„Es bedarf eines grundsätzlich neuen Kurses“

18Januar
2022

Die fünf Gemeinderäte der FBB haben am 13. Januar 2022 ein Positionspapier an alle Mitglieder der Fraktionen im Gemeinderat der Stadt Baden-Baden sowie an OB Margret Mergen versandt. Darin schlägt die Fraktion einen Kurswechsel vor für die Planung des Doppelhaushalt 2022/23. Und bringt viele konstruktive Lösungsansätze ins Spiel.

„Der von Frau OB Mergen im Oktober eingebrachte Haushalt wurde von ihr letztlich nicht zur Abstimmung gestellt“, erinnern die fünf Stadträte in ihrem Schreiben. „Damit sollte einer eventuell drohenden Abstimmungsniederlage begegnet werden. Als Folge darf seit Jahresbeginn die Gemeinde finanzielle Leistungen nur noch erbringen, wenn sie hierzu rechtlich verpflichtet ist oder wenn die finanziellen Leistungen für die Weiterführung notwendiger Aufgaben unaufschiebbar sind. Das ist keine gute Voraussetzung in schwierigen Zeiten.

Die nachfolgenden Generationen nicht über Gebühr belasten

Wir von der Fraktion FBB halten eine grundsätzliche Neuausrichtung des städtischen Haushalts für notwendig und haben uns bei den Haushaltsberatungen auch konsequent so geäußert. Ein ,Weiter so‘ mit nur geänderten Zahlen widerspricht der Generationengerechtigkeit. Jede Generation soll für die von ihr verbrauchten Ressourcen selbst aufkommen, und zwar ohne Vermögensveräußerungen. Geldschulden sind nicht per se etwas Gutes oder Schlechtes, denn es kommt auf den Verwendungszweck an. Ohne Geldschulden gelingt der Ausgleich des Haushalts allerdings viel eher. Letztendlich dürfen Kredite nicht dazu führen, dass eine dauernde Leistungsunfähigkeit zementiert wird. Es bedarf eines grundsätzlich neuen Kurses.

Die Schuldenbremse einführen

Uns ist bewusst, dass dies nicht nur Begeisterung hervorrufen wird. An der Notwendigkeit ändert dies nichts. Wir, die FBB, fordern die Einführung einer Schuldenbremse durch eine Nachhaltigkeitssatzung. Wir appellieren an alle Fraktionen, an dieser Mannschaftsleistung mitzuwirken, denn für politische oder persönliche Einzelinteressen ist weder Raum noch Zeit.

Mit Plan, Ziel und Maß in die Zukunft

Zunächst könnte ein festgelegter Rahmenplan mit betragsmäßiger Deckelung wirken, innerhalb dessen auf Einnahmenseite wie auf Ausgabenseite die Haushaltskonsolidierung zur Neuaufstellung und Beschlussfassung erfolgen kann.

• Auf der Einnahmenseite wird man bei den ordentlichen Erträgen Mut beweisen müssen. So ist beispielsweise zu denken an

    • Steuererhöhungen bei der Grundsteuer Typ B
    • eine Überprüfung der Hebesätze bei der Gewerbesteuer
    • eine Anpassung beim Fremdenverkehrsbeitrag
    • Gebührenerhöhungen bei Verwaltungsleistungen
    • Kostenerstattungen.

• Der Verbrauch noch vorhandener restlicher Rücklagen ist restriktiv zu regeln, bestenfalls zu untersagen.

• Die Netto-Neuverschuldung muss betragsmäßig gedeckelt werden, Ausgabenerhöhungen in allen Teilbereichen sind prozentual und mit einem absoluten Betrag zu deckeln.

• Keine Aufnahme weiterer Verbindlichkeiten gegenüber Kreditinstituten, auch nicht als Kassenkredite; Ausnahmen beschließt der Gemeinderat im Einzelfall und mit betragsmäßiger Obergrenze sowie Verwendungszweck.

• Bevor eine Investition stattfindet, ist eine Bedarfsprüfung unter dem Gesichtspunkt der Nachhaltigkeit durchzuführen. Dies gilt auch für Investitionen, die dem Ersatz von Vermögen dienen.

• Investitionen ohne gesetzliche Verpflichtung sind so zu planen, dass keine zusätzlichen Aufwendungen entstehen, die die Haushalte künftiger Jahre belasten.

• Bei Investitionen aufgrund von gesetzlichen Verpflichtungen ist die kostengünstigste Variante auszuführen. Die Abwägung hat sich dabei zu richten nach dem Ergebnis von Folgekostenberechnungen (1) nach betriebswirtschaftlichen
Grundsätzen (2) unter Berücksichtigung der Anforderungen (3), der Investitionskosten (4), der Standards (5), der dauerhaften Betriebskosten (6).

• Die Einführung neuer oder die inhaltliche Erweiterung freiwilliger Aufgaben, die die Haushalte künftiger Jahre belasten, ist unzulässig.

• Die höhere Inanspruchnahme oder Leistungsmenge von freiwilligen Leistungen oder Angeboten ohne inhaltliche Veränderung ist nur dann zulässig, wenn das zuständige Fachamt im laufenden Jahr den damit verbundenen Mehraufwand ohne Erhöhung des Zuschussbedarfs im eigenen Budget decken kann. Über wesentliche Änderungen ist der Gemeinderat regelmäßig zu unterrichten.

• Es bedarf zur Neuaufstellung besonders:
(1) einer eindeutigen Prioritätenliste für den Unterhalt der Infrastruktur,
(2) einer eindeutigen Prioritätenliste für die Schulen,
(3) einer verbindlichen Prioritätenliste für weitergehende Planungen.

• Es bedarf zur Neuaufstellung außerdem:
(4) einer Evaluierung und sinnvollen Reorganisation der Zuständigkeiten innerhalb der Dezernate,
(5) einer effektiveren Bearbeitung aller Vorgänge durch weniger Zwischenebenen bei größerer Eigenverantwortlichkeit der handelnden Personen unterhalb der Führungsebene.

• Wir vertreten darüber hinaus die Auffassung, dass in derart schwierigen wirtschaftlichen Zeiten im Interesse der höheren Effektivität der Verwaltung das Rundum-Wohlfühl-Paket mit gewachsener, sehr hoher Anspruchshaltung aller einer Korrektur bedarf. Weniger ist manchmal mehr, was sich sehr schnell zeigen wird, wenn die wirklich wichtigen Aufgaben zeitnah und konzentriert abgewickelt werden können, wenn über Jahrzehnte lieb gewonnene, aber nicht wirklich existenzielle Serviceleistungen abgeschmolzen oder eingestellt werden werden. Hier ist jedes Mitglied des Gemeinderates gefordert Standhaftigkeit zu zeigen im Interesse der Sache, ohne zu erwartendem öffentlichem Druck nachzugeben. Im Interesse der Sache.

• Die Fraktion FBB ist bereit, sich aktiv, zielorientiert und ergebnisoffen (in Bezug auf die aufgezeigten Wege) einzubringen, damit die Weichen neu gestellt und der Haushalt zügig nach der Wahl verabschiedet werden kann. Ein ,Weiter so‘ wird es dagegen mit uns nicht geben können. Das sind wir all denen schuldig, die nach uns kommen.“

Die Unterzeichner sind Martin Ernst, Wolfgang Niedermeyer, Markus Fricke, Tommy Schindler und Prof. Dr. Heinrich Liesen.