„Das Missmanagement der Führungskräfte in der Stadtverwaltung über Jahre wird jetzt überall sichtbar“

19August
2022


Weiter geht’s in unserer Serie mit den Sommer-Interviews. Dieses Mal spricht Prof. Dr. Heinrich Liesen. Seine Meinung: Das Missmanagement in der Verwaltung mit seinen Hierarchien muss dringend verändert werden.

Herr Prof. Dr. Liesen, der Gemeinderat ist nun in der Sommerpause und wird sich erst wieder im September treffen. Welche Ereignisse in der Stadtpolitik haben Sie in diesem Jahr besonders gefreut?

Heinrich Liesen: „Mich hat es gefreut, dass endlich eine unserer Anregungen zur Verbesserung des Ambientes in unserer Stadt umgesetzt wird. Die Touristenbusse sollen draußen bleiben. Der Ludwig-Wilhelm-Platz soll busfrei werden. Er soll, zusammen mit dem Augustaplatz, ein Platz werden.“

Und welche Entscheidungen haben Sie geärgert?

Heinrich Liesen: „Geärgert hat mich, dass das Missmanagement der Führungskräfte der Stadtverwaltung über Jahre überall sichtbar wird. Wie unsere historisch gewachsene, einst herrliche Stadt durch Bausünden sukzessive zerstört wird. Als Beispiele nenne ich das Vincenti-Areal, die Beton-Wüste des Leo oder die „Spanische Treppe“ in der Du-Russel-Straße, die schon nach zwei Jahren unansehnlich bis unappetitlich betongrau erscheint und planerisch Kopfschütteln verursacht, da Hauseingänge und Fenster teilweise zugepflastert wurden. Es ärgert mich außerdem, dass über 150 minderwertige E-Muffen in der Stadt verbaut wurden, die jeden Moment platzen und zu unberechenbaren Stromausfällen führen können. Sie auszutauschen bedeutet 150 Baustellen mehr und einige Millionen Euro, die wir dringend an anderer Stelle benötigen. Das Missmanagement scheint seine Ursache darin zu haben, dass die Führungskräfte Hierarchien aufbauten, die Entscheidungen und Verantwortung nach unten verschieben und mehr Personal verlangen und verschleißen, anstatt kompetente Entscheidungen zu treffen.“

Der neue OB ist bereits einige Wochen im Amt. Was ist Ihr Eindruck: Treibt er die Stadtpolitik in die richtige Richtung?

Heinrich Liesen: „Ja. Ich habe den Eindruck, dass der neue OB Dietmar Späth versucht, die Stadtverwaltung wieder zu einer dienstleistungsorientierten Behörde umzugestalten; allein dass man innerhalb von wenigen Tagen eine Antwort bekommt, wenn man einen Antrag oder nur ein Schreiben an das Rathaus schickt. Das gab es unter OB Margret Mergen nicht.“

Jetzt heißt es auch für Sie erst einmal: Auszeit vom mitunter anstrengenden Gemeinderats-Ehrenamt. Welche Hausaufgaben haben Sie sich für die Ferien gestellt?

Heinrich Liesen: „Es ist beschämend, wie sich das Weltkulturerbe in Baden-Baden darstellt. Man scheint vor allem damit beschäftigt zu sein, hierarchische Strukturen aufzubauen. Doch wo bleibt die Initiative, kompetente willige Bürger einzubinden, um die Welterbe-Chance für unsere Stadt zu nutzen? Man hört und sieht nichts. Fehlt es an Kompetenz?“

Und welches Thema möchten Sie ab September wieder verstärkt treiben?

Heinrich Liesen: „Ich möchte wieder Themen aufgreifen, die helfen, dass die Bürger wieder stolz auf ihre Stadt sein können und sich wohlfühlen.“

Bereits in nicht einmal zwei Jahren finden Kommunalwahlen statt. Mit welchen Themen sollte die FBB aus Ihrer Sicht punkten?

Heinrich Liesen: „Ich glaube, wir konnten zeigen, dass wir zu vielen Themen Kompetenz haben und keine Eigeninteressen verfolgen. Das auch den Ortschaften zu vermitteln, wird unsere Hauptaufgabe sein müssen, um weiterhin erfolgreich zu sein.“

Last but not least: Wie verbringen Sie den restlichen Sommer?

Heinrich Liesen: „Wir bleiben hier! Wenn ich erlebe, wie andere vergleichbar kleine Städte, die keinen Welterbe-Status erlangen können, sich entwickelt, herausgeputzt haben und dastehen im Vergleich zu Baden-Baden, dann macht mich das allerdings traurig.“

Foto: FBB-Archiv