„Pfleger, Sanitäter, Supermarktangestellte und LKW-Fahrer sollten besser bezahlt werden“

07April
2020

Leben in Zeiten der Corona-Krise: Wie kommen Bürger damit zurecht? Und worüber machen sie sich jetzt Gedanken? Interview mit Mathias Welle, FBB.

Wie empfinden Sie die derzeitige Situation mit der Corona-Bedrohung?

Mathias Welle: „Wenn man sich die rasant wachsenden Infektionszahlen in der Welt und die Todesfälle anschaut, dann empfinde ich das schon als eine sehr ernst zu nehmende Bedrohung. Ich finde es auch gut, dass die Strafen bei Missachtung erhöht wurden und es wäre wichtig, dass auch die Greta Thunberg-Generation begreift, dass auch sie Verantwortung übernehmen muss und zwar sofort zum Schutz ihrer selbst, vor allem aber auch ihrer Mitmenschen.

Weiter glaube ich, dass uns die Erde eine total wichtige – wenn auch tödliche – Botschaft sendet. Scheinbar sah sie aktuell keinen anderen Ausweg.“

Sorgen Sie sich um sich und Ihre Lieben?

Mathias Welle: „Selbstverständlich, insbesondere um meine Frau, die als Ärztin jeden Tag in ihrer Praxis an vorderster Front steht, ihren Patientinnen gern hilft und somit in dieser ungewissen Zeit eine sehr wichtige Aufgabe wahrnimmt. Ich sorge mich auch um meine 87-jährige Mutter, die sich zur Zeit bei meinem Bruder in Dubai befindet und nicht ganz versteht, was in dieser globalen Welt so gerade alles aus den Fugen gerät.“

Sie arbeiten in Schwetzingen. Fahren Sie noch hin? Und wie verbringen Sie jetzt Ihre Freizeit?

Mathias Welle: „Ich mache zur Zeit Home Office und das funktioniert auch ganz gut. Zuhause bleiben ist der der einzig vernünftige Schutz für die Mitmenschen und für sich selbst! Meine Freizeit verbringe ich mit Spazierengehen, mit moderatem Sport wie Nordic Walken und natürlich auch Fahrradfahren, das alles natürlich sehr oft gemeinsam mit meiner lieben Frau.“

Wie kommen Sie mit der Einschränkung bestimmter Dinge zurecht? 

Mathias Welle: „Mit den gültigen harten Einschränkungen komme ich bisher noch ganz gut zurecht. Solange Lebensmittelläden und Institutionen der Grundversorgung geöffnet sind. Ich hoffe sehr, dass es nicht zu einer totalen Ausgangssperre kommen wird wie in Italien oder Frankreich. Bisher vermisse ich auch hier einen nachhaltig wirkenden Appell von Greta Thunberg an die Jugend der Welt. Meines Erachtens sind auch die Eltern mancher Jugendlichen in der Pflicht, ihren Kindern endlich essenzielle Regeln aufzuzeigen und diese auch nachhaltig zu überwachen.“

Wer unterstützt Sie in der aktuellen Situation?

Mathias Welle: „Zunächst unterstützen wir uns natürlich gegenseitig, meine Frau und ich. Aber auch die Nachbarn und Freunde senden dauernd Botschaften der Unterstützung. Und das verhilft zur Zuversicht. Im Endeffekt muss aber jeder – zumindest innerlich – selbst damit klar kommen.“

Ihr Mutmacher-Tipp für andere Bürger? 

Mathias Welle: „Die Erde dreht sich, trotz der aktuellen Hiobsbotschaften, weiter – künftig aber anders. Genau darin liegt die Chance, nun menschenwürdige Veränderungen herbeizuführen. Die Welt sollte nicht mehr nun von Zahlen und Wirtschaftlichkeit bestimmt werden. Im Moment sind alle Berufe, die sich um Menschen kümmern, total wichtig. Das sollte auch nach der Pandemie so bleiben. Nur sollten Pfleger, Sanitäter, Supermarktangestellte, LKW-Fahrer später besser bezahlt werden. Die BWL-Excel-Tabelle, die viel zu sehr unser Leben bestimmt und uns viele wichtige Qualitäten wegnimmt, darf nicht mehr bestimmend sein.“

Hat solch eine Situation auch einen Effekt, aus dem die Gesellschaft etwas lernen kann?

Mathias Welle: „Ja, klar! Die Gesellschaft kann und wird vieles aus diesen Ereignissen lernen müssen. Gewisse Werte müssen wieder umgedreht werden. Der Mensch ist das Maß der Dinge und wir müssen lernen, dass wir weitestgehend nur Dinge tun, die dem Menschen guttun. Wir müssen wieder viel achtsamer werden, Freundlichkeit darf nicht als Schwäche interpretiert werden und Berufe am Menschen müssen gesellschaftlich und finanziell aufgewertet werden.

Ich glaube, die Erde ist in all diesen Frage gerade eine gute, wenn auch sehr strenge Lehrerin. Werden wir auch gute Schüler sein? Ich hoffe es sehr.“

Foto: FBB-Archiv