Amtsschimmel – oder wer ist hier eigentlich zuständig?
20Oktober
2016
Jede Stadt hat die Stadtverwaltung, welche sie verdient, sagt ein übel gelauntes Sprichwort. Unsere Stadtverwaltung ist wie ein tauber Hefekuchen:
sie wird immer mehr, aber sie hört schlecht und sie ist so organisiert, dass Verwaltungsarbeit zu einer Art Mensch-ärgere-Dich-nicht Witz wird. Wir haben von Jahr zu Jahr mehr städtische Bedienstete (jetzt über 1.600!!) und diese vielen Angestellten und Beamten stehen sich, obwohl sie jeweils einzeln überaus freundlich sind, immer gegenseitig im Weg. Uns, den Bürgern zuhören, das wollen sie nur ungern, denn es macht ihre Arbeit nur noch komplizierter. Es ist zum Verzweifeln.
Bürgerbüro offen oder nicht oder was? Wo kann man Buskarten kaufen? Wo nicht? Was geschieht mit Anträgen?
Unsere Baden-Badener Verwaltung produziert in Zeiten von E-Mails und elektronischen Akten Tonnen von totem Papier. Wir füllen Anträge aus, sie lesen ungern.
Und die banale Frage: wer kann was entscheiden und wer darf dies oder das tun, kann zu einem frustrierenden Hindernisrennen durch diverse Amtsstuben werden.
Uschi Beer mit einem Beispiel aus der täglichen Praxis:
Die Angst vor Entscheidungen geht um.
Nein, nur der Chef könne die Genehmigung geben, bekommt ein Hauseigentümer zu hören. Wie das?
Ende September wurde die Eckerlestraße 2 Tage repariert und tags drauf gebürstet. Am nächsten Morgen um 7:45 rückten 2 städtische Mitarbeiter an, um die Markierungen wieder aufzufrischen.
Um 8:30 bat unser Anlieger diese Zwei, ob sie bitte gleich auch die nicht mehr erkennbaren Markierungen vor seiner Torausfahrt mit auffrischen würden.
Die zwei sehr freundlichen und willigen Mitarbeiter baten darum, die Genehmigung bei Herrn Schmalzbauer, dem Chef beim Amt für öffentliche Ordnung telefonisch, besser schriftlich (!) einzuholen. Der Anwohner ruft umgehend an und trägt der Mitarbeiterin sein Anliegen vor. Diese wies darauf hin, dafür sei Herr M. von den Stadtwerken zuständig und vermittelte zu seiner Sekretärin, der das Anliegen dann erklärt wurde.
Herr M. sei im Urlaub und Herr L. vertrete ihn, gab die Sekretärin Auskunft. Sie verband nun an Herrn L., dem der Wunsch erneut vorgetragen wurde. Herr L. war sehr freundlich und gab sofort telefonische Genehmigung, die den Arbeitern auf der Straße überbracht wurde.
Nein, so die Beiden, Herr L. als Vertreter von Herrn M., der ihr Chef sei, der könne die Genehmigung nicht geben, das könne nur Herr Schmalzbauer, Öffentliche Ordnung, von dem würden sie die Aufträge bekommen. Der Anwohner hat die Beiden noch kurz angefleht und dann aufgegeben und verließ die total verunsicherten städtischen Mitarbeiter.
Im Laufe des Tages geschieht dann ein kleines (heimliches) Wunder: Am Nachmittag war die Markierung angebracht, die beiden städtischen Mitarbeiter hatten sich wohl Mut gemacht und das Anflehen erhört. Als der Anwohner die Markierungen bemerkte, wollte er den Beiden ein Trinkgeld für ihre Zivilcourage geben, doch sie waren abgereist. Leider kennt er ihre Namen nicht.
Oder wurden in der Mittagspause nochmals die beteiligten Stellen in der Verwaltung abgefragt?
Entscheidungen zu treffen und eigenverantwortliches Handeln machen scheinbar Angst in unserer Stadt. Braucht es (immer) Chefs für alles und jenes oder um (winzige!) Entscheidungen zu treffen?
Foto: Ben Becher