„Unser Wald muss eine geschlossene Einheit bleiben“
23Oktober
2020
Wie steht es um den Baden-Badener Stadtwald? Wie viel ging durch Dürre und andere Verursacher kaputt? Und was hilft gegen das Waldsterben? Interview mit Thomas Hauck, Leiter des Forstamts.
Herr Hauck, wie ist der Zustand des Baden-Badener Waldes, nach drei heißen Sommern?
Thomas Hauck: „Der Zustand unseres Waldes ist aktuell natürlich schon nicht besonders gut. Unser Wald ist schon angeschlagen. Wir haben ein deutliches Wasserdefizit, das sich darin äußert, dass Bäume schlichtweg vertrocknen oder anfällig werden für andere Schaderreger wie Pilze oder Insekten wie der Borkenkäfer bei der Fichte. Wir haben auch Buchen, die vertrocknen, Tannen oder Douglasien, die nicht zurechtkommen mit der Trockenheit. Der erste vertrocknete Baum, den ich von meinem Bürofenster aus sehe, ist ein Apfelbaum. Im Vergleich zu anderen Gebieten Deutschland kommen wir bisher noch mit eine blauen Auge davon. Andere Bundesländer hat es hart getroffen, weil hektarweise Wald abstirbt, so wie in Thüringen, Hessen, Nordrhein-Westfalen oder Brandenburg. Wir haben hier den Vorteil, dass sich die Niederschläge aus dem Südwesten am Schwarzwald abregnen. Doch im Südschwarzwald gibt es durchaus Bereiche mit großen Schäden.“
Wie lang kann denn eine Buche bei Trockenheit durchhalten?
Thomas Hauck: „Das hängt vom Standort ab. Wenn Sie entlang der Autobahn schauen, da sehen Sie jetzt wirklich alte Buchen, die komplett abgestorben sind und die wir jetzt auch fällen müssen. Da ist ein kiesiger und sandiger Boden, da hält sich das Wasser nicht lange darin. Auch wenn Sie in Kuppenlagen kommen, wo der Fels rausschaut, sterben ebenfalls Buchen und Tannen ab, so etwa in der Nähe des Waldhauses Batschari am großen Wasserbehälter. Da ist ein felsiger Untergrund und die Erdschicht sehr gering.“
Wo sind die meisten Bäume kaputtgegangen?
Thomas Hauck: „Tatsächlich in der Rheinebene, um die A 5 herum.“
Welche Schäden wurden festgestellt?
Thomas Hauck: „Es geht nicht nur um die Dürre. Die Gesundheit des Waldes hängt von vielen Faktoren zusammen. Wir hatten im Winter in den Hochlagen auch wieder Schneebruch und Stürme. Das Sturmholz ist ein gefundenes Fressen für Borkenkäfer und ein gutes Brutmaterial für sie. Wenn dann eine Dürre kommt und andere Bäume geschwächt sind, gehen die Borkenkäfer an diese.“
Wie groß ist die Fläche des Stadtwaldes? Und wie viel ging durch die Hitze kaputt?
Thomas Hauck: „Wir haben insgesamt 7.500 Hektar Stadtwald. Damit sind wir größter kommunaler Waldbesitzer in Baden-Württemberg und auch bundesweit. Das Schöne ist, dass die ersten unserer Waldungen schon am Rhein an der französischen Grenze anfangen und hochgehen bis zur Badener Höhe. Das macht unseren Wald so facettenreich. Wie viel kaputt ging? Das ist schwierig zu beantworten. Mal sind es nur Einzelbäume. Doch betroffen ist die ganze Waldfläche. Das Holz, das wir einschlagen, berechnen wir in Masse. Wir ernten normalerweise pro Jahr rund 36.000 Kubikmeter Holz im Stadtwald – weniger, als zuwächst. Denn wir bauen Vorräte auf. 30 Prozent von dem Holz, das wir geschlagen haben, ist geschädigtes Holz. Wir lassen 2020 also mehr gesunde Bäume stehen und werden nicht unseren üblichen Einschlag machen. Auch, weil der Holzpreis für viele Sortimente aktuell am Boden ist.“
Was sind weitere Feinde des Waldes?
Thomas Hauck: „Schneebruch, Sturm, Starkregen: alles Phänomene, die häufiger werden, das stellen wir fest. Ursache ist der Klimawandel. Dieser ist der von Menschenhand gemachte Feind des Waldes. Das größte Problem nach dem Klimawandel sind bestimmte Wildbestände, etwa Rehe. Kleine Baumbestände werden oft von ihnen abgefressen. Wir schauen deshalb, dass wir genug Rehe rausnehmen. Wildschweine machen im Wald eher weniger Schäden.“
Wie werden Sie in den kommenden Jahren den Wald umstrukturieren, um ihn hitzeresistenter zu machen?
Thomas Hauck: „Ganz wichtig: Der Wald schafft sich, wenn er geschlossen ist, ein eigenes Waldinnenklima. Das ist das Wichtigste für den Wald: Er muss geschlossen bleiben. Wir schaffen Platz für die Verjüngung, die von unten hochkommt, sodass Sie immer einen mehrschichtigen Wald aus verschiedenen Bäumen haben. Wenn Sie mit den natürlichen Samen arbeiten, die sich ausbreiten und für Nachwuchs sorgen, haben sie eine breite Varietät. Die jungen Bäume wachsen ja schon mit dem anderen Klima auf – und somit auch mit Dürrejahren. Die Bäume, die das überleben, werden selektiert und kommen künftig besser mit klimatischen Veränderungen zurecht. Dann müssen wir schauen, dass wir eine große Spreizung in den Baumarten haben und nicht nur Tannen und Buchen, sondern auch Eichen. Falls eine Baumart ausfällt, wächst eine andere nach.“
Brauchen wir neue Baumsorten in unserem Wald?
Thomas Hauck: „Oft werde ich gefragt: ,Mit welchen Baumarten wollen Sie aufforsten?’ Wenn Sie sich im Wald umschauen, erledigt sich die Frage sehr schnell, denn: Wo wollen Sie da aufforsten? Wir haben einen tollen Mischwald und es wäre Blödsinn, alten Wald wegzuschlagen, um dann die Libanon-Zeder einzupflanzen. Wir müssen mit den Baumarten, die wir haben, versuchen zurechtzukommen, die genetische Variabilität zu nutzen. Und haben nur ganz wenige Flächen, wo wir sagen: Da pflanzen wir etwas anderes rein. Ein Wald ist für Jahrhunderte angelegt. Wir haben zum Glück viele verschiedene Baumarten. Der Wald muss eine geschlossene Einheit bleiben: Wir dürfen nicht zu riesigen Talflächensituationen kommen.“
Ganz persönlich: Was bedeutet Ihnen der Wald?
Thomas Hauck: „Ich liebe den Wald, bin sehr gern dort. Unser Wald ist einfach wunderschön und er hat immer wieder etwas Neues zu bieten. Ich mag diese Unterschiedlichkeit in unserem Wald. Man kann wahnsinnig viel von ihm lernen. Ich bin sehr froh, dass ich mit und im Wald arbeiten kann, denn das ist mein Traumberuf.“
Foto: Forstamt Baden-Baden