„Samstagabende mit Freunden auf meiner Terrasse sind nicht möglich“
03Mai
2022
Senja Post, Professorin für Wissenschaftskommunikation am KIT in Karlsruhe, wohnt seit 2021 in Baden-Baden. Von der Stadt und ihrem Festspielhaus ist sie sehr angetan. Doch wummernde Bässe, die vom Hotel Roomers zu ihr hinüberschallen, stören die Hobby-Pianistin und viele ihrer Nachbarn. Ein Interview.
Frau Professor Post, seit wann wohnen Sie in Baden-Baden?
Senja Post: „Ich bin letztes Jahr Ende August nach Baden-Baden gezogen – also unmittelbar nach der Entscheidung zum Weltkulturerbe, die mich als zukünftige Bürgerin natürlich sehr angetan hat.“
Warum hat es Sie von Göttingen hierher verschlagen?
Senja Post: „Ich habe einen Ruf auf eine Professur ans Karlsruher Institut für Technologie erhalten. Vor meiner Zeit in Göttingen hatte ich länger in Zürich sowie im Studium in Mainz, Boston und Dresden gewohnt. Das heißt, ich hatte mit Semperoper, der Boston Symphonie Hall, der Alten Oper sowie der Tonhalle immer große Konzerthäuser in Reichweite. Das hatte mir in Göttingen sehr gefehlt. Mit dem Ruf nach Karlsruhe freute ich mich sofort auf das Baden-Badener Festspielhaus und habe deshalb unter anderem in Baden-Baden nach Wohnungen geschaut, wo ich dann auch fündig geworden bin.“
Nun mussten Sie in Sachen ruhig wohnen eine herbe Enttäuschung erleben. Wo wohnen Sie und was raubt Ihnen die Ruhe?
Senja Post: „Ich hatte mich gefreut, das Festspielhaus in direkter Nähe zu haben. Ich wohne im Batschari Palais, das für mich eigentlich eine ideale Lage hat – nicht nur für die Konzertbesuche, sondern auch, weil ich meist mit Rad und Bahn nach Karlsruhe pendele. Da ist die Lage am Ortsrand und die flache Strecke zum Bahnhof Oos ideal.
Allerdings gab es direkt nach Einzug in der Tat eine herbe Enttäuschung. Meine Wohnung zeigt direkt auf die Dachterrasse des Hotels Roomers, von wo tagsüber, abends, manchmal auch mitten in der Nacht starke Lärmbelästigungen kommen. Ich bin schon um Mitternacht aufgeschreckt, weil plötzlich die Musik voll aufgedreht wurde. Heiligabend wurde bis in die Morgenstunden durchgespielt, auch an Karfreitag lief die Anlage ab 16 Uhr. Das sind nur Beispiele dafür, wie unverfroren hier zum Teil Regeln übertreten werden. Mitunter höre ich die Bässe sogar bei geschlossenen Fenstern in der Wohnung – und das sind eigentlich gut isolierte Fenster. Den Verkehr auf der Lange Straße höre ich jedenfalls nicht.
Besonders schlimm ist es natürlich auf meiner eigenen Dachterrasse. Sie ist praktisch nicht nutzbar, wenn das Roomers Party macht. So wie ich es bislang erlebt habe, sind Samstagabende bei herrlichem Wetter mit Freunden auf meiner Terrasse nicht möglich – zumindest dann nicht, wenn man eine Umgebung ohne das sich ständig unverändert wiederholende dröhnende Bumm Bumm der elektronischen Clubmusik bevorzugt. Und eine derartige Einschränkung kann doch in einem Wohn- oder Mischgebiet nicht möglich sein! Auch aus Perspektive der Stadt wundere ich mich offen gestanden schwer: Da schaut man direkt auf das von der UNESCO ausgezeichnete, wunderschön angestrahlte Festspielhaus, auf diese wunderschöne Kurstadt – und untermalt wird das ganze durch laute, hämmernde Disco-Musik, die durch das Tal dröhnt. Wie passt das zum Image der Stadt und zum Weltkulturerbe?“
Wann finden die Ruhestörungen vorwiegend statt?
Senja Post: „Es findet vorwiegend an Wochenenden, abends und häufig auch nach Beginn der Nachtruhe statt – also dann, wenn man sich von der Arbeitswoche eigentlich erholen oder schlafen möchte; oder wenn man wie ich die Ruhe am Wochenende nutzen möchte, um an Manuskripten oder Vorträgen zu arbeiten.“
Haben Sie mit den Verursachern bereits das Gespräch gesucht? Wie war die Reaktion?
Senja Post: „Ich habe dort angerufen, als ich zum ersten Mal massiv gestört wurde, letztes Jahr Ende August. Die Musik war gegen 21 Uhr und weit darüber hinaus so laut, dass ich die Bässe auch weit entfernt von meinen Fenstern in der Wohnung hören konnte. Mein Gegenüber gab sich auf meine freundliche Bitte, die Musik leiser zu drehen, empört: Es sei doch schließlich Wochenende. Ich fand diese Reaktion unglaublich. Nachbarn, die genau wie ich massiv leiden, hatten mir von genau dieser Reaktion zuvor berichtet. Ich hatte das nicht geglaubt, hatte ihre Darstellung für eine Zuspitzung gehalten.“
Haben Sie sich auch an die Stadt gewandt? Was hat die Stadt unternommen?
Senja Post: „Ja. Ich habe mich an die Stadt gewandt, telefonisch und per E-Mail. Die Reaktionen waren sehr entgegenkommend. Bei meiner telefonischen Kontaktaufnahme hat man mir zu einer schriftlichen Stellungnahme geraten, die ich dann auch sofort verfasst habe. Ich erhielt einige Tage später einen engagierten Rückruf. Meines Wissens muss es dann Gespräche zwischen dem Gewerbeaufsichtsamt und dem Roomers gegeben haben. Ich bildete mir ein, dass es danach auch etwas besser wurde. Jetzt und seit Wochen ist von einer Besserung leider nicht mehr viel zu spüren.“
Welche Schritte werden Sie nun weiterhin unternehmen?
Senja Post: „Ich habe mich gerade nochmals an die Stadt gewandt. Wieder war man sehr entgegenkommend. Man schlug mir ein von der Stadt angestoßenes gemeinsames Treffen mit dem Hotelbetreiber vor. So ein Treffen würde ich sehr begrüßen. Außerdem will man Erkundungen über Möglichkeiten eines besseren Lärmschutzes einholen. In einem Gespräch hatte ich die Einschätzung gehört, dass in Richtung zum Batschari kein Lärmschutz auf der Dachterrasse des Roomers installiert sei. Vielleicht wäre das Teil einer Lösung. Ich habe außerdem vor, mich weiter in der Nachbarschaft umzuhören. Ich weiß, dass einige unter den Ruhestörungen sehr leiden. Manche sind richtig verzweifelt. Ich bin nur nicht sicher, ob das für die Stadt auch sichtbar ist.
Ich meine jedenfalls, dass irgendeine Lösung dringend hermuss, denn es kann nicht sein, dass die ganze riesige Front des Batschari den ganzen Sommer über so massiv belästigt wird. Und außer dem Batschari stehen ja noch andere sehr große Wohnhäuser um das Roomers herum.“
FOKUS Baden-Baden hat sich in dieser Sache bereits an den 2. Bürgermeister Roland Kaiser gewandt. Wir werden berichten, was nun weiterhin unternommen wird, um den Anwohnern des Roomers zu helfen.
Foto: John Flury