Der Zauber des Schulanfangs
02September
2024
Nicht mehr lange, dann enden die großen Ferien und in Baden-Württemberg geht wieder die Schule los. Cornelia Mangelsdorf erinnert sich an das beflügelnde „Alles auf Anfang“.
Den Geruch neuer und frisch angespitzter Buntstifte werde ich wohl nie vergessen. Ich verbinde ihn mit Schulanfang nach den Sommerferien. Die von Faber Castell schrieben so schön cremig. Doch ich leistete sie mir eigentlich erst, als ich erwachsen war. Zurück zur Schulzeit: Neue appetitliche Schulhefte, ganz ohne Eselsohren und Schmierereien, die neuen Stifte, der Füller: All dies sagte mir, ich kann wieder ganz von vorn beginnen und mich neu bewähren, für bessere Noten und ein Schuljahr mit, sagen wir vielleicht, weniger Stress und Unordnung.
So viele gute Vorsätze
Der Schulanfang nach den großen Ferien hat seine ganz eigene Magie. Man fühlt sich quasi wie neu – und unbesiegbar. Die Müdigkeit der langen Schulwochen – verflogen! Der Frust in manchen Fächern – vergessen! Mit neuer Kraft und neuem Federmäppchen ist es doch ein Leichtes, das Klassenziel zu schaffen. Gebräunt, erholt, aufgekratzt: Es ging uns gut! Und, ganz nebenbei, wurde man fürs neue Schuljahr von den Eltern neu eingekleidet. Auch das Kinderzimmer sah zum ersten Mal seit langem wieder ordentlich aus, weil die Mutter großes Aufräumen verordnet hatte.
Es lebe die „Rentrée“
In Frankreich zieren dieser Tage hübsche Dekorationen für die „Rentrée“ die Schaufenster der großen Kaufhäuser. Denn die „Rentrée“ – das ist der Schulanfang, aber auch die Rückkehr ins Büro –, wird dort richtig zelebriert. Eltern und Großeltern gehen mit den Kindern einkaufen und staffieren sie aus, als komme es nur auf den Schulanfang an. Unsere Nachbarn im Westen machen da Jahr für Jahr eine große Sache daraus. Neben der Rentrée scolaire (frz. „Rückkehr an die Schule“) gibt es auch die Rentrée politique (frz. „politische Rückkehr“), also die Wiederaufnahme der politischen Aktivitäten in Regierung und Parlament, die Rentrée littéraire (frz. „literarische Rückkehr“, also die Veröffentlichung von Büchern auf den Zeitpunkt der Rentrée) sowie die Rentrée du cinéma (frz. „Rückkehr ins Kino“), mit speziellen Vergünstigungen für Kino-Eintritte während der Zeit der Rentrée. Auf diese Zeit zwischen Ende August und Anfang September fallen im kulturellen Bereich auch die Eröffnung der Theater- und Ausstellungssaison.
Viel Neues im September
Kein Wunder also, dass diese Wieder-Zurück-Sein zelebriert wird. Das Theater hat einen neuen Spielplan! Im Fernsehen laufen endlich nicht nur Wiederholungen! Der Gemeinderat nimmt wieder seine Arbeit auf! Zurück sein heißt eben auch: Volle Kraft voraus.
Das Sehnen nach den nächsten Ferien
Ich bin ganz ehrlich: Meine Euphorie fürs neue Schuljahr hielt meist nur bis zu den Herbstferien. Sobald die erste Physik-Arbeit anstand, wollte ich am liebsten Reißaus nehmen und schon längst nicht mehr mit guten Noten glänzen. Das Schulheft hatte schon wieder Kleckse und viele Seiten waren mit Blümchen übersät, die ich vor Langeweile neben die mir unverständlichen Physik-Formeln zeichnete. Ich sehnte die Ferien herbei. Und, zum Glück, waren ja auch bald schon wieder Herbstferien!
Ein bisschen Kind bleiben
Das ist das Glück der Schulkinder: Nach den großen Ferien kommen wieder Ferien. Und nach den Herbstferien kommt Weihnachten und dann sind wieder Ferien.
Es kommt mir vor, als sei ein großer Teil des Schülerlebens angefüllt mit der Vorfreude auf die nächste schulfreie Zeit. So ganz ändern wir uns aber auch als Erwachsene nicht, sehnen wir uns doch oft nach einem schönen Urlaub zum nächsten hin. Und das ist gut so: Solang wir uns vorfreuen können, ist es noch da, das Kind in uns.
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