Kein Geld für hohe Energiekosten? Hier gibt es Hilfe

25November
2022

Nachzahlungen für Strom oder Gas, stark gestiegene monatliche Abschlagszahlungen, ausstehende Rechnungen: Die steigenden Energiekosten können finanzielle Notlagen auslösen. Wo gibt es Hilfe? Cornelia Mangelsdorf sprach mit dem 2. Bürgermeister Roland Kaiser.

Die Regierung hat vor wenigen Wochen ein drittes Entlastungspaket geschnürt und Maßnahmen geplant. Dazu gehören etwa Einmalzahlungen von 300 Euro für Rentnerinnen und Rentner und Einmalzahlungen von 200 Euro für Studierende. Auch das Kindergeld soll erhöht werden und es wird einen Heizkostenzuschuss II für Wohngeldberechtigte geben. Zusätzlich sollen weitere Maßnahmen greifen. Ein ganz wichtiges Instrument ist hier die große Reform des Wohngeldes. Sie soll zum 1. Januar 2023 in Kraft treten. Dabei soll von derzeit bundesweit 700.000 wohngeldberechtigten Haushalten die Anzahl auf rund zwei Millionen Haushalte ausgeweitet werden. Wir sprachen mit Sozialbürgermeister Roland Kaiser über die Not in der Stadt – und was man tun kann.

Herr Kaiser, die Energiekosten sind hoch wie nie. Spritpreise steigen ins Unermessliche und die neuen Abschlagszahlungen für Gas und Strom haben es in sich. Wie nehmen Sie aktuell die Stimmung der Bürger in der Stadt wahr?

Roland Kaiser: „Die Stimmung nehme ich aktuell noch völlig unaufgeregt wahr – ganz anders als zu Coronazeiten, als hier viele Anfragen und Beschwerden eingingen. Es geht ruhig und sachlich zu. Es ist keine Überreaktion der Bevölkerung zu spüren, eher vielleicht eine Verunsicherung: Was kommt denn jetzt noch auf uns zu? Aber diese Frage können auch wir im Rathaus nicht beantworten.“

Gibt es mehr Zulauf, was die Anträge auf Unterstützungsgelder angeht?

Roland Kaiser: „Wo wir einen Zulauf bemerkt haben, ist beim Wohngeld. Wir haben in diesem Bereich jetzt verstärkt Nachfragen, wer überhaupt wohngeldberechtigt ist. Von daher ist es positiv, was die Bundesregierung plant. Der Bund hat das Ziel, den Kreis der Berechtigten deutlich zu erweitern: nahezu zu vervierfachen. Dies soll hälftig jeweils von Bund und Ländern finanziert werden. Das soll dann das Auffangbecken sein für alle, die durch erhöhte Energiepreise in finanzielle Not kommen. Dieser Ansatz ist natürlich hilfreich. Doch der Plan muss auch umgesetzt werden: von den Städten und Gemeinden. Wir haben allerdings kein zusätzliches Personal, sollen aber möglicherweise viermal mehr Anträge bearbeiten. Ich habe mich dafür eingesetzt, dass man seine Wohngeldanträge jetzt auch digital bei uns stellen kann. Jetzt hoffen wir mal, dass im Dezember seitens der Regierung klare Handlungsanweisungen vorliegen, damit wir diese im Januar umsetzen können. Denn noch müssen die Eckpunkte von der Regierung ausgearbeitet werden. Ich befürchte allerdings, das wird bis Dezember nicht klappen.“

Können Sie die Zahl der durch die hohen Energiekosten armutsgefährdeten Familien beziffern?

Roland Kaiser: „Es kursierte mal eine Zahl von 300 betroffenen Familien in Baden-Baden, das war eine Schätzung der Stadtwerke. Das war vor den Plänen der Regierung, finanziell abzufedern. Ich halte sie für etwas hochgegriffen. Bund und Länder sagen jetzt: Wir fangen alle auf. Niemand gerät in Not. Wir müssen nun abwarten, bis die Eckpunkte der Wohngeldberechnung für eine Berechtigung geklärt sind.“

Viele ältere Menschen scheuen sich, Hilfen wie Wohngeld in Anspruch zu nehmen. Gibt es bei der Stadt Hilfestellung? Also direkte Ansprechpartner, falls man nicht via Internet so einen Antrag stellen kann?

Roland Kaiser: „Es ist keine Pflicht, den Antrag online zu stellen. Das geht auch per Termin. Wenn wir aber viermal mehr Anfragen haben als üblich, wird es personell eng. Wir können aber bei Bedarf umstrukturieren und Personal zeitweise anders einteilen. Ich mache regelmäßig einen Jour Fixe, um die Aufgaben in meinem Bereich zu priorisieren.“

Was sollten Bürger tun, wenn die Not groß wird?

Roland Kaiser: „Alle betroffenen Menschen sollten offensiv die Möglichkeit nutzen, Gelder zu beziehen und nicht warten, bis das Geld alle ist. Wenn wirklich alle Papiere zusammen sind, geht das recht zügig.“

Wohin kann man sich wenden?

Roland Kaiser: „Die Stadtverwaltung und das Jobcenter können betroffene Personen unterstützen. Möglicherweise besteht ein Anspruch auf Wohngeld oder auf unterstützende Leistungen des Jobcenters und des Sozialamts. Erste Informationen erhalten Betroffene auf der Webseite der Stadt Baden-Baden unter www.baden-baden.de/energiekrise sowie bei den auf der Seite genannten Kontakt- und Anlaufstellen. Der Antrag auf Wohngeld kann wie gesagt online gestellt werden.“

Hat die Abteilung von Iska Dürr, die Menschen vor der Wohnungslosigkeit bewahren will, nun mehr zu tun?

Roland Kaiser: „Wir haben eine hohe Dynamik durch hohe Flüchtlingszahlen. Da haben wir eine angespannte Situation. Aber ansonsten haben wir hier noch keinen besonders starken Zulauf zu verzeichnen.“

Hat Baden-Baden denn besondere Gestaltungsmöglichkeiten, um bedürftigen Familien zu helfen?

„Eine Gestaltungsmöglichkeit ist, dass wir das Sozialticket anpassen. Ich möchte nicht ausschließen, ob wir da im Dezember oder Januar noch das ein oder andere auf den Weg bringen. Das müsste dann im Gemeinderat behandelt werden. Es geht um die grundsätzliche Frage: Sollen eher Personen unterstützt werden, die nur knapp über dem Hartz-IV-Satz liegen? Dann ist die Frage: Können wir diese Personen bei Gebühren und Kosten entlasten? Alternativ könnten wir Unterstützungsleistungen ergänzen. Wir könnten theoretisch für Senioren den Hallenbadbesuch kostenlos anbieten. Oder Kindern freies Schulessen ermöglichen. Wir haben theoretisch viele Möglichkeiten, Vergünstigungen zu vergeben. Aber diese Gelder sind im Haushalt nicht vorgesehen. Etwas anderes wäre es, wenn hier Anträge aus dem Gemeinderat kämen.“

Fotos: Roland Kaiser