsrat?
Martin Ernst: „Der Aufsichtsrat ist eigentlich ein Ratgeber, er soll kein Abnicker sein. Die in den Aufsichtsrat entsandten Personen aller Fraktionen – und hier schließe ich mich ausdrücklich mit ein – haben keine Kompetenz in der Führung einer Klinik. Deswegen sitzen im Aufsichtsrat die falschen Leute. Wen wundert es da noch, dass das Minus ständig ansteigt?“
Die FBB hat sich kritisch geäußert über die Planung und vor allem Finanzierung des Großklinikums. Man kann also davon ausgehen, Sie gehen nicht auf Kuschelkurs. Was möchten Sie in Ihrer neuen Rolle bewegen?
Martin Ernst: „Systemrelevanz ist ein Begriff, der uns aus der Corona-Zeit im Gedächtnis geblieben ist. Der Begriff bedeutet nichts anderes, als dass eine Firma oder Institution eine gewisse Größe erreicht haben muss, dass bei Problemen innerhalb dieser Firma/Institution der Staat einspringen muss. Diese Systemrelevanz ist natürlich bei einer kommunalen Klinik nicht gegeben. Gegeben ist dies dann, wenn ein Klinikverbund bestehend aus etlichen Kliniken in eine finanzielle Schieflage gerät. Dann müssen Bund und Land einsteigen, weil die medizinische Versorgung in der Fläche gewährleistet sein muss. Ein finanzielles Einsteigen von Bund und Land beim Klinikum Mittelbaden wird nie in Frage kommen, da ja der Landkreis Rastatt und die Stadt Baden-Baden in voller Höhe haften. Von den Parteien der Grünen und der SPD wird immer wieder vorgetragen, dass private Kliniken sich die Rosinen rauspicken und damit nicht mehr das klinische Vollsortiment angeboten wird. Dieser Argumentation kann ich nicht folgen. Denn es wird immer Krankheiten geben, bei denen ich Spezialisten aufsuchen muss, die in meiner Klinik nicht vorhanden sind. Letztendich holt sich der Patient meistens eine zweite und oft auch eine dritte Meinung ein und wird dann von seinem Hausarzt in die Klinik überwiesen, die er als geeignetste für den weiteren Heilungsprozess ansieht. Wenn dies eine Privatklinik ist – und das ist immer öfter der Fall – wird er seinen Patienten dorthin empfehlen. Damit stimmt der Patient mit seinen Füßen ab, ob er das Klinikum Mittelbaden aufsucht oder nicht. Aus welchen Gründen auch immer ist dieses Allgemeinwissen den beiden Fraktionen Die Grünen und der SPD und den Bürgermeistern im Landkreis nicht zu vermitteln.“
Haben Sie, mal abgesehen von der eigenen Fraktion, Unterstützer oder kämpft die FBB hier allein auf weiter Flur?
Martin Ernst: „Im Aufsichtsrat sind wir momentan noch allein auf weiter Flur, ich hoffe aber sehr auf die Einsicht der handelnden Personen.“
Was wäre Ihr Lösungsansatz in Sachen neues Klinikum?
Martin Ernst: „Die beiden Aufsichtsräte, Landrat Christian Dusch und unser OB Dietmar Späth, müssen endlich auch alternativ denken und weitere Optionen prüfen. Jeder Monat, den sie warten, vergrößert das Minus und damit den Schaden beim Landkreis und der Stadt Baden-Baden. Gelder, die hier nachzuschießen sind, fehlen bei der Unterstützung junger Familien und der dringend notwendigen Sanierung unserer maroden Straßen.“
Bis wann, glauben Sie, wird es dauern, bis ein neues Klinikum steht?
Martin Ernst: „Wir haben im Juni 2024 die Kommunalwahlen. Die Stadträte sind dann auf fünf Jahre gewählt. In dieser Zeit und höchstwahrscheinlich auch in der Amtszeit unseres Oberbürgermeisters bis 2031 kann ich mir die Neueröffnung einer Klinik schwer vorstellen. Die gesamte Situation ist zu verfahren und schreit nach einem Neuanfang.“
Foto: FBB Archiv