Wohnraumförderungskonzept: Baden-Baden setzt falsche Schwerpunkte
03November
2016
Vor einiger Zeit legte die Stadt ein Wohnraumförderungskonzept vor: es war irgendwie merkwürdig gerechnet und basierte auf einer Wohnraumbedarfsprognose, die nun Volker Henkel unter die Lupe genommen hat. Ergebnis:
die Stadt sollte ihr Wohnraumförderungskonzept schnellstens überdenken.
Womit plant die Stadt?
Das Wohnraumförderungskonzept der Stadtverwaltung geht bis zum Jahre 2030 von einem zusätzlichen Wohnungsbedarf von rd. 2770 Wohnungen aus; davon 1240 Ein- und Zweifamilienhäuser, 830 Eigentumswohnungen und lediglich 700 Mietwohnungen. Dabei entfallen allein 530 Mietwohnungen auf preisgünstige Wohnungen für einkommensschwache Haushalte (Bezieher von Mindestsicherungen, von Wohngeld oder mit Einkommen unter der Armutsgefährdungsgrenze). Das waren im Jahr 2012 rd. 3800 Haushalte (14,3 %), für die aber bereits ein Nachholbedarf von 300 Wohnungen (insbesondere Kleinwohnungen bis ca. 60 qm, deren Mieten innerhalb der Bemessungsgrenzen für angemessene Unterkunft liegen)und ein zunehmender Bedarf von 230 Wohnungen eingeräumt wird. Die Stadtverwaltung übernimmt damit die ermittelten Zahlen der Wohnraumbedarfsprognose der Beratungsfirma InWIS, die im Auftrag der Stadtverwaltung erstellt und Anfang 2015 vorgestellt wurde.
Wohnraumbedarfsprognose nicht realitätsbezogen
In der Prognoseberechnung wurden Bedarfszahlen errechnet, die mit der Realität einfach nicht in Einklang zu bringen sind; ja, die einfach willkürlich mit unzulässigen methodischen Vorgehensweisen konstruiert (Singlewohnungen) oder ganz vernachlässigt werden (Mietwohnungen für Paare mit und ohne Kinder).
Nach unseren Berechnungen, die ebenfalls auf den in der Prognoserechnung zugrunde liegenden statistischen Zahlen beruhen, ist der geplante zusätzliche Mietwohnungsbau mit 700 Einheiten bis 2030 total unterrepräsentiert, da wie oben bereits erwähnt, für einkommensschwache Haushalte lt. Bedarfsprognose allein ein Bedarf von 530 Wohneinheiten, insbesondere an Kleinwohnungen ermittelt wurde. Selbst diese Zahl ist deutlich zu niedrig, weil allein schon der überdurchschnittlich hohe Anteil der 1-2 Personenhaushalte an den einkommensschwachen Haushalten bzw. den sogen. Bedarfsgemeinschaften nur zu rd. 8 % befriedigt werden kann.
Wo bleibt denn da ein angemessenes Angebot an modernen Wohnungen in allen Größensegmenten für die Normalverdiener, die sich weder eine Eigentumswohnung geschweige denn ein Einfamilienhaus leisten können bei einer Gesamtzahl von geplanten 700 Mietwohnungen bis 2030?
Die für solche Mietwohnungen verbleibende Zahl von 170 Wohneinheiten ist geradezu lächerlich gering, weil die Anzahl allein lebender Rentner, im Berufsleben stehender Singles, alleinerziehender Elternteile und Paare ohne Kinder, ständig weiter zunimmt. So kommt das Beratungsinstitut auf ein Wachstum der privaten Haushalte um rd. 1600 bis zum Jahre 2030, bei einem nur geringen Wachstum der Einwohnerzahlen.
Was deutlich zu kurz kommt: Wohnungen für Haushalte mit Kindern
Eine wichtige Wohnraumbedarfsgruppe sind Haushalte mit Kindern, die immerhin einen Anteil von ca. 27 % ausmachen, insgesamt also ca. 7450 Haushalte. Familienfreundliche Angebote zur Miete werden zukünftig sicher stärker nachgefragt. Die Familienorientierung bezieht sich dabei sowohl auf die Wohnungsgrößen (Kinderzimmer, ggf. Arbeitszimmer) als auch auf das Wohnumfeld (Barrierearmut im Eingangsbereich, Spielmöglichkeiten im Nahbereich) und auf infrastrukturell gut angebundene Angebote für Alleinerziehende, so InWIS. Dass die Nachfrage nach familienfreundlichem Miet-Wohnraum erheblich wachsen wird, daran besteht in Anbetracht der Preisentwicklung am Markt für Eigentumswohnungen und Einfamilienhäuser, kein Zweifel. Die vorhandene oft veraltete Bausubstanz bei Mietwohnungen kann diese steigende Nachfrage mit Sicherheit nicht befriedigen. Wie das geschehen soll, darauf gibt weder die Wohnraumbedarfsprognose noch das Wohnraumförderungskonzept der Stadt Baden-Baden überhaupt eine Antwort. Gewollt oder aus Hilflosigkeit gepaart mit Unvermögen?
Die Akzente im Wohnraumförderungskonzept der Stadt Baden-Baden sind völlig falsch gesetzt. Die ausgewiesenen Planzahlen für Familienhäuser und Eigentumswohnungen müssen zugunsten eines familienfreundlichen modernen Wohnungsbaus mit bezahlbaren Mieten deutlich reduziert werden; benötigt werden überproportional Kleinwohnungen bis 60/65 qm, für Singles und alleinstehende Rentner. Benötigt werden aber auch deutlich mehr als die geplanten 170 Mietwohnungen für Familien mit Kindern.
Schon heute gibt es ein Überangebot an teuren bis sehr teuren Eigentumswohnungen. Die in Planung befindlichen Projekte (SWR-und Vincentiusgelände) böten ausreichend Flächen, um den wirklichen Bedarf an Mietwohnungen in einem überschaubaren Zeitraum zu schaffen, wie es die Verantwortung einer Kommune erfordert. Hier muss die Stadt nachbessern und vor allen Dingen Einfluss auf die Grundstückseigentümer und Bauträger ausüben; wenn es sein muss auch mit einer wie auch immer gearteten Förderung, um die erforderlichen Projekte auch wirtschaftlich zu ermöglichen.
Foto: Ben Becher