„Wir billigen keinen blinden Aktionismus“

22November
2022

Betonfundamente, größer als Fußballfelder, für Windkraftanlagen, die nicht genug Energie erzeugen: FBB-Chef Martin Ernst wirbt im Interview um ein gesundes Abwägen, wo Windräder Sinn machen – und wo nicht.

Herr Ernst, die FBB hat sich, wie auch die Fraktionen der FDP und CDU, im Gemeinderat vor wenigen Wochen gegen die Aufstellung von Windkraftanlagen in unserer Gemarkung ausgesprochen. Und ist damit durchgekommen. Zum Teil gibt es jetzt aber Gegenwind aus der Bevölkerung. Bitte erklären Sie, warum Sie sich so entschieden haben. Was sind die Gründe?

Martin Ernst: „Eigentlich ist das Thema der erneuerbaren Energien ganz einfach. Ich brauche Wind, um Windenergie zu erzeugen und Sonne, um Sonnenenergie zu erzeugen. Wenn beides nicht vorhanden ist oder gerade ausbleibt, gibt es keine Energie. Dass gerade die Grünen, für die der Erhalt der Natur und der Arten oberstes Prinzip war, den Arten- und Naturschutz plötzlich nicht mehr als schützenswert ansehen, kann ich nicht nachvollziehen. Das ganze Finanz-Desaster zur Deckelung von Gas und Strom in Höhe 200 Milliarden Euro kommt allein daher, dass man erst handelt und im Nachhinein denkt. Wenn eine Firma oder ein Kaufmann so agieren, sind beide ganz schnell pleite. Der Staat wird nicht pleite gehen, er wird für seine Fehlplanung die Bürger zur Kasse bitten.“

Geringe Windhöffigkeit ist ein Stichwort, das in diesem Zusammenhang oft fällt. Warum kommt man überhaupt auf die Idee, Windräder aufzustellen, wenn bei uns vergleichsweise wenig Wind weht?

Martin Ernst: „Leider ist dieses Thema momentan ausschließlich parteipolitisch bearbeitet. Windkraftanlagen machen dort Sinn, wo Wind weht. Hier bei uns im Süden des Landes sind vielleicht Wasserkraftwerke und Photovoltaikanlagen der bessere Weg. Zudem haben wir viele 100 Hektar PFC-verseuchte Flächen, die für die Landwirtschaft nicht mehr nutzbar sind und damit eigentlich nach Photovoltaikanlagen schreien. Diese Themen müssen Fachleute ohne Parteiideologie bearbeiten. Genau das haben wir mit unserem interfraktionellen Antrag vor. Einen für unsere Region machbaren Weg ohne Zerstörung unseres Schwarzwaldes.“

Ist die Bevölkerung Ihrer Meinung nach ausreichend aufgeklärt darüber, in welchen Regionen Windkraftanlagen Sinn machen – und wo nicht?

Martin Ernst: „Sobald die Ideologie ins Spiel kommt, wird alles unnötig verkompliziert. Selbstverständlich wollen und werden auch wir von der FBB unseren Beitrag zur neuen Klimapolitik leisten. Jeder von uns weiß, wie wichtig ein gesunder Wald bei Hitze und den heute immer heftigeren Wetterkapriolen ist. Wenn für eine Windkraftanlage Betonfundamente größer als Fußballfelder geschaffen werden müssen und das Ganze auch noch für die Zufahrtsstraßen, dann ist das für mich nicht der Weg grüner Umweltpolitik. Gerade die Partei, die aus meiner Sicht zu Recht für jeden Vogel und für jeden Salamander gekämpft hat, sagt heute: Uns interessiert das nicht mehr.“

Erneuerbare Energie ist und bleibt ein zukunftsträchtiges Thema. Die Stadtwerke werden aktuell überrannt, weil viele Bürger eine Photovoltaik-Anlage installieren wollen. Und tatsächlich werden in Neubaugebieten zum Teil keine Gasleitungen mehr verlegt, weil Solarenergie in unseren Breiten eine immer größere Rolle spielt. Andererseits wissen wir, dass für die Stromerzeugung in Deutschland an manchen Tagen (laut FAZ-Statistik) bis zu 40 Prozent Windenergie genutzt werden kann – was uns unabhängiger von russischem Gas macht. Was muss man bei der Abwägung und dem Nein gegen Windkraft in unseren Breiten bedenken?

Martin Ernst: „Selbstverständlich muss jede Regierung Deutschlands ihren Beitrag zur neuen Energiepolitik leisten. Dies möchten wir von der FBB zusammen mit den Fraktionen der CDU und FDP gemeinsam anpacken. Deswegen haben wir einen Plan erarbeitet, der auf den EU- und Bundesgesetzen aufbaut. Wir wollen die Natur erhalten, wir wollen den Artenschutz erhalten und gleichzeitig erneuerbare Energien aufbauen. Aber alles muss in der Gesamtheit zu unserer Region passen. Diesen Plan würden wir gerne mit dem im Regionalverband zuständigen Herrn Dr. Matthias Proske diskutieren und umsetzen – doch uns unter keinen Umständen einem sinnlosen Diktat unterwerfen. So haben wir in Baden-Baden Hunderte Hektar PFC-verseuchte Flächen, die für den Ackerbau unbrauchbar geworden sind. Dort Photovoltaik anzusiedeln, ist aus unserer Sicht mehr als überlegenswert.“

Ein Wort zum Artenschutz. Wir verfügen in Mittelbaden immer noch über eine artenreiche Flora und Fauna – die geschützt werden muss, gerade, um künftige Naturschäden, die durch den Klimawandel drohen, abzufedern. Hierzu hat das Forstamt gerade ein Konzept vorgelegt. Der Naturschutz im Stadtwald muss verstärkt werden, darüber sind sich die Experten einig. Gleichzeitig würden sich Kommunen freuen, wenn sie über Windkraftanlagen Geld verdienen würden. Welchem Thema muss man aus Ihrer Sicht nun mehr dienen: dem Artenschutz oder den Einnahmen per Windenergie?

Martin Ernst: „Ich glaube, von einem Indianerstamm in Amerika stammt das Zitat: ,Erst wenn der letzte Baum gerodet, der letzte Fluss vergiftet, der letzte Fisch gefangen ist, werdet ihr merken, dass man Geld nicht essen kann.‘ Dass man der Partei der Grünen dieses Zitat vorlesen muss, zeigt uns, wie schnell in der Politik Grundsätze und Lebensweisheiten über Bord geworfen werden.“

Die Landesregierung möchte den Ausbau der Windkraft weiter forcieren – und gewiss einen gewissen Druck auf die Kommunen ausüben. Wann, glauben Sie, wird das Thema Windkraftanlagen um Baden-Baden wieder im Gemeinderat aufpoppen?

Martin Ernst: „Dieses Thema wird uns permanent weiter beschäftigen, da Dr. Proske vom Regionalverband den Auftrag umzusetzen hat, Windkraftanlagen auf jeder Gemarkung auf zwei Prozent der Fläche zu bauen. Ich bin gegen jeden blinden Aktionismus – ich bin vielmehr dafür, erst den Kopf einzuschalten, zu denken und dann zu handeln. Wir werden uns in keinster Wiese verweigern, aber wir billigen keinen blinden Aktionismus.“

Fotos: FBB-Archiv | pixabay.com