Am Menschen vorbeigeplant
23Juli
2019
Es darf gelacht, oder besser, geweint werden: Baden-Baden bewirbt sich ums Weltkulturerbe – und die Stadtverwaltung verplant gleichzeitig den Ludwig-Wilhelm-Platz für Stellplätze. Dabei liegt dieser mitten in der Welterbe-Kernzone! Es wird mal wieder am Menschen vorbeigedacht. Ein Kommentar von Cornelia Mangelsdorf.
Warum lieben wir Städte wie Paris oder Rom? Weil sie uns reichlich Platz zum Flanieren bieten. Wer vom Louvre kommend durch die Tuilerien lustwandelt, wird von keinem Auto, geschweige denn Bus, gestört. Man kann vielmehr in kleine Cafés einkehren und dabei in aller Ruhe den Blick auf den Eiffelturm genießen. Und wer in Rom die Spanische Treppe hinuntergeht, wird auch nicht gleich von Bussen überrollt. Italiens Hauptstadt lässt sich prima zu Fuß erkunden. Und das, obwohl dort reichlich Verkehr tobt.
Plätze mit Liebe inszenieren
Aber eben nicht an den „heiligen Stellen“. Sie werden mit Liebe inszeniert: Die Spanische Treppe wird üppig mit Blumen geschmückt, ebenso sieht man bunte Rabatten, Brunnen und reichlich Stühle am Fuße des Louvre. Solch ein Ambiente versüßt nicht nur Touristen das Verweilen, sondern auch Einheimischen, die dort in der Mittagspause gern ihr Sandwich verspeisen. Eine Stadt – ist ja auch zum Genießen da. Und je mehr fürs Wohlfühlen getan wird, desto intensiver verbünden sich die Bürger mit ihr. So gesehen, ist jede Entscheidung, wie man einen Platz saniert, schon fast von philosophischer Bedeutung.
Immer geht es um Fahrzeuge – warum nicht um Menschen?
Genau das scheinen die Verantwortlichen Baden-Badens noch nicht verstanden zu haben. Das zeigt die aktuelle Diskussion um den Ludwig-Wilhelm-Platz, hinter der evangelischen Stadtkirche. Hier wird wieder den Fahrzeugen das Vorrecht eingeräumt – aber nicht den Flaneuren.
Das Verkehrs-Chaos ist vorprogrammiert
Im Rahmen des zweiten Bauabschnitts im Sanierungsgebiet Südliche Neustadt soll auf der Ostseite des Platzes die Fahrbahn nun deutlich schmaler werden, sodass dann nur noch Einbahnverkehr, vom Augusta-Platz kommend, möglich sein wird. Die dadurch frei werdende Fläche soll für diverse Stellplätze genutzt werden: mehr Platz für Reisebusse und Taxis also.
Drei Kurzhaltestellen für Reisebusse gibt es schon. Und genau diese machen den Platz unwirtlich. Dass die riesigen Reisebusse wenden, wie es ihnen beliebt, ist schon jetzt vielen Anwohnern ein Graus. Die Kirche duckt sich wehrlos dahinter: Ihr fehlt ein würdiges, wirtliches, friedliches Drumherum.
Wo ist der Gestaltungsansatz?
Chaos haben wir ja schon genug. Wer aktuell den Ludwig-Wilhelm-Platz und die provisorischen Einbahnstraßenabschnitte in der Maria-Viktoria-Straße und Schillerstraße passiert, kennt das. Dort knubbelt sich der Verkehr. Und wer als Fußgänger den Ludwig-Wilhelm-Platz queren muss, hat auch nichts zu lachen. Wenn ihm nun noch Fläche genommen wird, wird’s nicht besser. Warum wird hier keine Diskussion über Ästhetik geführt? Und über die Aufgabe von Plätzen, Anziehungspunkte für Menschen zu sein?
Sanieren braucht die Liebe zum Menschen
Trevi-Brunnen in Rom. Place des Vosges in Paris: Plätze, an die man immer wiederkehren möchte, weil man hier ungestört von Reisebussen sich der Schönheit eines Ortes hingeben kann. Jeder Mensch hat ein Recht auf Schönheit. Eine schöne Umgebung macht etwas Gutes mit uns. Und so wären ein Café oder wenigstens ein kleiner Getränkestand, ein üppiges Blumenbeet oder ein Boule-Platz vielleicht die bessere Idee für die Sanierung des Platzes. Sanieren sollte doch heißen: verbessern! Beleben! Stattdessen plant man öde Stellflächen.
Wer denkt eigentlich an die Anwohner?
Es darf nicht sein, dass Busse immer Vorfahrt haben und man an die Bürgerinnen und Bürger sowie die Anwohner zuletzt denkt. Schon gar nicht, wenn man mittelfristig ein nachhaltiges Gesamtverkehrskonzept umsetzen will. Wenn sich dieser Plan nicht stoppen lässt, wird er Schaden anrichten: Die Stadt, ihre Bürger und womöglich auch unsere Weltkulturerbe-Bewerbung werden darunter leiden.
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