„Den Zauber der Belle Époque wiederbeleben“

03Juni
2024

Durch den Wettbewerb „Kinder malen das Welterbe“ hat Prof. Dr. Heinrich Liesen die Herzen der Baden-Badener jeder Altersklasse erobert. Nun tritt der emeritierte Hochschullehrer und Arzt für die FBB wieder zur Wahl an. Interview mit einem, der viel vorhat.

Herr Professor Liesen, Sie haben innerhalb der Bürgerstiftung einen Stiftungsfonds gegründet. Mit den von Ihnen eingebrachten Ideen und Ihrer Finanzierung haben Sie Kinder ermutigt, das Welterbe zu malen. Was war Ihr Antrieb?

Heinrich Liesen: „Für ,Kinder malen das Welterbe Baden-Baden‘ griffen fast 1.000 Kinder zu Papier, Buntstiften und Wasserfarben, um Baden-Badens Welterbe-Stätten zu malen.152 Bilder wurden prämiert und in der Trinkhalle ausgestellt. Die Resonanz: Über 3.000 begeisterte Besucher in 14 Tagen. So konnten wir das Welterbe und seine wunderbaren Orte in die Familien tragen. Auch die Besucher unserer Stadt haben sich über diese Aktion gefreut. Mittlerweile wurden einige der Bilder sogar in Karlsbad ausgestellt. Ich habe 40.000 Postkarten der für mich schönsten Motive drucken lassen, die mittlerweile an vielen öffentlichen Stellen und in Restaurants ausliegen. Jeder kann sie kostenlos mitnehmen und sich daran freuen.“

Bei welchen Erfolgen der FBB konnten Sie mitwirken?

Heinrich Liesen: „Mein Lebensmotto heißt: Machen! Für die Vergoldung der Stourdza-Kuppel konnten wir fast 90.000 Euro Spendengelder auftreiben. Ich habe erfolgreich für die Wiedereröffnung des Obstguts Leisberg gekämpft – und kutschiere bei den Festen gern die älteren Menschen mit meiner Ape dorthin, denn zu Fuß schafft es nicht jeder hoch. Auch konnte ich mithelfen, das Arboretum aus dem Dornröschenschlaf zu holen. Meine ganze Liebe gehört der Natur und der Kultur in unserer von der UNESCO geadelten Welterbe-Stadt.“

Ihr Engagement, auch für die Schafberg-Bewohner, die eine kleine Ausfahrt mit der Ape wünschen, ist mittlerweile stadtbekannt. In der Corona-Zeit haben Sie ehrenamtlich Lebensmittel-Einkäufe ausgefahren. Wie entspannen Sie, bei all der freiwilligen Arbeit für die Menschen unserer Stadt?

Heinrich Liesen: „In unserem wunderschönen Garten an der Oos, der ab Frühjahr in der Farbenpracht von über 200 der schönsten Rosensorten erblüht. Und in der Musik: Die Carl-Flesch-Akademie, die weltberühmte Kaderschmiede für Streicher-Nachwuchs, liegt mir besonders am Herzen, die Opernakademie mit ihren Konzerten für junge Sänger, und natürlich die Lichtentaler Allee als das grüne Herz der Stadt. Mein Lebensschwerpunkt hat sich als FBB-Politiker im Laufe der Zeit in meiner badischen Wahlheimat ganz schön verändert.“

Was war früher denn Ihr Lebensinhalt?

Heinrich Liesen: „Der Leistungssport. Die von mir betreuten Nordischen Kombinierer wie das deutsche Feldhockey-Team krönten meine Arbeit durch Weltmeister-Titel und Olympiasieg. Und – Höhepunkt meiner Laufbahn – als medizinischer Betreuer der deutschen Fußball-Nationalmannschaft wurde ich mit der Franz-Beckenbauer-Elf 1990 Weltmeister in Rom. Mein wissenschaftliches Erbe ist die mit Jürgen Klinsmann gegründete „Stiftung Jugendfußball“ (heute „Brain & Sports-Foundation). Mit ihm bin ich heute noch befreundet.“

In welchen Bereichen werden Sie sich in der Stadtpolitik engagieren?

Heinrich Liesen: „Meine Herzensanliegen: Das Welterbe bekannter machen. Hier wird seitens der Stadt nicht genug getan. Zum Glück gibt es Unterstützer, die die Welterbe-Chance erkannt haben. Dank der Familie Grenke können wir auf ein Welterbe-Informationszentrum im LA8 hoffen, das die Stadt in den ersten Jahren mietfrei bekommt. Wir sollten den Zauber der Belle Époque in unserer Stadt wiederbeleben – und dafür gerne auch moderne, digitale Techniken einsetzen. Auch die Wiederbelebung der Bäderkulturkultur sowie die musikalische und künstlerische Förderung sind mir wichtig, etwa für die Studierenden der Carl-Flesch-Akademie.“

Was nervt Sie?

Heinrich Liesen: „Bevormundende, unsinnige und oft widersprüchliche Vorschriften. Sie führen zu Bürokratismus. Dieser beschränkt die Freiheit zu handeln, kreativ zu sein oder Verantwortung zu übernehmen. Die Mitarbeitenden der Verwaltung müssen darunter leiden. Ihre Persönlichkeit kann sich nicht entwickeln. Das produziert Frust und Angst, macht krank. Es fehlen Vertrauen, Verantwortung, eigene Kreativität, weil sie nicht zugelassen werden. Die vielen Häuptlinge der Verwaltung sollten der Stadt und ihren Bürgerinnen und Bürgern dienen. Ich fordere: weg mit der überbordenden Bürokratie! Wir müssen den einzelnen Mitarbeitenden mehr Entscheidungsfreiheit und mehr Vertrauen in die Eigenverantwortung geben. Das baut auch Stress ab.“

Ihre Vision?

Heinrich Liesen: „Ich träume von einer Stadt, die sich endlich wieder auf ihr kulturelles Erbe besinnt. Aber dazu gehören visionäre Köpfe, die die Chance des Welterbe-Status ergreifen. Deshalb mein Appell: Lasst uns Baden-Baden aus dem Missmanagement retten und es über seine Kernkompetenz, der Kultur, wieder zur Blüte führen.“

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Foto: FBB Archiv