Her mit Dorfläden und frischen Ideen!
05November
2019
Der „Eberschder Dorfladen“ hat gerade dichtgemacht, sehr zum Leidwesen der Hauenebersteiner Bürger. Die Nahversorgung in den Dörfern dünnt immer mehr aus. Was allen egal ist – doch für ältere Bürger und die Umwelt stellt das ein Problem dar. Ein Kommentar von Cornelia Mangelsdorf.
In meiner Kindheit war ich in den Ferien oft auf dem Bauernhof meiner Großmutter, in einem malerischen Ort im Odenwald, mit gerade mal sieben Häusern. Selbstredend gibt es dort bis heute weder einen Lebensmittelladen noch eine Telefonzelle. Der Bus fährt einmal am Tag. Deshalb machten früher mittwochs, donnerstags und samstags zwei Bäcker ihre Tour ins entlegene Dörfli, wie wir es zuhause nennen, um die Bewohner mit Brot, Kuchen und süßen Teilchen zu versorgen. Auch Kaffee und H-Milch hatten sie im Gepäck, manchmal auch abgepackten Käse.
Gerade am Wochenende war ich wieder in meinem Bilderbuch-Ort und dachte genau an jene Bäcker zurück. Ihre Läden, im benachbarten, größeren Dorf, haben sie längst dichtgemacht. Den Bäcker Fritz mit seiner dicken schwarzen Brille und seinem Kofferraum voller Köstlichkeiten werde ich trotzdem nie vergessen. Er war immer lustig und nett. Und er hat mein heißgeliebtes Dorf immer treu versorgt.
Die Dörfer verlieren ihren Charme, wenn die kleinen Geschäfte dichtmachen. Sie werden unwirtlich, wenn der Umschlagplatz für Neuigkeiten, Eier und Knabberzeug auf einmal wegstirbt.
Dass nun auch der Dorfladen in Haueneberstein geschlossen hat, ist traurig. Dort war Diebstahl das Problem, mit dem sich die beherzten Betreiber herumschlagen mussten. Erst im Januar war der Laden, der per Automaten seine Kunden versorgte, eröffnet worden. Die Bürger nahmen ihn gut an, auch, weil der Edeka-Laden gerade nicht zur Verfügung steht.
Auch in Balg gab es früher einen kleinen Krämerladen an der Hauptstraße und noch ein anderes Lädchen. Auch samstags hatte es auf. Man bekam dort fast alles: frische Milchprodukte, Wurst, Kaffee, aber auch Obst und Gemüse. Jetzt, wo die Lädchen fehlen, muss man für jeden Kopf Salat, für jedes Paket Kaffee in die Stadt fahren.
Ich frage mich oft, wie die alten Menschen in den Dörfern zurechtkommen, wenn sie ein frisches Brot brauchen, aber nicht mehr Auto oder Bus fahren können und niemanden haben, der ihnen etwas mitbringt. Eine alte Dame erzählte mir kürzlich, dass sie den Einkaufsdienst einer Baden-Badener Einrichtung in Anspruch nehmen wollte. Sie war gestürzt und konnte das Haus nicht verlassen. Der angefragte Dienst verlangte allerdings 35 Euro pro Stunde fürs Einkaufen. Woraufhin die Rentnerin beschloss, sich mit ihren spärlichen Vorräten zu begnügen. Manchmal kommt es mir vor, als lebten wir in einem Entwicklungsland, auch hier, im reichen Baden-Baden.
Die Kurstadt bewirbt sich gerade darum, als familienfreundliche Stadt ausgezeichnet zu werden. Zur Familie gehören auch die alten Menschen. Auch für ihr Wohl sollte man auch einmal über Strukturen nachdenken, die helfen, die Menschen in den kleinen Ortschaften zu versorgen. Klar ist auch, dass Erledigungen, die man schnell mal zu Fuß erledigen kann, die Umwelt schonen und den Verkehr entlasten.
Was ich mir wünsche? Eine innovative Stadtverwaltung, die Projekte in dieser Richtung anschiebt. Warum startet man nicht ein Förder-Projekt und versucht, leerstehende Ladengeschäfte für kleines Geld zu vermieten, damit auch die Dörfer eine gute Nahversorgung haben?
Warum fragt man nicht den Handel, ob er einen Test starten will und Waren ausfährt, so wie die Bäcker meiner Kindheit? Ja, das kostet Geld und Arbeitskräfte. Aber dafür bekommt man Sympathien und Dankbarkeit.
Ich hätte noch einen anderen Vorschlag: dass die Verkehrsbetriebe wenigstens einmal im Monat einen „Black Friday“ starten, an dem ihre Fahrgäste für 50 Cent von A nach B kommen, anstatt 2,60 Euro für eine Zwei-Waben-Fahrt zu zahlen. Macht 5,20 Euro hin und zurück. Denn das ist teuer, wenn man nur mal los will, um ein Brot für zweifünfzig zu kaufen.
Foto: Ben Becher