Abschied von einem ehrenwerten Kämpfer
13Juli
2021
Prof. Dr.-Ing. Günter Pritschow ist am 14. Juni verstorben. Gerade wurde er mit einer beeindruckenden Trauerfeier bestattet. Wir erinnern uns an einen Freund und Visionär. Günter Pritschow war eines der elf Gründungsmitglieder der FBB.
„Er hat so gern gelebt“, sagt seine Frau Wally über ihn. Für Günter Pritschow war das ganze Leben ein Fest, dem er mit seinem unglaublichen Erfindungsgeist, seinem Tatendrang, aber auch seinem Humor, seiner Großzügigkeit und Musikalität so viel Tiefe und Bedeutung gab. Wer ihn als Freund hatte, schätzte sich glücklich, zumal er trotz der hohen Weihen seines Berufslebens stets bescheiden blieb.
Ein Leben voller Auszeichnungen
Ingenieurwissenschaftler, Hochschulprofessor, Studiendekan, Rektor, Träger des Bundesverdienstkreuzes 1. Klasse, Mitglied unter anderem der Leopoldina, liebevoller Vater, Großvater, Ehemann: Die Welt hat einen besonderen Schatz verloren. Günter Pritschow ist nach langer Krankheit und nach einem erfüllten Leben von uns gegangen.
Waschechter Berliner
Geboren ist Günter Pritschow in Berlin im Jahre 1939. Nach dem Abitur studierte er Elektro- und Nachrichtentechnik an der TU Berlin. Schon bald danach begann eine steile Karriere zwischen Industrie und Wissenschaft. Nach einer Station bei Siemens zog es ihn wieder an die Uni, zwecks Promotion. Im Anschluss wurde er Gesamtentwicklungsleiter der Nachrichten- und Kabeltechnik bei Siemens. Doch das war ihm nicht genug. Die Wissenschaft lockte ihn erneut, er nahm einen Ruf auf die C-3-Professur im Bereich Automatisierungstechnik für Qualitätssicherung und Fertigung an der TU Berlin an. Weitere Schwenks in Richtung Industrie und Forschung folgten, ebenso ein Umzug ins Schwäbische.
Fleiß und Neugier als Triebfedern
Günter Pritschow hat mehrere 100 Veröffentlichungen und viele Bücher geschrieben. Er hatte unzählige Funktionen in der Industrie, an Universitäten, in zahlreichen wissenschaftlichen Einrichtungen und Akademien. Er wurde in verschiedene Aufsichtsräte und Beiräte berufen, so etwa von Unternehmen wie Bosch. Er war Mitglied im Universitätsrat der TU Chemnitz, im Landesforschungsbeirat Baden-Württemberg, Präsident der Wissenschaftlichen Gesellschaft für Produktionstechnik und vieles mehr. Seine Verdienste in Forschung und Lehre waren vielfältig und so trug er gleich mehrere Titel: Er war Prof. Dr.-Ing. Dr. h.c. mult. Dr.-Ing. E.h. Doch bei all den hohen Ämtern, die ihm hohes Ansehen verschafften, ist er immer menschlich und nahbar geblieben.
Umzug nach Baden-Baden – und eine politische Mission
Schließlich fand er eine neue Heimat in Baden-Baden. Hier gründete er die FBB mit. Sein großes Ziel war, in der Kurstadt eine Fachhochschule zu etablieren. Erste Anstrengungen in diese Richtungen hatte er noch unternommen. Die Neugründung eines Studienstandortes wäre für ihn nicht das erste Mal gewesen. Erfahrung, Kontakte, ein Gespür für und die Liebe zu den Menschen hatte er im Überfluss. Sogar noch im Ruhestand wurde er Gründungsbeauftragter des neuen Hochschulcampus Tuttlingen der Hochschule Furtwangen. Hier stellte er unter Beweis, wie man an einem neuen Ort eine Fachschule etabliert.
Die Stadt lag ihm am Herzen. Seine zweite Ehefrau Wally sagte über ihn: „Er freute sich stets, nach unseren Reisen nach Hause in unsere schöne Stadt zurückzukommen.“ Und sie fügt hinzu: „Er liebte die badische Lebensart, die Nähe zu Frankreich und den Schwarzwald wie auch das soziale Leben mit den Freunden.
