„Alle Fraktionen sehen die Entwicklung auf dem SWR-Hügel mit großer Sorge“

22Juni
2023

Martin Ernst, Chef der FBB, äußert Kritik daran, dass der SWR-Standort Baden-Baden immer mehr ausgedünnt wird. Auch mangelnde Transparenz beklagt er – und kündigt weitere Schritte an. Interview mit einem unermüdlichen Kämpfer.

Herr Ernst, Sie setzen sich dafür ein, dass der Baden-Badener Standort des SWR nicht weiter ausgedünnt wird. Sie haben Ihre Sorge öffentlich gemacht und dem Intendanten Kai Gniffke bis 15 Juni Zeit gegeben, für ein Statement zu diesem Thema. Hat er sich gemeldet?

Martin Ernst: „Der SWR hat sich gegenüber den Medien geäußert, aber er wird sich nie zu Anfragen der FBB oder mir äußern. Die SWR-Spitze und unser Oberbürgermeister sprechen ja miteinander, damit braucht man mit den Vertretern des Gemeinderats ja nicht mehr sprechen. In die Niederungen der Kommunalpolitik begibt man sich nicht. Man ignoriert einfach, dass der Südwestrundfunk eine Institution des öffentlichen Rechts ist und wir Stadträte auch ein öffentlich-rechtliches Mandat haben.“

Sie sorgen sich darum, dass mehr und mehr Arbeitsplätze beim SWR wegfallen. Sind Sie im Stadtrat mit dieser Sorge allein oder haben Sie Unterstützer?

Martin Ernst: „Alle Fraktionen des Rathauses sehen die Entwicklung auf dem SWR-Hügel mit großer Sorge. Keine der Parteien/Fraktionen weiß jedoch, an welcher Schraube man drehen muss, um diese für die Stadt fatale Entwicklung aufzuhalten.“

Gibt es denn in der Bevölkerung Widerstand gegen die Vorhaben, gegen die Kürzungen des SWR tätig zu werden?

Martin Ernst: „Jeder denkt und fühlt: ,Gegen die da oben kannst du ja eh nichts machen.‘ Ich konnte in den letzten Tagen mit einigen öffentlich sehr bekannten Mitarbeitern des SWR sprechen. All diese bemängelten, dass man auch innerhalb des SWR die Mitarbeiter im Unklaren lässt. Niemand weiß, wo die Reise tatsächlich hingeht. Die FBB und ich sind in keinster Weise gewillt, Vogelstrauß-Politik zu unterstützen. Wir werden auf jeden Fall tätig bleiben.“

Sie haben viel Kritik am Millionen-Wohnungsbauprojekt „Am Tannenhof“ geäußert. Und geben der Stadt eine Mitschuld, dass hier – abermals – Luxusbauten entstehen. Was hat die Stadt hier versäumt?

Martin Ernst: „Die Stadt hätte das Objekt kaufen müssen. Es gab damals einen Antrag unserer Fraktion. Die damalige Oberbürgermeisterin Magret Mergen hat aber die Wünsche des SWR erfüllt und das Objekt meistbietend verkauft. Die nächsten Generationen müssen nun mit dem vollkommen zubetonierten und verschandelten Hügel-Areal des SWR leben. Eine total verkorkste Quartiersentwicklung. Fragen Sie aber heute im Baden-Badener Rathaus nach, fühlt sich niemand verantwortlich.“

Wie beschreiben Sie das Verhältnis zwischen Rathausspitze und SWR-Spitze? Oder, anders gefragt: Kann die Stadt überhaupt etwas vom SWR fordern?

