„Baden-Baden muss wieder Nummer eins der Tourismusstädte werden“
28Juni
2022
Bettina Morlok kandidierte bei der Oberbürgermeisterwahl in Baden-Baden. Aktuell dreht sie ein großes Rad in der Energiewirtschaft. Macht sie politisch weiter? Ein Interview.
Frau Morlok, der neue Oberbürgermeister wurde gerade vereidigt. Dietmar Späth hat sein Amt angetreten. Sie hatten sich ebenfalls beworben. Ist die Politik nun für Sie erstmal erledigt?
Bettina Morlok: „Nein, auf keinen Fall. Ich habe mich ja schon vor der Oberbürgermeisterwahl politisch bei der FBB engagiert und werde das auch weiter tun. Ich hätte das zwar gern an anderer Stelle getan, wo ich mehr bewirken kann, aber die Wähler haben anders entschieden. Wie man schon in den ersten Amtstagen von Dietmar Späth sieht, gibt es viele Themen, für die wir uns engagieren müssen. Leider ist, wohl auch auf Bitten von Herrn Späth, der Haushalt noch durchgewunken worden. Das Thema Klinikum, das für Baden-Baden sehr wichtig ist, ist auch ein Prio-Thema für mich. Ich hatte in meinem Wahlprogramm immer betont, dass das Klinikum am Standort Baden-Baden ein wichtiger Faktor für die Stadt ist. Baden-Baden ist eine Bäderstadt mit über 2000-jähriger Tradition. Diese alte Bäderkultur müssen wir wieder beleben. Kombiniert mit einem zukunftsweisenden Gesundheitszentrum mit Spitzenmedizin und alternativer Naturheilkunde. Wir müssen wieder ein weltweit gefragtes, kleines, aber feines Gesundheitszentrum werden. Wir brauchen den Standort der Klinik hier, um dies alles vernünftig aufbauen zu können.“
Sie haben auch noch nach der Wahl junge Leute getroffen, um sie zu befragen, was sie sich von der Stadt wünschen. Werden Sie diesen Kontakt halten?
Bettina Morlok: „Natürlich, die jungen Leute brauchen ihre eigenen Plätze und Anlaufstellen in unserer Stadt, angefangen von Kneipen, Diskotheken, Picknickplätzen am Oosufer und, und, und. Sie brauchen ein gutes Bildungsangebot. Und sie brauchen die Möglichkeit, hier in Baden-Baden adäquate Ausbildungsplätze und Praktikantenplätze zu finden. Ich habe dem Jugendforum angeboten, mitzuhelfen, deren Vorhaben zu verwirklichen. Ich freue mich sehr, wenn dieses Angebot angenommen wird.“
Baden-Baden in zehn Jahren: Welche Vision haben Sie für unsere Stadt? Bitte nennen Sie uns drei, vier Themen, die Ihnen am Herzen liegen.
Bettina Morlok: „Das liegt eigentlich auf der Hand: Baden-Baden muss wieder Nummer eins der Tourismusstädte in Deutschland werden. Wenn jemand an Kultur, schöne Landschaften, Bäder und Gesundheit denkt, muss er eigentlich sofort an Baden-Baden denken. Das müssen wir wieder erreichen. Der Tourismus ist außerdem extrem wichtig für Gastronomie und Einzelhandel.
Damit eng verknüpft ist natürlich auch unser Weltkulturerbe-Status mit vielen neuen Themen – die würden dieses Interview tatsächlich sprengen. Das wichtigste Thema ist für mich hier das Stadtbild. Solange Wolfgang Niedermeyer sich hier engagiert, respektiert wird uns seine Vorschläge umgesetzt werden, habe ich aber keine Sorgen.
Ein wichtiges Thema ist außerdem eine gute Infrastruktur für alle Bürger. Dazu gehören Krankenhaus, Energieversorgung, schöne Plätze und gute Straßen, auf denen man nicht durchgeschüttelt wird, weiterhin ein super Radwegenetz in der Stadt und in unseren umliegenden Dörfern.
Und wo wir schon dabei sind: Das Umland, unsere schönen Dörfer, die jeder ihren eigenen Charakter haben, sollten wir entsprechend fördern.
Und wir brauchen natürlich Wohnraum für Bürger auch mit durchschnittlichem Einkommen. Jeder sollte die Möglichkeit haben, in unsere Stadt und im Umland zu wohnen, je nach Präferenz.
Noch ein Thema: weitgehende Energieunabhängigkeit: Was in Deutschland nicht gesichert geliefert werden kann, müssen wir selbst bereitstellen.
Meine Visionen für die Stadt kann ich nicht auf drei oder vier Themen beschränken. Kurz gesagt: Nicht nur das Paradies am Annaberg sollte diesen Titel tragen, sondern die ganze Stadt, samt ihrer ihren Umlandgemeinden.“
In welchen Dienst stellen Sie aktuell Ihre Arbeitskraft?
Bettina Morlok: „Für mich war ja die große Schwierigkeit im Wahlkampf, dass ich gleichzeitig in ein neues großes Projekt einsteigen musste. Ich bin Projektleiterin im Projekt Südlink. Südlink ist die Gleichstromtrasse, die quer durch Deutschland von Brunsbüttel im Norden nach Heilbronn im Süden bzw. auch nach Bayern gebaut wird. Sie liefert uns im Süden den Windstrom, den wir dringend mangels Kernkraftwerke und Kohlekraftwerke brauchen. Das ist ein Projekt mit 10 Milliarden Euro Investitionsvolumen, das bis Ende 2028 fertig gestellt werden soll. Ich bin verantwortlich für den gesamten Bereich Planen und Bauen sowie für den Bau des großen Konverters bei Heilbronn. Eigentlich war geplant, in dieses Projekt im April einzusteigen. Transnet hat dann aber plötzlich gefordert, bereits am 1. Februar 2022 zu beginnen. Sie können sich vorstellen, was das für meinen Wahlkampf bedeutet hat. Auf der einen Seite war der Februar die Hoch-Zeit des Wahlkampfes, parallel dazu musste ich mich in Windeseile in dieses große Projekt einarbeiten. Ich bin nur noch vom Schreibtisch – Gott sei Dank war zu dieser Zeit Homeoffice angesagt – zur Fußgängerzone, Marktplätzen und zu Podiumsdiskussionen hin und her gejagt. Sie sehen, ich bin begeistert von meinem neuen Südlink Projekt, aber tatsächlich wäre ich lieber Oberbürgermeister geworden, um mich für meine Stadt zu engagieren.“
2024 sind wieder Wahlen. Dann wird der neue Gemeinderat gewählt. Werden Sie antreten?
Bettina Morlok: „Zunächst muss ich mal sehen, wie sehr mich dann das Südlink-Projekt in Anspruch nimmt. Und dann ist es ja auch nicht eine Entscheidung von mir allein. Es kommt darauf an, ob eine Partei mich auf Ihrer Liste haben will.“
Foto: FBB-Archiv