„Ich muss bald entscheiden, ob ich meine Pferde verkaufe“

12Juni
2020

Die Kutschfahrten gehören zu Baden-Baden wie der Prater zu Wien. Doch seit der Corona-Krise hat Sabrina Möller, selbstständige Kutscherin, existenzielle Probleme. Denn die Touristen blieben aus – es gab über Monate rein gar nichts zu tun. Zwar fördert die Stadt ihren Betrieb, doch längst nicht genug. Das Geld reicht gerade noch für ein, zwei Monate.

Neun Schlesierpferde stehen im Stall in der Gunzenbachstraße. Schweres polnisches Warmblut. Sie sind der ganze Stolz von Sabrina Möller. Das Fell der Pferde glänzt, die Mähne ist ordentlich gestutzt, der gewellte Schweif gekämmt. Täglich werden sie viele Stunden liebevoll umsorgt. Wer glaubt, mit Einspannen und Füttern ist es getan, irrt: Die Vierbeiner brauchen viel Pflege – und Training. Zwei Tage ist ein Pferd im Einsatz, um zusammen mit einem anderen eine der drei schwarz glänzenden Kutschen zu ziehen. Vier bis sechs Stunden, je nach Alter, arbeiten die Tiere, danach pausieren sie einen Tag.

Sie arbeitet aus Idealismus

Wer glaubt, ein Kutscher wird reich durch seine Arbeit, irrt. Ein Gehalt ausbezahlt hat sich Sabrina Möller seit Jahren nicht. Es braucht viel Idealismus, um ihre Arbeit zu tun. Doch ob sie jetzt noch über die Runden kommt, ist fraglich. „Ab 16. März mussten wir wegen Corona unsere Fahrten einstellen“, blickt die Chefin der Kutschenfahrdienste zurück. Am 18. Mai ging es dann moderat los mit ein paar Fahrten. Doch das Loch in der Kasse ist riesengroß. „An Pfingsten hätten wir normalerweise drei Kutschen gehabt, dieses Mal war nur eine im Einsatz.“

Die Kosten liefen trotz Corona weiter

Futter, Tierarzt, Helfer fürs Ausmisten, Füttern und das Bewegen der Tiere werden immer gebraucht. „Wir sind kein Unternehmen der Stadt Baden-Baden, sondern ein kleines, inhabergeführtes Einzelunternehmen. Wir führen den Kutschbetrieb mit vollem Herzblut und Leidenschaft aus Überzeugung“, versichert Sabrina Möller. Dass jetzt das Aus droht, wenn keine Hilfe kommt, schmerzt sie, auch wenn sie es sich nicht anmerken lässt. Die 39-jährige Mutter eines siebenjährigen Jungen reitet seit ihrem siebten Lebensjahr. Gelernt hat sie es einst Artur Roth, von dem sie den Pferdekutschenbetrieb vor ein paar Jahren übernahm.

Sie sucht nach Lösungen – und Finanzspritzen

„Bis zum Ende des Jahres brauche ich 70.000 bis 110.000 Euro, damit ich die Pferde halten kann“, erklärt sie. Die monatlichen Kosten für den Betrieb sind fünfstellig. Der Stadt machte sie den Vorschlag, sie anzustellen – um den Betrieb der Kutschfahrten weiter sicherzustellen. Bislang ließ man sich auf diesen Vorschlag nicht ein. Sabrina Möller ist eine Kämpferin, sie sucht weiter nach Lösungen. Sich von den Pferden trennen zu müssen: Das will sich die ehemalige Angestellte der Stadt Bühl nicht vorstellen müssen. Aufgeben ist für sie noch keine Option. Doch sie ist realistisch und weiß: „2020 wird das Jahr der Entscheidung.“

Einige Baden-Badener haben schon Hilfe angeboten

Hoffnung macht ihr das Engagement einzelner Bürger: Jemand hat Heu gespendet. Eine Yoga-Lehrerin will demnächst Kurse geben und Geld für die Kutscherin und ihre Pferde einsammeln. „Das macht Mut und Hoffnung“, freut sich Sabrina Möller. Jeder kann einen Beitrag leisten – indem er spendet, eine Kutschfahrt bucht oder einen Gutschein kauft, um eine allseits beliebte Baden-Badener Institution zu unterstützen. Was wäre die Allee ohne Hufgeklapper?

Mehr Infos gibt’s auf der Homepage: kutschfahrten-baden-baden.de

Foto: FBB-Archiv