Baden-Baden: ein Ort politischer Weichenstellung

15Februar
2022

Heute, am 15. Februar, jährt sich zum 60. Mal das Treffen von Charles de Gaulle, ehemals französischer Staatspräsident, und Konrad Adenauer, erster Bundeskanzler der Bundesrepublik Deutschland, in Brenners Parkhotel. Als Bühne der Weltpolitik taugt(e) die Stadt ganz vorzüglich!

Konrad Adenauer und Charles de Gaulle: Diese beiden Politiker prägten das deutsch-französische Verhältnis in besonderem Maße. Am 15. Februar 1962, einem Donnerstag, führten beide Vorgespräche zum deutsch-französischen Freundschaftsvertrag im Brenners – ein Meilenstein auf dem Weg zum Vereinten Europa. Hier wurden Details besprochen, ohne die es unsere Allianz niemals gegeben hätte.

Europa-Gespräche im Brenners

Professor Dr. Heinrich Liesen, Stadtrat der FBB, hat sich mit diesem wichtigen
Treffen beschäftigt: „Beide hatten seit Jahren wohl immer wieder ihre politischen Überzeugungen ausgetauscht. Am 15. Februar 1962 trafen sie sich dann laut verlässlicher Quellen um 11.15 Uhr unter vier Augen und um 15.30 Uhr mit den Außenministern und Staatssekretär Karl Carstens.“

Die Staatschefs näherten sich gemeinsamen Zielen an

An jenem Vormittag haben die beiden „die Deutung der Weltpolitik aufeinander abgestimmt“. Und danach hat es, laut „Spiegel“, Tomatensuppe, Seezunge und Braten gegeben, begleitet von deutschem Weißwein und einem französischen „Rouge“. Das nachmittägliche Treffen soll bereits konkret die Bildung einer Europäischen Union behandelt haben, um gemeinsame Interesse in der Außenpolitik, der Kultur und Verteidigung zu besprechen.

Zwei Visionäre

Der deutsche Bundeskanzler Konrad Adenauer hat sich bereits in den 1950-er Jahren zu einem entschlossenen Europäer entwickelt. Ihm war bewusst, dass die stabile Verbindung von Bonn und Paris den Kern Europas ausmachen würde. Und auch de Gaulle betonte in seinen Reden immer wieder die Versöhnung zwischen Deutschland und Frankreich und die Notwendigkeit einer engen Zusammenarbeit im europäischen Rahmen. Nur so seien Frieden und Entspannung dauerhaft möglich. Eine Vision einte die beiden Staatsmänner: eine Art Vereinigte Staaten von Europa zu schaffen. Über nicht weniger haben sich die Herren de Gaulle und Adenauer am 15. Februar 1962 bei ihrer Begegnung in Baden-Baden ausgetauscht.

„Ein wichtiger Ort der europäischen Weichenstellung“

Prof. Dr. Peter Steinbach, Historiker und Politikwissenschaftler, schreibt im letzten Absatz seines Berichts in der Zeitschrift „Aquae 2013“, die der Arbeitskreis der Stadtgeschichte Baden-Baden herausgibt: „Baden-Baden mit Brenners und Kurhaus war ein wichtiger Ort der europäischen Weichenstellung. Daran sollte, daran muss erinnert werden. Heute befindet sich nur im Brenners eine Gedenktafel. Aber ist es utopisch zu hoffen, dass aus der Erinnerung an eine historische Begegnung die Bemühung erwachsen könnte, nach dem Abzug der französischen Truppen aus Baden-Baden die Stadt, die einmal europäische Sommerhauptstadt war, zu einem kulturellen Zentrum und zu einem Ort der politischen Annäherung und des kulturellen Austausches zwischen Franzosen und Deutschen zu machen?“

Kaum ein Jahr später kam der Élysée-Vertrag zustande

Dem Treffen in Baden-Baden folgte ein Staatsbesuch de Gaulles in Deutschland im September 1962. Der rege Austausch zwischen de Gaulle und Adenauer trug Früchte: Schon ein knappes Jahr nach dem Treffen in Baden-Baden, am 22. Januar 1963, unterzeichneten Konrad Adenauer und Charles de Gaulle im Pariser Élysée-Palast den Vertrag über die deutsch-französische Zusammenarbeit: kurz, den Élysée-Vertrag. Dieser hatte die Aussöhnung zwischen den Völkern Deutschlands und Frankreichs zum Ziel und legte den Grundstein für die Freundschaft zwischen den beiden Ländern und den dauerhaften Frieden in Europa.

Baden-Baden: ein Ort deutsch-französischer Freundschaft…

Diese Begegnung zeigt, dass in Baden-Baden groß gedacht und Europapolitik gemacht wurde. Die deutsch-französische Alliance hat also eine starke Wurzel in unserer Stadt. Diese wiederaufleben zu lassen, mit einem aktiven kulturellen Austausch zwischen Franzosen und Deutschen, ist allein schon aus historischen und auch geographischen Gegebenheiten ein verlockender Gedanke.

…die es zu vertiefen gilt

Heinrich Liesen hat schon vor Jahren geäußert, wo dieser kulturelle Austausch stattfinden könne: im Neuen Schloss. Doch dafür müsste es erst einmal wieder in den Besitz der Stadt oder des Landes fallen. Allgemein bekannt ist, dass die kuwaitische Besitzerin (noch) Hotelpläne verfolgt, deren Realisierung allerdings immer unwahrscheinlicher erscheinen. Kommende Woche soll über die Zukunft des Neuen Schlosses im Gemeinderat entschieden werden.

Fotos: Ben Becher