Erst Flüchtling – jetzt Friseurmeisterin

08Oktober
2018

Shaha Al-Abdal kam als 15-Jährige aus dem Irak in unsere Stadt. Sie sprach kein Wort Deutsch, doch sie wollte lernen und etwas aus ihrem Leben machen. Am 1. September 2018 hat die Friseurmeisterin ihren eigenen Salon eröffnet. Sie ist ein lebendiges Beispiel für gelungene Integration.

55.621 Einwohner hat unsere Stadt, davon 10.801 mit ausländischer Staatsangehörigkeit. 153 von ihnen stammen aus dem Irak. So wie Shaha.

Es ist ein sonniger Morgen und noch warm: Shaha zieht die drei weißen Rollläden ihres Friseursalons hoch. Sie sind schwer, doch die zierliche junge Frau strahlt Kraft und Freude aus. Woche drei ihrer Selbstständigkeit: Mit ihren 25 Jahren schreibt Shaha bereits Erfolgsgeschichte. Die junge Irakerin hat in der Sinzheimer Straße 22 ihr eigenes Geschäft eröffnet – ziemlich genau zehn Jahre, nachdem sie aus Trümmern nach Baden-Baden kam. „Jeder Anfang ist schwer“, sagt die hübsche junge Frau mit ihrer warmen, ruhigen Stimme. Der Anfang liegt hinter ihr.

Aufbruch aus dem Kriegsgebiet

Mit 15 Jahren verlässt Shaha zusammen mit ihrer Mutter und den Brüdern ihre Heimat in der Nähe von Mossul. Der Vater hat bereits 2001 den Irak verlassen, um in Deutschland Arbeit zu finden und für die Familie eine neue Existenz aufzubauen. Im Irak herrscht Krieg, der Alltag wird immer gefährlicher. Die Heimat – vom Islamischen Staat umkämpft.

Die Kindheit – geraubt

Die Familie von Shaha sind Jesiden. Diese religiöse Minderheit, deren ursprüngliche Siedlungsgebiete im Irak, in Syrien und in der Türkei liegen, wird verfolgt. „Schon als ich geboren wurde, war Krieg“, erzählt Shaha, was auf Persisch so viel wie „Königin“ heißt. Königlich war ihre Kindheit aber nicht: „Wir hatten immer Angst und wussten nicht, ob wir den nächsten Tag noch erleben“. Sie wird nachdenklich: „Religion spricht doch nicht von Krieg! Mensch ist Mensch, egal welcher Herkunft.“

Allein mit der Mutter und den Brüdern

2008 darf der Vater die Familie nach Deutschland holen, nach langen Jahren der Sorge und Entbehrung. Kontakt zueinander hielt man, so gut es ging, übers Telefon. „Handys gab es nicht. Meine Mutter musste mit dem Bus zu einem öffentlichen Telefon in die Stadt fahren, um einmal im Monat mit meinem Vater zu sprechen. Da wir kaum Geld hatten, durfte immer nur ein Kind mitfahren, um auch einmal mit ihm sprechen zu können“, erinnert sich Shaha.

Neuanfang in einem fremden Land

Auf deutschem Boden angekommen, wundert sich die junge Jesidin erst einmal: über die kurzen Kleider, die die Frauen hier tragen dürfen und die jungen Menschen, die sich auf offener Straße küssen. So etwas hat sie noch nie gesehen. Es ist ihr zunächst fremd. Doch Shaha ist angetan von diesen Menschen mit ihrer hellen Haut, den blonden Haaren und blau-grünen Augen.

Harte Lehrjahre

Die 15-jährige Shaha spricht nur Kurdisch und Arabisch – kein Wort Deutsch. Anfangs kommt die Familie bei Verwandten in Baden-Baden unter, dort lernt sie die ersten Brocken Deutsch. Nach wenigen Wochen kommt sie in die siebte Klasse der Realschule. „Ich bin freundlich aufgenommen worden“, erzählt Shaha, „anfangs war es für mich schon schwer und ich wurde auch manchmal ausgelacht, weil ich so viele Fehler machte. Aber mit der Zeit wurde das besser. Meine Klassenlehrerin hat mich immer sehr unterstützt.“ Shaha hat von ihrem Vater gelernt: Es ist wichtig, etwas zu leisten im Leben. Morgens büffelt sie der Schule, nachmittags bekommt sie zusätzlich Deutschunterricht.

Immer ein Ziel vor Augen

Mit 18 macht sie ihren Hauptschulabschluss, beginnt ihre Lehre zur Friseurin. Sie macht ihre Gesellenjahre und legt schließlich ihre Meisterprüfung ab. Bald darauf eröffnet sie ihr eigenes Geschäft. Dabei hilft ihr die ganze Familie: Beim Umbau sind der Vater, die Brüder und deren Freunde dabei. Der Zusammenhalt in der Familie ist groß, der Anspruch an sich selbst ebenso. Shaha hat weitere Pläne: Sie möchte später einmal Berufsschullehrerin werden. An Zielen mangelt es ihr nicht – und bei der Entschlossenheit wird sie diese bestimmt erreichen. „Wenn man etwas will, ein Ziel vor Augen hat, dann kann man alles schaffen“, sagt sie und strahlt. Shaha ist glücklich, an einem Ort zu leben, an dem Frieden herrscht. Deutschland ist ihre geliebte Heimat geworden.

Quellen:
Einwohner- und Ausländerzahl, Stand 30.6. 2018: Stadt Baden-Baden.

Irakische Einwohner in Baden-Baden, Stand 1.1.2018: Ausländerzentralregister, Statistisches Bundesamt

Foto: FBB