„Die Vernetzung von Carsharing, Leihfahrrad, Linienbus ist die Mobilität der Zukunft“
04März
2019
Die gute Nachricht: Es tut sich was in unserer Stadt. Doch es wird noch dauern, bis die Stadt sich komplett von den Dieselbussen verabschieden wird. Warum das so ist, beantworteten im Interview Helmut Oehler, Geschäftsführer der Stadtwerke Baden-Baden, Stefan Güldner, Betriebsleiter der Baden-Baden-Linie und der 1. Bürgermeister Alexander Uhlig.
Bis wann werden in Baden-Baden noch Dieselbusse fahren?
„Sicher noch die nächsten zehn Jahre. Wir haben im Moment knapp 50 Busse, darunter um die 46 Dieselbusse. So ein Bus ist zwischen zehn und 15 Jahren im Einsatz. Jedes Jahr ersetzen wir im Schnitt zwei bis drei Busse durch solche mit geringeren Emissionswerten. Hätten wir nur E-Busse, bräuchten wir 40 bis 50 Prozent mehr Fahrzeuge, weil im Winter die Leistung der E-Busse dramatisch runtergeht. Hinzu kommt: Wir haben sowohl lange Strecken als auch solche mit vielen Steigungen, etwa Richtung Rebland. Dafür brauchen wir Busse mit hoher Leistung. Dieselbusse bewältigen das aktuell noch besser. Denn wir können in den Dörfern ja keine Ladestationen für Busse aufbauen.“
Auf welche Technik setzen Sie in der nahen Zukunft?
„Zwei Hybridbusse wurden bereits 2014 gekauft. Sie sind mit einem Elektro- und Dieselmotor ausgestattet. Auch ein E-Bus wird derzeit beschafft. Vier Mildhybrid-Busse werden wir 2019 bestellen. Allerdings wird die Auslieferung erst Ende des Jahres sein. Diese neuen Busse haben eine Start-Stopp-Automatik, sodass sie an Ampeln oder Haltestellen weniger Lärm machen werden. Sie verbrauchen außerdem zwei bis drei Liter weniger Diesel auf 100 Kilometer.“
Brauchen wir denn unbedingt diese riesigen Busse in Baden-Baden?
„Wir haben auch einen Midibus angeschafft. Es ist ein barrierefreies Dieselfahrzeug, läuft auf der Basis eines Sprinters und ist wesentlich leiser und auch verbrauchsärmer – etwas mehr als halb so viel Verbrauch wie der bisherige alte Midibus. Er wird in dieser Woche in Betrieb gehen und auf der Linie 208 fahren, das ist eine Innenstadtstrecke. Hier sind die Themen Emission und Lärm besonders wichtig. Diesen werden wir zu lastschwachen Zeiten auch auf anderen Linien einsetzen – auch das bewirkt weniger Emission. Zusätzlich wird ein rein elektrischer Midibus beschafft.“
Und was ist mittelfristig geplant?
„Weil als Alternative zu Dieselbussen derzeit nur E-Busse in Frage kommen, haben wir gerade eine Ausschreibung laufen. E-Busse kosten in der Anschaffung etwa doppelt so viel wie herkömmliche Busse. Wir haben eine Förderzusage von 142.000 Euro erhalten. Dafür haben wir lange gekämpft. Doch diese deckt nur 40 Prozent unserer Kosten. Wichtig, wenn wir von E-Bussen reden: Wir brauchen eine Infrastruktur, um die Busse zu laden! Allein die Ladestationen würde mehrere Millionen Euro kosten, da muss man richtig große Leistungen zur Verfügung stellen. Sicher ist: Wir nähern uns der Variante E-Antrieb. Eine andere Technologie wäre die Wasserstoff-Technologie, die die Stadt Hamburg in Betrieb hatte, jetzt aber wieder aus der Flotte herausgenommen hat. Die einzig wirkliche Alternative ist der E-Antrieb. Doch wir sind noch nicht so weit, dass wir nur auf reine E-Busse setzen können.“
Wie viele Menschen befördern Sie jährlich?