Martin Ernst: „Die Rathausspitze fühlt sich geehrt, mit dem Intendanten und der SWR-Spitze reden zu dürfen. Damit ist das Verhältnis schon bestens beschrieben. Wie wir am Mittwoch aus den Medien erfahren durften, freut sich unser Oberbürgermeister riesig über eine Statistenrolle bei den ,Fallers‘ im SWR-Fernsehen. Kann man da noch auf Augenhöhe verhandeln oder ist man dann aus großer Dankbarkeit nur noch der Empfänger der schlechten Nachricht?“

Sie haben unlängst in einem Goodnews4-Interview gesagt: ,Wir bestehen darauf, dass uns mitgeteilt wird, wie sich seit der Fusion die Arbeitsplätze an diesen drei Standorten entwickelt haben. Wir möchten wissen, wie viele Produktionen in dieser Zeit an den drei Standorten entstanden sind und möchten auch wissen wie viele Sendeminuten im Fernsehen und im Hörfunk präsentiert wurden.‘

Martin Ernst: „In diesem auf Goodnews4 am 9. Juni veröffentlichten Statement ist nachzulesen, dass der Standort Mainz hinsichtlich der Festangestellten fast um 50 Prozent zunahm, der Standort Baden-Baden dagegen bestätigt 16 Prozent verloren hat. Mein Bauchgefühl sagt mir, dass diese Zahlen noch mehr als geschönt sind. In den letzten Tagen wurde nun auch vom SWR bestätigt, dass das Nachtcafé vom Standort Baden-Baden abgezogen wird, zu Gunsten dem Standort Mainz. Ich frage mich, warum man dann angeblich hier in Baden-Baden mehrere zig Millionen Euro in das neue Medienhaus investiert, wenn man dann diese Formate abzieht mit der Begründung, in Mainz hätte man bessere technische Voraussetzungen. Wer erzählt nun wem Märchen?“

Was wird passieren, wenn der SWR mehr und mehr schrumpft? Was bedeutete das für die Stadt?

Martin Ernst: „Rathausspitze und SWR-Spitze bringen lediglich Worte wie: ,Der SWR gehört zu Baden-Baden und Baden-Baden gehört zum SWR‘. Tatsächlich lebt aber der SWR etwas gänzlich anderes. Man hat schon vor Jahrzehnten die Sportformate abgezogen, dann das SWR-Orchester, man hat den Kostüm- und Requisitenfundus vor wenigen Monaten in aller Stille beerdigt und die Mitarbeiter abgefunden. Wie vorhin schon gesagt, zieht das Nachtcafé um nach Mainz. Dieses Format wurde im alten E-Werk produziert, das damals von der Stadt Baden-Baden und den Stadtwerken für viel Geld nach den Wünschen des SWR umgebaut wurde. Diese Pachtverträge wurden vom SWR vor wenigen Tagen nun aufgekündigt.“

Nun ist es so, dass der SWR in Baden-Baden gerade auch neue Aufgaben dazubekommen hat: Die Sendeabwicklung für das hr Fernsehen erfolgt künftig im SWR Funkhaus Baden-Baden. Im Herbst 2023 folgt laut SWR das BR Fernsehen, das dann ebenfalls technisch aus Baden-Baden abgewickelt wird. Weiterhin wird das neue Medienzentrum bald bezogen. Ist das ein „Tropfen auf den heißen Stein“ in Sachen Beschäftigung?

Martin Ernst: „Schade ist hier, dass man im öffentlich-rechtlichen Raum gerne hinter verschlossenen Türen tagt und die Bürger, die Wähler und Zuhörer wie im echten Leben ausschließlich Nachrichtenempfänger sind. Ich vermisse hier in Baden-Baden seitens des Rathauses, dass man um den Standort kämpft. Man trifft sich einmal im Jahr zu Kaffeerunden und bekommt dann vielleicht noch eine Komparsen-Rolle. Offiziell wird dies als Informationsaustausch etikettiert. Wie lange die Hörfunkformate noch von Baden-Baden aus abgewickelt werden, weiß niemand und schon gar nicht, ob dies dann über einen längeren Zeitraum Bestand haben wird.“

Werden Sie persönlich den Intendanten mit einer konkreten Forderung kontaktieren?

Martin Ernst: „Wir werden das ganze Thema juristisch sauber abarbeiten. Wir möchten, dass die Öffentlichkeit erfährt, was auf dem SWR-Hügel in Sachen Arbeitsplätze tatsächlich passiert. Sie brauchen nur in die Fußgängerzone zu gehen, dann sehen Sie, dass in den letzten Jahren viele hervorragende Arbeitsplätze aus Baden-Baden abgezogen wurden.“

Foto: FBB Archiv