Die OBs und der Nationalpark
16Oktober
2017
Der Baden-Badener Wald hat Pech mit seinen Oberbürgermeistern: der eine (Gerstner) verschenkt 420 Hektar Waldnutzung an den Staat, um einen Nationalpark zu ermöglichen, die Nachfolgerin (Frau Mergen) verschenkt die Chancen, die Baden-Baden mit diesem Nationalpark eigentlich hätte.
Mergen, Oberbürgermeisterin von Baden-Baden, hat keine Lust mehr, zusammen mit anderen Gemeinden rund um den Nationalpark für diesen Park und seine Idee und den Tourismus herum zu werben. Sie will austreten aus dem Zweckverband, um ein wenig Geld zu sparen. Es gäbe eigene Werbemöglichkeiten, da brauche man diesen Zweckverband so nicht mehr.
Das hat man in der Vergangenheit ziemlich umgekehrt bewertet. Es ist gar nicht lange her, da hat Mergens Vorgänger, Herr Gerstner, sogar 420 Hektar besten Wald oben im Schwarzwald an den Nationalpark geschenkt (er hat für alle Zeit auf die Nutzung, den Nießbrauch, dort oben verzichtet, das bedeutet: kein Holzeinschlag und keine Jagd im Nationalpark!). Der Wert des Geschenks wird unter Fachleuten auf immerhin 4,2 Millionen Euro geschätzt (10.000 Euro für den „Aufwuchs“, also den wertvollen Baumbestand dort oben, der jetzt dem Nationalpark gehört. Gerstner hat das ohne Bedingungen getan, nicht wie die kluge Gemeinde Bühl, die wesentlich weniger Wald abgaben (etwa 150 ha), aber dafür anderen, fast gleichwertigen, Wald im Tausch erhielten. Bühl verschenkte nichts, das tat nur Baden-Baden. Wir haben es ja. Gerstner hat auf einen derartigen Tausch seinerzeit nicht bestanden. Will sagen: Baden-Baden hat 420 ha Waldnutzung auf ewig verschenkt. Es ist der schönste Teil des Nationalparks entlang der Schwarzwaldhochstraße, hauptsächlich ein Bestand an uralten Schwarzwaldtannen.
Natürlich war mit diesem „Geschenk“ eine Erwartung verbunden: nämlich Baden-Baden zu einem Tor zu diesem Nationalpark zu machen und nicht lediglich zu einer Rennbahn über die B 500 in den Nationalpark mit unendlichen Belastungen und Radau für Geroldsau praktisch an jedem Wochenende. Nein: ursprünglich wollte Baden-Baden ein angemessenes Eingangstor zu diesem Nationalpark werden. Wer denn sonst? Nun aber sind wir den Wald los, und Frau Mergen, die Nachfolgerin von Gerstner macht mit ihrer zweifelhaften Waldpolitik weiter. Es ist so, als ob das waldreiche Baden-Baden mit seinem Wald nicht viel anfangen kann und noch dazu den Nutzen seines seinerzeitigen Geschenks an den Nationalpark total liegen lässt: man steigt aus der Werbegemeinschaft aus und gibt damit eben auch den entsprechenden Einfluss auf. Sollen die anderen den Nutzen von unserem 4,2-Millionen-Geschenk haben, wir brauchen das nicht! Nicht doch: wir brauchen es doch!
Wir brauchen vor allem eine neue Politik für unseren Wald. Eine Politik, die den Wald nicht nur als hübsche Stadtkulisse für Villen ansieht, sondern als Chance für gepflegte Erholung und Sport. Wir brauchen keinen hemmungslosen Massentourismus in unserem Wald, wir brauchen vorsichtig gelenkte Erholung im Wald. Wald ist mehr als ein Acker mit Bäumen, auf dessen Ertrag man unter Umständen auch verzichten könnte. Wald ist eine gigantische Gesundheitschance für die Menschen, die ihn besuchen, die hier wandern, joggen, Lust an ihm haben. Wer da mitreden will, braucht viele Hebel für Öffentlichkeitsarbeit, mehr jedenfalls, als Frau Mergen sich offensichtlich vorstellen kann. Und die Stadtpolitik kann nicht weiterhin Chancen verschenken, ohne mit ihrem Tourismuskonzept ins Stolpern zu geraten. Merke: Wald ist eine langfristige Angelegenheit über Jahrzehnte und Jahrhunderte – jedenfalls längerfristiger als die Amtszeit einer Oberbürgermeisterin.
Foto: Ben Becher