„Wir haben neun Millionen Fahrgäste. Das ist die Anzahl an Personen, die mit den Bussen der Verkehrsbetriebe befördert werden, das heißt auch ins Umland wie Bühl, Iffezheim, Rastatt oder von dort nach Baden-Baden.“
Wie ermitteln Sie den tatsächlichen Bedarf an Bussen?
„Wir werten hierfür die Fahrzeugdaten aus: Wie oft ist der Bus gefahren und wie voll war er? 2020 kommt eine große Erhebung im Gesamtverbund der KVV, das hilft uns, einen noch besseren Überblick zu bekommen: Wo kommen die Busgäste her? Sind das eher Pendler oder nutzen sie den Bus für die Freizeit?“
Wie wird der Verkehr der Zukunft aussehen?
„Der klassische Linienverkehr wird bleiben, aber die Zubringerfunktionen werden sich anders gestalten. Spätestens in zehn Jahren wird es für die abgelegenen Ortsteile Anruflinientaxis geben, die autark, also ohne Fahrer, und elektrisch unterwegs sein werden und die man sich per App bestellt. Die Vernetzung der unterschiedlichen Verkehrsträger – Carsharing, Leihfahrrad, Linienbus – wird die Mobilität der Zukunft sein. „ÖPNV-On-Demand“ ist hier das Schlagwort. Ende 2017 ist hierzu das Projekt „RegioMove“ gestartet: Die KVV will Carsharing und Leihfahrräder in ihr Angebot integrieren.“
Wie hoch sind zurzeit die Defizite im Busverkehr in Baden-Baden?
„Wir sind bei etwas mehr als vier Millionen Zuschussbedarf für den reinen Nahverkehr in Baden-Baden, den die Stadtwerke zuschießen. Das Geld erwirtschaften wir aus anderen Kanälen: Geld verdienen wir mit Strom und Gas. Wir sind hier zwar nicht der billigste Anbieter, aber auf Wettbewerbsniveau. Unser Vorteil: Die positiven Erträge bleiben in der Stadt Baden-Baden, um etwa auch unsere Schwimmbäder zu unterhalten.“
Einige Städte bieten Busfahren auf manchen Strecken kostenlos an. Wäre das in Baden-Baden auch zu machen?
„Das ist eine politische Entscheidung. Wenn man sich das leisten will, kann man das machen. Das muss halt jemand bezahlen. Allein der Preis ist aber nicht die Maßnahme, um die Leute zum Umsteigen zu bewegen.“
Wie kann man vermeiden, dass riesige Busse zu schwachen Zeiten in bestimmten Abschnitten nur ein, zwei Personen befördern?
„Teilstrecken sind mitunter wenig ausgelastet. Wir versuchen Leerfahrten zu begrenzen. Auch dafür haben wir ein neues Busdepot in Oos. Dort kann man für ein und dieselbe Linie auf einen kleineren Bus umsteigen.“
Schlusswort: Was sind Ihre Ziele?
„Wir werden unsere Fahrzeugflotte konsequent modernisieren. Wir möchten die Entwicklung umweltfreundlicher Technologien vorantreiben und mehr Menschen zum Umstieg auf den Nahverkehr bewegen. Linienbusse leisten bereits heute einen aktiven Beitrag zum Klimaschutz. Ein Beispiel: Ein PKW mit einer Auslastung von 1,5 Personen verursacht laut Umweltbundesamt 142 Gramm Treibhausgase pro Person und Kilometer. Ein Linienbus mit einer Auslastung von 21 Prozent hingegen nur 76 Gramm. Bei höherer Auslastung des Busses ist das Verhältnis natürlich noch viel besser. Deshalb stellen wir uns die Frage: Wie können wir Attraktivität des Busfahrens erhöhen? Dass Busse eine Vorrangregelung bekommen – da sind wir gerade dran. Denn wir wollen die Busse im Vergleich zum restlichen Verkehr beschleunigen. Nach dem vergangenen heißen Sommer haben wir noch etwas anderes beherzigt: Unsere neuen Busse bekommen eine Klimatisierung, damit es im Fahrgastraum bei Hitze kühler wird.“