„Helfen, damit benachteiligte Kinder ihren Platz in der Gesellschaft finden“

11April
2019

Viola Liesen, FBB, betreut seit vielen Jahren Förderschüler ehrenamtlich bei den Hausaufgaben. Es ist ein kleiner Beitrag, aber er ermuntert Kinder zu lernen und ihren Weg zu machen. Ein Interview.

Frau Liesen, wo engagieren Sie sich ehrenamtlich?

Viola Liesen: „In der Theodor-Heuss-Förderschule. Deren Aufgabe ist es, durch intensive schulische Zuwendung geistige, sprachliche oder soziale Defizite benachteiligter Kinder  so auszugleichen, dass sie vielleicht eine weiterführende Schule besuchen können und damit die Chance auf eine solide Berufsausbildung bekommen. Was mir sehr gut gefällt, ist das Leitmotiv der Schule: dass der Einzelne mit seinen Fähigkeiten und Möglichkeiten im Mittelpunkt steht und nicht mit seinen Beeinträchtigungen.“

Und seit wann?

Viola Liesen: „Ich gebe zu, als schulischer Begleiter für Physik oder Mathematik wäre ich eine glatte Fehlbesetzung. Aber was den sprachlichen Bereich angeht, da bin ich nach einer langen journalistischen Karriere fit. Bei einem langen Gespräch mit dem Rektor Wolfgang Sennhenn, den ich vor mehr als fünfzehn Jahren bei einer Geburtstagsparty kennengelernt habe, brachte er mich auf die Idee, an der Förderschule mitzuhelfen. Um dem einen oder anderen Kind zusätzlich zum Unterrichtsstoff ein bisschen in Sachen Deutsch auf die Sprünge zu helfen. Das ist eine Ewigkeit her, aber es macht immer noch viel Freude.“

Was tun sie genau?

Viola Liesen: „Früher waren es pro Woche zwei Schulstunden während des Unterrichts, in denen ich mit einzelnen Kindern Texte gelesen und Diktate geschrieben habe. Heute gehe ich einmal in der Woche nachmittags zur Hausaufgabenbetreuung. Dafür ist nur eine Stunde vorgesehen, aber das ist für die kleineren Kinder bis zehn, elf Jahren auch genug. Je näher der Uhrzeiger auf 15 Uhr rückt, desto mehr lässt die Konzentration nach, desto hibbeliger werden sie – dann aber nichts wie raus an die frische Luft.“

Was sind die Bedürfnisse Ihrer Schützlinge?

Viola Liesen: „Kein Kind hat – das wissen die meisten aus eigener Erfahrung – Lust zu lernen, besonders wenn es schwerfällt. Aber wenn die Hausaufgaben dann gemacht sind, mit ein bisschen Nachhilfe der Hausaufgabenbetreuer, dann spürt man die Erleichterung und auch Freude, es geschafft zu haben! Dann kann man Fußball spielen gehen.“

Was begeistert Sie besonders?

Viola Liesen: „Worüber ich immer wieder fasziniert bin: von diesem Engagement des gesamten Kollegiums der Theodor-Heuss-Förderschule. Denn über eines muss man sich im Klaren sein – diese Kinder kommen oft aus allerschwierigsten Verhältnissen, haben große sprachliche und soziale Defizite. Da braucht es extrem viel Geduld, Toleranz, ja, und ganz viel Begeisterung und Liebe zu diesem Beruf und zu den Kindern. Die ja teilweise aggressiv sind und in ihrer Hilflosigkeit manchmal verzweifelt um sich schlagen – nicht nur verbal. Wer diesen Beruf und die damit verbundene Belastung über Jahre hinweg durchhält, hat meine allergrößte Bewunderung.“

Was motiviert Sie, zu helfen?

Viola Liesen: „Wie hat Kennedy in seiner bewegenden Antrittsrede als US-Präsident gesagt: ,Frage nicht, was dein Land für dich tun kann, frage, was du für dein Land tun kannst. Mir hat dieses Land sehr viel gegeben, nur einen winzigen Teil davon kann ich zurückgeben. Aber wenn dieser kleine Teil kleinen Menschen hilft, anständig groß zu werden, einen Platz in der Gesellschaft zu finden – und wenn man aus diesen vielen Sprachen, Talenten, Religionen eine tolle gemeinsame Zukunft und damit ein großartiges, gemeinsames Europas formen könnte, in dem alle ihren Platz finden, egal wo sie herkommen und was sie können – wäre ich sehr glücklich!“