„Es fehlt die große Planung über die Gesamtstadt“

30April
2021

Am Montag wurde im Gemeinderat über die Geschicke der Fieser-Brücke und Kreuz-Straße entschieden. Interview mit Martin Ernst, Chef der FBB, dem der große Wurf fürs innerstädtische Gesamtkonzept fehlt.

Herr Ernst, die Entscheidung ist nun gefallen: Die Kreuzstraße und Fieser-Brücke werden von 19 bis 11 Uhr für den Durchgangsverkehr offen bleiben. 
Was sagen Sie zu der Entscheidung? Sind Sie zufrieden?

Martin Ernst: „Jede Veränderung unserer Lebensgewohnheiten bringt einigen Bürger*innen Vorteile und damit automatisch anderen Nachteile. Tatsache ist aber auch, dass das Verharren auf dem Status quo Stillstand bedeutet. Die ureigene Aufgabe von uns Stadträten ist es, eine Stadt in die Zukunft zu führen und das bedeutet immer Veränderung. Die am Montag getroffene Entscheidung, die Fieser-Brücke von 11 bis 19 Uhr für den Durchgangsverkehr zu sperren, ist weder Fisch noch Fleisch.“

Warum?

Martin Ernst: „Unser Ansatz, in der Kreuzstraße und auf der Fieser-Brücke einen Begegnungsverkehr mit absoluter Gleichberechtigung von Fußgängern, Radfahrern und Autofahrern bei 5 km/h Geschwindigkeit zu installieren, wurde von einem Großteil der übrigen Fraktionen nicht mitgetragen. Somit ist die vorgenannte mehrheitlich getroffene Entscheidung vom Montag der kleinste gemeinsame Nenner. Da die Stadtverwaltung einen Tagesordnungspunkt alle sechs Monate erneut zur Entscheidung aufrufen kann, kann dies schon in einem halben Jahr zur vollkommenen Öffnung oder Schließung führen. Das von den Grünen nach ihrer Abstimmungsniederlage vorgetragene Argument, ein Bürgerbegehren initiieren zu wollen, zeigt dogmatisches und ideologisches Denken und hat mit Demokratie nichts zu tun. Man muss als Demokrat auch mal eine Abstimmungsniederlage verkraften können. Wenn wir die vorhin genannte Testphase in einem halben Jahr hinter uns haben, kann jede Fraktion ohne Gesichtsverlust die Öffnung oder Schließung der Fieser-Brücke neu entscheiden.“

Was sind Ihre Hauptargumente dafür, dass dieses Nadelöhr für den Autoverkehr passierbar bleibt?

Martin Ernst: „Nun, unsere Oberbürgermeisterin hat ja vorgetragen, dass wir für alle Bewohner*innen und auch Besucher*innen attraktiv bleiben müssen. Nicht jeder Bewohner unserer Stadt kann oder will lange Wege gehen und ist oft auch auf das Auto angewiesen. Dies gilt auch für die Besucher der Hotels, der Museen, des Casinos, der Läden und so weiter.“

Wie hat BM Uhlig reagiert? Er wollte ja, dass diese Passage nachts geschlossen bleibt.

Martin Ernst: „Herr Uhlig wollte eine Fußgängerzone mit absolutem Ausschluss des Verkehrs über 24 Stunden. Auch dieser Ansatz hat durchaus seinen Charme, aber nicht zum jetzigen Zeitpunkt. Die Frage bleibt, ob dann die Fahrradfahrer zwischen den Fußgängern fahren dürfen – und was ist mit unserer historischen Pferdekutsche?

Wir planen in der Stadt seit Jahrzehnten immer punktuell. Doch es fehlt die große Planung über die Gesamtstadt. Dies fing damals schon beim Bau des Michaelstunnels an. Als der Tunnel fertig war, überlegte man sich, wie der Verkehr zukünftig fließen soll. Diese damals nicht zu Ende gedachte Überlegung belastet uns bis zum heutigen Tag.

Wir brauchen ein gut durchdachtes Gesamtkonzept für den fließenden und ruhenden Verkehr. Dieses Konzept muss einfach und auch für jeden Bürger und Besucher unserer Stadt transparent und einfach nachvollziehbar sein. Ich wünsche mir sehr, dass unsere Stadtverwaltung dieses für die Entwicklung unserer Stadt alles entscheidende Thema endlich ganz nach oben auf ihre Tagesordnung setzt.“

Welche Anstrengungen haben Sie/hat die FBB im Vorfeld unternommen, um die Offenhaltung der Passage durchzusetzen?

Martin Ernst: „Wir haben mit den übrigen Fraktionen gesprochen. Die Haltung der Fraktionen Grüne und SPD waren sehr ideologisch und dogmatisch, man konnte mit diesen Fraktionen überhaupt nicht sprechen. Die CDU hatte sich auf den gemeinsamen Antrag aus dem letzten Jahr festgelegt. Dies war dann der kleinste gemeinsame Nenner.“

Haben Sie schon Reaktionen bekommen, etwa von den hiesigen Geschäftsleuten?

Martin Ernst: „Die Entscheidung ist getroffen, wir alle müssen mit dieser nun leben und werden sie nun umsetzen. Ich hoffe sehr, dass nach der Fertigstellung der Fieser-Brücke auch das nächste Teilstück vom Leo zur Fieser-Brücke sehr zeitnah neu gepflastert wird. Hier handelt es sich um die Rennstrecke unserer Besucher und gerade diese ist in einem bemitleidenswerten und jämmerlichen Zustand.“

Die Entscheidung am Montag ging, im Vergleich zu den Verhandlungen im Bauausschuss, recht schnell. Wie kam's?

Martin Ernst: „Alle Fraktionen haben sich darauf verständigt, aufgrund der Corona-Lage die Sitzung nicht unnötigerweise in die Länge zu ziehen, möglichst keine Redebeiträge zu tätigen und alles schriftlich vorzutragen. Dafür dauerte allein unsere FBB-Fraktionssitzung dreieinhalb Stunden. Weitere Stunden Arbeit brauchten wir im Vorfeld, um den jetzt gefundenen Kompromiss mehrheitsfähig werden zu lassen. Ich hoffe sehr, dass nach der am Montag getroffenen Entscheidung sich der Rauch schnell verzieht und wir in sechs Monaten mit den dann gewonnenen Erkenntnissen gegebenenfalls neu entscheiden können.“

Foto: FBB-Archiv