Es lebe die Mittelstadt!
09März
2021
Die Abwanderung von Familien aus den Großstädten Baden-Württembergs setzt sich fort: Besonders Stuttgart und Freiburg im Breisgau sind betroffen. Gleichzeitig boomen Mittelstädte. Auch Baden-Baden ist eine solche. Doch, boomt sie auch?
Stuttgart, Freiburg, Ulm, Mannheim, Karlsruhe, Heilbronn, Pforzheim, Heidelberg und Reutlingen: Familien wandern verstärkt aus den neun Städten Baden-Württembergs mit mehr als 100.000 Einwohnern ab, so das Ergebnis einer aktuellen Auswertung des Statistischen Landesamtes. Von 2017 bis 2019 zogen im Schnitt 16 von 1.000 deutsche Familien aus diesen neun Städten fort. Im Zeitraum 2008 bis 2010 waren es dagegen nur etwa halb so viele.
Immer mehr wollen in den Speckgürtel
Die Abwanderung hat sich damit in allen Großstädten des Landes verstärkt. Am höchsten war sie zuletzt in der Landeshauptstadt Stuttgart, gefolgt von Freiburg im Breisgau. Diesen Trend, dass immer mehr Familien die Zentren verlassen, führt das Statistische Landesamt vor allem auf eine zunehmende Wohnungsknappheit und damit verbunden erheblich gestiegene Wohnungskosten zurück; davon seien Familien in besonderem Maße betroffen.
Der Trend wird sich noch verstärken
Aus Sicht des Statistischen Landesamtes spricht einiges dafür, dass dann, wenn sich einerseits an der Wohnungsknappheit und den dadurch verursachten hohen Wohnungskosten in den Zentren nichts zum Positiven ändert und andererseits der durch die Corona-Krise beschleunigte Trend zum mobilen Arbeiten weiter anhält, sich der Fortzug aus den Großstädten insbesondere von Familien mittel- und langfristig weiter verstärken dürfte.
Mittelgroße Städte boomen
Die Mittelstädte – mit 20.000 bis 100.000 Einwohnern – holen dagegen auf. Zwischen 2011 und 2017 wuchsen sie um 3,2 Prozent. Das hat das Bundesinstitut für Bau-, Stadt- und Raumforschung (BBSR) in einer 2019 veröffentlichten Studie ermittelt. Das war aber längst nicht immer so: Mittelstädte waren früher eher die Stiefkinder – wer wollte schon nach Gießen, Landshut, Böblingen? Diese drei Städte profitieren aktuell am meisten von diesem Trend, sie wuchsen um mehr als zehn Prozent. So schön München, Hamburg und Berlin auch sein mögen: Fast jeder dritte Deutsche lebt in einer mittelgroßen Stadt.
Gretchenfrage: Was macht eine Mittelstadt attraktiv?
Darauf hat Brigitte Adam, Expertin des BBSR und Autorin der Studie, eine klare Antwort: „Erste Voraussetzung für einen Anstieg der Bevölkerung ist das Vorhandensein von Wohnraum.“ Mit Blick auf Baden-Baden kann man klar sagen: Bezahlbarer Wohnraum fehlt! Gebaut wird vor allem im Luxus-Sektor. Familien mit zwei oder drei Kindern können sich die Innenstadtpreise kaum leisten. Adam weist auf noch einen anderen Vorteil hin, denn günstiger Wohnraum allein reiche nicht für den Zuwachs. Besonders gute Karten für das Wachstum haben Städte mit Unis oder Hochsuchulen: „Größere Universitäten haben sich als ein Attraktivitätsfaktor erwiesen“, so die Expertin. Auch hier muss Baden-Baden passen. An der EurAKa, der Diploma oder Victoria-Hochschule mit nur mäßigen Studentenzahlen kann die Kurstadt keine Hochschule von nennenswerter Größe vorweisen.
Auch die Generation 50plus schätzt mittelgroße Städte
Doch nicht nur Youngster finden kleinere Städte spannend. Es sind auch die Älteren, die die Übersichtlichkeit einer Mittelstadt schätzen. „Der größte Teil der Mittelstädte verzeichnete in den vergangenen Jahren einen positiven Saldo bei der Generation 50plus“, so Stadtforscherin Adam. Was die Attraktivität einer kleineren Stadt ausmacht, liegt auf der Hand: Laut der Forscherin sind gute Erreichbarkeiten, seniorengerechte Neubauten, lebendige öffentliche Räume, das Angebot an Stadtgrün oder die medizinische Versorgung entscheidende Vorteile.
Baden-Baden ist eine Mittelstadt mit vielen sympathischen Seiten. Nutzen wir sie!
Foto: Pixabay.com/Ben Becher