So einen wie Pritschow hatte man gern zum Freund
Er genoss private Einladungen, verbunden mit tiefschürfenden Männergesprächen. Für seine hochkarätigen musikalischen Einlagen am Klavier oder Akkordeon wurde er hochgeschätzt, ebenso für die lustigen Trinksprüche und seine Lieblingsgedichte, die er ungefragt gerne zum Besten gab.“ Auch hier blitzte der lebensfrohe Mensch Günter Pritschow wieder heraus, der bis ins hohe Alter nichts von seiner Wachheit und seinem schelmischen Charme verlor.
Ein Herz für die Studenten
Seine Studenten schätzten an ihm die Fähigkeit, Vertrauen zu schenken, großzügig zu denken und partnerschaftlich miteinander für ein großes Ganzes zu wirken. Den „Spalt der Erkenntnis“ ein bisschen zu weiten, das war sein Thema. Die Lehre und Förderung von Studierenden lag ihm sehr am Herzen. Günter Pritschow startete in seiner langen Laufbahn auch innovative Studiengänge, wie etwa Automatisierung in der Produktion.
Liebe zur Musik
Doch Günter Pritschow war nicht nur ein begnadeter Wissenschaftler: Ihm lag immer Kultur, Bildung und ein fröhliches Gemüt bei allen Anstrengungen am Herz. Eine ganz wichtige Rolle spielte bei ihm die Musik. Er richtete zahlreiche musikalische Abende aus, früher noch mit seiner ersten Frau Anita, die viel zu früh verstarb, spielte selbst Akkordeon, Klavier und Posaune.
Ein erfülltes Leben
Einem Freund sagte er, als seine Tage mehr und mehr von Krankheit geprägt wurden, er werde um sein Leben kämpfen, solange die Freude an diesem seine Schmerzen übertreffe. Günter Pritschow konnte mit Stolz und Zufriedenheit auf sein Leben zurückblicken, das ihm zahlreiche Auszeichnungen, zwei große Lieben, Töchter, Enkelkinder und eine Schar treuer Freunde schenkte. Er war bei Alt und Jung gleichsam beliebt.
„Das Leben ist einmalig“
Schließlich war er bereit, das Unabänderliche anzunehmen – den Sieg einer langen, schweren Krankheit über sein tatenreiches Leben. Für seine Lieben hat er noch eine kleine Rede hinterlassen, aus der hier ein wenig zitiert werden darf: „Nehmt das Leben so wie es ist, jeden Tag aufs Neue, genießt das Leben, es ist einmalig. Je näher man dem Ende ist, desto mehr wird man sich dessen bewusst.“ Und: „Es tut mir leid, dass ich jetzt gehen muss, aber das Schicksal will es nicht anders. Die meisten Erinnerungen waren schön mit euch und manche waren großartig.“
Prof. Dr. Heinrich Liesen, Stadtrat der FBB, war von seinem Freund und „Kollegen“ stets beeindruckt: „Günter hat uns FBBler immer beraten, begleitet. Sein Interesse galt vor allem, in Baden-Baden eine universitäre Bildung aufzubauen, die zu Baden-Baden passt. Er wollte und konnte die Politik der Stadt nicht verstehen, die mit einem jährlichen Millionenbetrag die EurAka unterstützt, z.B. als Verwaltungsbehörde für einen Studiengang einer Berliner Privat-Hochschule. Leider ist es uns nicht gelungen, ihm die Plattform zu bringen, um mit seiner Kompetenz ein eigenständiges Baden-Badener Profil für Studierende aufzubauen – als Alleinstellungsmerkmal, auf das die Stadt stolz sein könnte.“
Wir verneigen uns in Dankbarkeit vor einem großartigen Menschen und trauern um Günter Pritschow. Seiner Ehefrau Wally, den Kindern und Enkelkindern gilt unsere aufrichtige Anteilnahme.
Foto: FBB-Archiv