Kunsthalle Baden-Baden: Eine Chance für den Neuanfang
07Oktober
2024
Oliver Gahn-Schuster, FBB, adressiert sich mit einem Leserbrief an die Öffentlichkeit. Es geht um die Kunsthalle, die jährlich gerade einmal 2.500 voll zahlende Besucher anlockt. Ein Neustart ist überfällig.
„Das Badische Tagblatt hat die Situation rund um die Kunsthalle Baden-Baden gut
recherchiert, dennoch fehlen in der Berichterstattung entscheidende Informationen, wie etwa die von Burda verkauften Kombitickets.
Die aktuelle Ausrichtung der Kunsthalle scheint viele Kunstinteressierte nicht mehr
zu begeistern. Besucherzahlen im Keller, ein Publikum, das zunehmend mit den
Füßen abstimmt und zeitgenössische Kunstveranstaltungen in der Region meidet –
all das spricht für eine notwendige Neuausrichtung. Die Nichtverlängerung des
Vertrags mit der bisherigen Direktorin, Çağla Ilk, betrachte ich persönlich als
Chance. Ihre Programmatik, die stark aus dem Berliner Kunstmilieu schöpft, mag in
der Hauptstadt erfolgreich sein, in Baden-Baden hingegen trifft sie nicht den Nerv
des Publikums.
Während in einer Millionenmetropole wie Berlin eine Nischenkultur eine solide
Anhängerschaft findet, sind die Voraussetzungen in einer Stadt wie Baden-Baden
ganz anders. Die Entscheidung, den Vertrag nicht zu verlängern, wurde vom Land,
ohne Einfluss der lokalen Verwaltung und Politik, getroffen. Das jetzt lautstark
geäußerte Unverständnis einiger Lokalgrößen entbehrt somit jeglicher Grundlage.
Im Jahr 2020 war die Ernennung von Frau Ilk sicher auch eine Modeentscheidung:
weiblich, Migrationshintergrund und eine „alternative“ Sicht auf Kunst galten als
fortschrittlich. Leider hat sich diese Entscheidung sowohl inhaltlich als auch
finanziell als Irrtum erwiesen. Das Land musste im Jahr 2023 einen Zuschussbedarf
von 1,7 Millionen Euro für die Kunsthalle bereitstellen, 2024 sollen es bereits 1,8
Millionen Euro werden. Bei nur 2.500 Vollzahlern und einigen Burda-
Kombiticketbesuchern sind diese Summen ein Desaster.
Statt weiter über die Fehlentwicklungen der letzten Jahre zu klagen, sollten wir den
Blick nach vorne richten. Eine Dependance des Landesmuseums könnte frischen
Wind in die Kunstszene Baden-Badens bringen und auch überregionale Besucher
anziehen. Dies wäre nicht nur kostenlose Werbung für die Stadt, sondern auch eine
Bereicherung für das kulturelle Leben vor Ort.
Es wäre klug, sich nun auf die Chancen für einen Neustart zu konzentrieren, anstatt
weiter an überholten Konzepten festzuhalten. Schließlich gibt es in Baden-Baden Institutionen wie die Gesellschaft der Freunde Junger Kunst und
darüber hinaus Kapazitäten im Alten Dampfbad, wo unsere Lokalpolitiker und
Verwaltungschefs ihre Kunstaffinität unter Beweis stellen könnten.
Trotz klarer Signale aus Stuttgart blieb die Stadt Baden-Baden in Bezug auf die
strategische Neu- oder Interimsausrichtung der Kunsthalle auffallend passiv. Es
fehlt an einer klaren Zuständigkeit und strukturierten Kommunikation, was die
Gleichgültigkeit gegenüber dieser wichtigen kulturellen Entscheidung deutlich
macht.“
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Fotos: FBB Archiv