Siena lässt sich nicht unterkriegen
17März
2020
In der toskanischen Stadt haben die Menschen in Quarantäne die Fenster geöffnet und miteinander gegen die Stille in den Straßen angesungen. Triumph der Gemeinschaft über die Angst! Ein Kommentar von Cornelia Mangelsdorf.
Nun ist es also soweit. Die Landesregierung Baden-Württemberg hat am vergangenen Freitag verordnet, dass ab heute alle Schulen und Kindergärten geschlossen bleiben, bis zum Ende der Osterferien. Den Kindern wird das wahrscheinlich gefallen – doch die berufstätigen Eltern müssen jetzt erst mal improvisieren. Wohl dem, der im Home-Office arbeiten kann.
Unser neuer Alltag mit Einschränkungen
Auch mit der außerhäuslichen Zerstreuung ist es erst einmal vorbei: Theater, Festspielhaus und Philharmonie haben Veranstaltungen abgesagt, Museen und das Casino bleiben zu. Die Busse fahren seltener, die Biotonne wird nur noch alle zwei Wochen geleert, weil das Personal aus dem Elsass fehlt. Und: Die Geschäfte sollen schließen, bis auf Lebensmittelläden und ein paar andere. Keine Frage: Die Viruskrise hat damit angefangen, unseren Alltag einschneidend zu verändern.
Gemeinsames Singen gegen die Angst
In Italien müssen die Menschen in Quarantäne schon eine Weile mit der unfreiwilligen Isolation zurechtkommen. Dennoch haben sich die Italiener etwas einfallen lassen, um sich nicht den Schneid abkaufen zu lassen: Auf Twitter geht gerade ein Video herum, das eine menschenleere dunkle Gasse im Herzen Sienas zeigt. Auf einmal ertönt Gesang aus einem Fenster: Ein Mann singt „Viva la nostre Siena“ – „Es lebe unser Siena“, ein Lied, das jeder kennt. Dann öffnen sich weitere Fenster, und andere Menschen stimmen ein. Sie singen miteinander, obwohl sie sich nicht einmal sehen können! Und erleben einen wunderbaren Moment der Freude und Solidarität. Am Samstag schlossen sich viele Italiener einem Aufruf an, um 12 Uhr am Mittag den Ärzten und Pflegern für ihre Arbeit zu applaudieren. Das ist genau das, was in solch einer Situationen hilft: Zeichen setzen, sich Mut machen, zusammenhalten!
Die Krise – ein Stresstest
Soweit Italien. Zurück zu uns. Die meisten von uns machen sich Sorgen, um ihre Liebsten, die Familie, ihre Arbeit. Und wir hoffen inständig, dass die Infizierten in unserer Stadt wieder gesund werden! Viele von uns fragen sich: Wie schlimm wird es noch kommen? Was passiert als nächstes?
Nicht verzagen!
Keiner von uns kann es vorhersehen. Die Herausforderung der Stunde ist, nicht nur Vorsicht, Umsicht, Rücksicht und Hygiene walten zu lassen, sondern sich auch mit diesem unangenehmen Zeitgenossen namens Ungewissheit vertraut zu machen. Ja, das erzeugt Stress! Denn Corona konfrontiert uns mit unseren Ängsten. Doch wir müssen uns nicht von ihnen auffressen lassen. Das Wesen des Lebens ist, dass es wechselhaft ist. Jetzt spüren wir, dass wir weniger im Griff haben, als wir glaubten. Das ist hart, aber es ist nicht das Ende der Welt.
Bonjour, Verzicht!
Und jetzt auch noch „Isolationshaft“. Die Bitte der Landesregierung am vergangenen Freitag war klar: Wir alle müssen unsere sozialen Kontakte einschränken, um mindestens 50 Prozent, damit die Vervielfältigung von Ansteckungen reduziert wird. Und das ist erst der Anfang. Wir alle müssen nun auf Dinge verzichten, die wir gern machen: schnell mal im Elsass einkaufen, ins Konzert oder ins Fußballstadium gehen. Jetzt geht es primär um eines: unsere Gesundheit zu erhalten.
Doktor Natur ist ein Freund in der Not
Wie sich also die Zeit vertreiben? Woher Mut und Hoffnung holen? Mir hat am Freitagabend, nach einem Arbeitstag samt rauchendem Kopf, ein Abendspaziergang durch die Allee gutgetan. Die blühenden Kirschbäume hoben sich wunderbar gegen den blauen Abendhimmel ab. Ein zarter erster Hauch Frühling lag in der Luft. Und überall Narzissen! Doktor Natur ist für uns alle da, er behandelt unentgeltlich, ist niemals müde und gut ausgestattet mit fröhlichem Vogelgezwitscher, herrlicher Luft und kommenden Sonnentagen. Wer jetzt rausgeht, kann sich an einem wunderschönen Blütenspektakel erfreuen, tut dabei was für seine Gesundheit und stärkt die Nerven. Ein Spaziergang reduziert Stress und schlechte Gedanken, so viel steht mal fest! Und holt uns raus aus dem Nachrichten-Overload.
Hoffnung und Zeitgewinn
Im Livestream der Landesregierung vom Freitag zu Corona gab es dann auch noch eine Nachricht, die hoffen lässt: Gesundheitsminister Manne Lucha sagte, es gebe gute Hinweise, auch von der Universität Tübingen, „dass wir in diesem Zeitraum (Anm. der Red.: bis Ostern) vermutlich schon erste Medikamente für antivirale Behandlung zur Verfügung haben werden – die ersten großen Studien gehen zur Neige –, die bis zu 30 Prozent die Behandlungszeit und Intensivität reduzieren können.“
Wir sind nicht machtlos, wir sind kreativ!
Wir alle können mit unserem Verhalten dazu beitragen, die Verbreitung des Virus einzuschränken. Und uns gegenseitig stärken – indem wir Dinge tun, die Spaß machen: frische Luft tanken, mit der Familie Karten spielen – oder zum Telefon greifen, um zu fragen, ob die älteren Herrschaften nebenan vielleicht etwas brauchen. Bleiben wir wachsam, gelassen – und hilfsbereit.
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