„Ich kann als Stadtrat nicht zulassen, dass Einzelne auf Kosten der Allgemeinheit einen Riesenprofit machen“

28August
2020

Nicht Einzelne bei Bauvorhaben begünstigen, sondern das Wohl aller Bürger im Sinn haben und entsprechend handeln: Martin Ernst, Chef der FBB, will sich für eine Kehrtwende in der städtischen Baupolitik einsetzen.

Bauen, Immobilien verwalten oder solche verkaufen: Davon versteht Martin Ernst etwas. Das ist seit Jahrzehnten sein Kerngeschäft. Und er ist sehr erfolgreich. Der einst angefeindete Gründer der FBB, der sich oft mit unbequemen Äußerungen einmischt in die Stadtpolitik, hat sich im Sommer-Interview mit goodnews4 unter anderem über die marode Wohnungsbaupolitik der Stadt geäußert. Bauland, vor allem in der Innenstadt, ist rar und sehr gefragt – und dementsprechend teuer. Doch Baden-Baden wird immer mehr zum Pflaster jener, die jeden Preis bezahlen können. Der Aufschrei der „volksnahen Parteien“, sprich, den anderen Kollegen aus dem Gemeinderat, bleibt jedoch weitgehend aus.

Die Macht des Gemeinderates

„Als Stadtrat sage ich, dass bei der Wohnraumpolitik das ganzheitliche Denken fehlt“, moniert Martin Ernst. Und er geht noch weiter. Er stellt so manche Entscheidungen infrage, die so manche Personenkreise begünstigt hätten. „Weise ich dieses Baugebiet aus, mache ich diese Grundstückbesitzer zu Millionären, weise ich ein anders aus, mache ich jene Grundstückbesitzer zu Millionären“, resümiert Martin Ernst die Macht der Stadtverwaltung und des Gemeinderates, Einzelne reich zu machen.

An die Bürger denken

Der Immobilienexperte spricht sich für eine Wohnungsbaupolitik aus, die die Bürger an erste Stelle stellt. Die Verwaltung müsse ihren Entscheidungsspielraum zu deren Gunsten einsetzen. „Als Immobilienunternehmer kann ich nur sagen, dass diese Wertschöpfung hier von einzelnen Bauträgern abgeschöpft wird. Es wurde mal gesagt, dass im SWR-Areal Wohnraum für Familien gebildet werden soll, nur wenn Sie jetzt diese ganzen Preise sehen, die da aufgerufen werden, dann hat die Stadt keine Möglichkeit, dass sie Preise gestalten kann. Ich würde mir sehr, sehr wünschen, dass wir für die Zukunft anders agieren.“

Die Luxus-Ausrichtung grenzt Normalverdiener aus

Die Sorge von Martin Ernst ist berechtigt: Wohnungen im Luxus-Segment in der Innenstadt gibt es reichlich. Wenn nun wieder am SWR und Vincenti-Areal um die 400 Wohnungen im hochpreisigen Segment entstehen, bleiben Familien oder Alleinstehende mit einem durchschnittlichen Verdienst auf der Strecke.

Gegen Profitmache

Für Martin Ernst ist also nicht nur die SWR-Bebauung ein Negativbeispiel, sondern auch das Vincenti-Areal. Und er weist auf ein aktuelles Bauprojekt hin. „Wir diskutieren gerade über das Eberts-Areal. Die Stadt muss endlich dazukommen, dass sie bei der Wohnraumpolitik gestaltet. Sie lässt sich diese Gestaltung von einzelnen Bauträgern aus der Hand nehmen und da spreche ich gegen meinen Job als Immobilienunternehmer. Ich kann als Stadtrat nicht zulassen, dass Einzelne auf Kosten der Allgemeinheit einen riesen Profit machen. Das ist dringend zu ändern.“

Foto: Ben Becher