Welterbe-Kurstadt mit PFC-Makel

23November
2021

Der Boden im Raum Baden-Baden und Rastatt ist schwer mit per- und polyfluorierten Chemikalien (PFC) belastet. Diese Stoffe können gesundheitliche Schäden nach sich ziehen. Dennoch läuft die Bearbeitung dieses Umweltskandals sehr langsam. Dabei sind die Folgen dieser Boden- und Grundwasserschädigung enorm.

Entzündliche Darmerkrankungen, Asthma, Schilddrüsenerkrankungen sowie Hoden- und Nierenkrebs: PFC steht im Verdacht, diese Leiden zu verursachen. Doch die Verunreinigung von Wasser und Böden in unserer Region wird bis auf weiteres nicht behoben werden können. Von Seiten der Stadt Baden-Baden heißt es: „Mittel- und Nordbaden wird auf längere Sicht mit der PFC-Belastung der Böden und des Grundwassers leben müssen.“ Und, ja, es ist leider wahr: Ein Stoff, der diese Chemikalien im Boden unschädlich machen könnte, existiert nicht. PFC gilt als „Ewigkeits-Chemikalie“.

Gift im Boden und im Wasser – ein Skandal

Die Stoffe, die unsere Anoraks wasserabweisend machen oder Pappbecher wasserundurchlässig, sind uns zum Verhängnis geworden. Per- und polyfluorierte Chemikalien werden seit den 1960-er Jahren aufgrund ihrer wasser-, schmutz-, und fettabweisenden Eigenschaften im großen Stil in der Industrie verwendet. Vor allem die Lebensindustrie benötigt die beschichteten Papiere.

Verseuchter Kompost kam jahrelang auf die Felder

Durch einen Bio-Komposthändler sind diese Stoffe dorthin gelangt, wo sie nicht hingehören: in die Böden der Felder und Wiesen in der Rheinebene. Auf eine Fläche, die so groß ist wie der Ammersee. Besagter Händler hatte Filtrationsreste, die bei der Papierproduktion in den Fabriken im Murgtal anfallen, gegen Geld angenommen. Er hat diese offensichtlich mit Kompost vermengt und kostenlos abgegeben. Die Bauern in der Rheinebene düngten damit dann fleißig ihre Felder. Laut Recherchen der Frankfurter Allgemeinen Zeitung sollen 100.000 Kubikmeter des kontaminierten Komposts zwischen 2002 und 2008 zwischen Gaggenau, Rastatt und Baden-Baden auf den Feldern verteilt worden sein. Zulässig ist die Beimengung von Abfällen aus der Altpapierproduktion in den Kompost freilich nicht.

Zahlreiche Gebiete betroffen

Laut der Stadt Baden-Baden erstreckt sich die Verunreinigung auf mehrere Gebiete: Kuppenheim, Rastatt-Rauental, Rastatt-Niederbühl, Hügelsheim, Rheinmünster-Stollhofen, Sinzheim, Bühl-Vimbuch und Bühl-Eisental. Weiter wurden PFC-belastete Ackerflächen im Stadtkreis Baden-Baden in den Gebieten Haueneberstein, Sandweier, Steinbach und Baden-Oos identifiziert. Für einen detaillierten Blick findet man unter https://www.lubw.baden-wuerttemberg.de/wasser/pfc-karten-online eine interaktive Karte.

Trinkwasser unbedenklich

Ein kleiner Trost: Auch wenn das Grundwasser belastet ist, müssen wir uns um das Wasser, das bei uns aus dem Hahn kommt, keine Sorgen machen. Laut den zuständigen Behörden ist unser Trinkwasser nicht von PFC belastet. Die letzten von den Stadtwerken Baden-Baden veröffentlichten Analysewerte sprechen für stadtweit hohe Trinkwasserqualität mit je nach Stadtteil weicher oder weich/mittlerer Wasserhärte und unbedenklichen PFC-Anteilen. Die Werte der drei Trinkwasserbehälter Annabergbehälter, Tannenwegbehälter und Rebland Zentralbehälter liegen alle sehr weit unter dem Trinkwasserleitwert, lediglich einige Privatbrunnen sind betroffen.

Die klaffende Gesetzeslücke

Leider hat der Gesetzgeber Papierschlämme bislang nicht als gefährliche Abfallstoffe bewertet. Das Problem mit PFC-verseuchten Flächen gibt es nicht nur in Baden-Württemberg. Mittlerwelle sind fast 180 Fälle in ganz Deutschland bekannt. Doch nirgends ist der Grad der Verseuchung so hoch wie in den Landkreisen Baden-Baden und Rastatt.

Den Schaden – tragen die Verbraucher

Da der kontaminierte Boden nur mit einem Aufwand mehrerer Milliarden Euro über die ganze Fläche abgetragen und entsorgt werden könnte, geht man andere Wege. In den Wasserwerken in Rastatt und Sandweier wurden Filteranlagen eingebaut, um PFC aus dem Trinkwasser zu filtern. Messungen, Analysen, Fachpersonal: Das verursacht natürlich Kosten. Wen wundert es da, dass der Wasserpreis in den vergangenen Jahren stark gestiegen ist. Auch Häuslebauern, die beim Ausheben von Erdreich auf PFC-verseuchten Boden stoßen, drohen für die Entsorgung verseuchter Erde enorme Kosten.

Alle müssen zahlen, bloß der Verursacher nicht

Bis heute laufen Prozesse gegen den Verursacher dieses Skandals, dessen Schaden kaum zu beziffern ist. Mitte 2021 wandten sich 17 mittelbadische Kommunen an Ministerpräsident Winfried Kretschmann und baten um Hilfe. Am 1. Oktober kam Umweltstaatssekretär Dr. Andre Baumann (Die Grünen) in die Region und legte dar, dass es für die großräumige PFC-Belastung in Mittelbaden keine einfache und schnelle Lösung gebe. Er soll den Stadtwerken Baden-Baden Förderbescheide in Höhe von rund 1,4 Millionen Euro mit einem Investitionsvolumen von rund 4,2 Millionen Euro übergeben haben. Man könnte sagen: Das ist ein Tropfen auf den heißen Stein.

Die FBB am Thema

Bereits im Mai 2019 stellte die FBB eine Anfrage an den 1. Bürgermeister Uhlig. Es ging dabei um die Konsequenzen bei der Auswahl von Bauflächen für Gewerbe und Wohnbau. So wurde nach einem Handlungskonzept gefragt. Denn durch die Bodenverseuchung fallen potenzielle Flächen für den Wohnungsbau weg. Wie gedenkt die Stadt diesen Verlust zu kompensieren?

Fotos: pixabay.com