Der letzte Ausweg, die Wohnung nicht zu verlieren

30August
2019

Menschen helfen, denen das Zuhause wegzubrechen droht: Darum kümmern sich Katharina Rebmann-Kraft, Iska Dürr und Peter Weingärtner von der Arbeitsstelle Wohnraumsicherung. Was sie tun, ist für viele Betroffene der rettende Anker.

Es kann fast jeden treffen: Nach dem Tod des Ehemannes erfährt die Witwe von horrenden Schulden. Oder da ist dieser Junge, der sich mit drei, vier Handy-Verträgen und einem Kredit für ein Auto völlig übernommen hat. Die Familie, die eine kostspielige Wohnung anmietete – doch als der Vater, Alleinverdiener, den Job verliert, droht der Mieter mit Kündigung. Viele Dinge können dazu führen, dass Menschen mit der Miete in den Rückstand kommen, Nebenkosten nicht mehr zahlen können, eine Räumungsklage droht. Und was dann?

Städtische Helfer, die mit Rat und Tat zur Seite stehen

Zum Glück gibt es die Arbeitsstelle Wohnraumsicherung. Hier kümmern sich Iska Dürr, Leiterin des städtischen Fachbereichs Bildung und Soziales, ihr Kollege Peter Weingärtner, Leiter des Fachgebiets Soziale Leistungen sowie Sozialarbeiterin Katharina Rebmann-Kraft um die Betroffenen. Dafür brauchen sie Geduld, gute Kontakte, ein Gespür für Menschen und manchmal auch Improvisationstalent. Den meisten kann geholfen werden, indem die Stadt beispielsweise Mietrückstände begleicht. Denn: Ist erst einmal jemand wohnungslos, kostet es die Gemeinde noch mehr Geld.

Eine Erfolgsgeschichte für (fast) alle

Mit dieser „ersten Hilfe“ kommen viele Menschen wieder auf die Beine. Die Zahlen sprechen für sich: 2017 gab es insgesamt 134 Fälle von drohender Wohnungslosigkeit, von denen 132 abgeschlossen wurden. In 115 Fällen konnte verhindert werden, dass die Menschen ihre Bleibe verlieren. 2018 gab es 183 Fälle, von denen 151 abgeschlossen wurden. In 145 Fällen hatte das Team Erfolg.

Probleme an der Wurzel packen

Katharina Rebmann-Kraft ist seit April 2017 auf ihrer Stelle. Iska Dürr: „Es war die Intention, auf die Situation Wohnungslosigkeit nicht nur aus der Verwaltungsperspektive zu schauen, sondern auch auf die Gründe dafür. Es geht bei den betroffenen Bürgern auch nicht immer nur um das Thema Mietschulden. Manchmal ist es auch ein mietwidriges Verhalten – wie etwa das Zumüllen der Wohnung – das zum drohenden Beenden des Mietverhältnisses führt. Dahinter steckt ein psychisches Problem. Deshalb ist uns wichtig zu fragen: Was ist die Ursache der Mietsorgen?“

Aktiv auf die Betroffenen zugehen

Hier leistet die Sozialarbeiterin ganze Arbeit: Sobald sie über das Amtsgericht von einer Räumungsklage erfährt, nimmt sie Kontakt auf zu den Betroffenen. Fast alle plagt Existenzangst – doch je früher die städtischen Helfer von der Misere erfahren, desto besser können sie helfen.

Die Not kann schnell kommen

Peter Weingärtner: „Was sich durch viele Fälle durchzieht ist die Erkenntnis, wie schnell es passieren kann, dass Menschen in Not geraten, auch solche, die in weitestgehend geordneten Verhältnissen gelebt haben und Einkünfte hatten. Dann bricht zum Beispiel der Job weg und die Probleme mit den laufenden Kosten fangen an.“

Katharina Rebmann-Kraft benennt Momente, die nicht einfach sind: „Ich finde es schwierig, wenn Kinder mit betroffen sind oder ältere Menschen auf einmal in Not geraten. Das ist schon traurig.“

Die Scheu, Hilfe in Anspruch zu nehmen

Geringe Rente, Schulden, Scheu: Viele Betroffene gehen erst mal nicht zum Amt. Manchmal kommen die Vermieter auf die Fachabteilung zu und fragen, ob die Mitschulden von der Stadt übernommen werden könnten. „Das Gros der Vermieter ist verständnisvoll und froh, wenn der Kontakt zum Amt zustande kommt“, erklärt Iska Dürr. Und fügt hinzu: „Grundsätzlich gibt es keine Beschränkung unserer Hilfe. Das Gesetz sagt, Mietrückstände können dann übernommen werden, wenn man das Mietverhältnis retten kann. Wenn wir eine gute Perspektive haben, gibt es wenig Grenzen. Der Vermieter muss einverstanden sein. Und wir müssen beurteilen: Derjenige kann das auch schaffen.“

Hilfe von allen Seiten leisten

Die Menschen, denen das Team hilft, sind zwischen 18 und 80 Jahre alt. Zum Glück ist die Abteilung gut vernetzt und setzt sich dann mit den Betroffenen an einen Tisch, auch mit den Vermietern oder Experten aus der Schuldnerberatung. Oft besteht bei älteren Menschen oder Berufstätigen auch ein Leistungsanspruch, der nicht wahrgenommen wird. Dürr: „Die Wege in Baden-Baden sind kurz, so kommen wir mit den Kollegen aus dem Jobcenter oder anderen Abteilungen schnell zusammen und können Lösungen finden. Auch zu den Stadtwerken und der GSE haben wir gute Kontakte.“

Es gibt immer einen Ausweg

Oft drängt die Zeit – weil bereits ein Räumungstermin ansteht. „Dann kann man auf den letzten Drücker versuchen, das Aussetzen der Räumung zu erreichen, indem man versucht, die wirtschaftliche Komponente zu lösen. Das ist dann ein Zeitfenster von drei, vier Wochen“, so Katharina Rebmann-Kraft. „Wenn die Klage eingeht, lade ich ein zum Termin oder ich fahre auch vorbei und schaue, dass ich jemanden antreffe.“ Dass Tränen fließen und die Nerven blank liegen, ist eher die Regel als die Ausnahme. Wenn das Mietverhältnis nicht gerettet werden kann, gibt es die Möglichkeit, dass die Betroffenen in Notunterkünften unterkommen. Auf die Straße muss niemand.

Bezahlbarer Wohnraum fehlt

Doch ein Grundproblem bleibt, um Menschen, die aus ihrer Bleibe raus mussten, wieder in einem geordneten Leben zu verankern. Iska Dürr: „Wohnraum zu angemessenen Preisen ist knapp.“ Wer welchen zur Verfügung stellen kann oder welchen weiß, soll sich gern bei der Abteilung melden!

Prävention und Beistand

Dürr will künftig mehr auf Prävention setzen und das Thema Schulden auch in die Schulklassen bringen, damit schon Kinder und Jugendliche sensibilisiert werden. „Wir sind auch an einem neuen Projekt dran: Es geht dabei um einen Lotsen, der dabei helfen soll, dass Betroffene ab 25 Jahren eine eigene Wohnung finden und sie auch behalten.“ Man kann ihr und ihrem engangierten Team nur Glück wünschen.