Baden-Badens wenig beachtete Prominenz
29Dezember
2020
In kühler Höhe und nicht eben leicht zu Fuß zu erreichen, liegt Baden-Badens Hauptfriedhof. Er birgt so manch besondere Ruhestätte. Ein Spaziergang.
Wer war Miloslav Koennemann? Man kann niemandem böse sein, der auf diese Frage keine Antwort weiß – der Name des seit 130 Jahren verstorbenem ehemaligen Chefdirigenten der Baden-Badener Philharmonie ist noch nicht mal auf seinem Grabstein auf dem Stadtfriedhof richtig zu sehen: Die Buchstaben auf dem Sandstein hat die Zeit abgetragen. Sie sind kaum noch lesbar, das Grab war bis vor kurzem von Efeu und Farn überwuchert.
Komponist und Musiker
Koennemann war eine künstlerische Persönlichkeit, die für unsere Stadt und ihre musikalische Entwicklung von großer Bedeutung war – doch fast in Vergessenheit geriet. Er hat die Sinfonie „Der Fremersberg“ komponiert – zu empfehlen sei hier die Aufnahme der Baden-Badener Philharmonie, dirigiert von Werner Stiefel.
Das Andenken bewahren
Treue nachfolgende Philharmoniker und weitere Freunde seines Schaffens sorgen dafür, dass sein Grab nicht vom Vergessen überwuchert wird. Als Einwohner Baden-Badens stehen wir vielleicht ein klein wenig in der Verantwortung, das Andenken einer solchen Persönlichkeit zu erhalten. Auch, indem wir unserem wunderschönen Hauptfriedhof etwas Beachtung schenken.
Ort der Kontemplation
Hamburg hat den Friedhof Ohlsdorf. Er ist der größte Parkfriedhof der Welt. Mit seinen 389 Hektar ist er zugleich Hamburgs größte Grünanlage – klar, dass diese Ruhestätte von vielen Hanseaten zum Flanieren genutzt wird, gibt es dort doch hunderte von Laub- und Nadelgehölzarten, Teiche und Bäche samt Wasservögeln. Paris hat Père Lachaise, auf dem Berühmtheiten ihre letzte Ruhe gefunden haben. Und wir – haben unseren Hauptfriedhof, als Ort des Zur-Ruhe-Kommens und Sinnierens über Endlichkeit und Lebenssinn.
Benazet, Bergengruen und viele andere
Koennemann ist nur einer von vielen großen Baden-Badenern, die auf dem Hauptfriedhof ihre letzte Ruhe gefunden haben. Die Gräber von Casino-Leiter Edouard Bénazet, Schriftsteller Otto Flake oder Dichter Werner Bergengruen finden ebenfalls wenig Beachtung, was nicht zuletzt an der dezentralen Lage des Friedhofes liegen mag. Nur selten erklimmt man rein aus Zufall die steile Friedhofstraße, nur selten kommt man spontan mal eben zufällig dort vorbei. Aber allein schon aufgrund der großen Namen, die man dort antreffen kann, ist unser schöner Hauptfriedhof einen Besuch wert.
Spazieren und sinnieren
Vielleicht sollte man öfters mal einen kleinen Umweg über den Annaberg nehmen, mit dem Bus hochfahren, die Wasserspiele am Paradies bestaunen, einen Bogen über die Merkurtalstation machen und auf dem Rückweg hinab in die Stadt einen kleinen Zwischenstopp am Friedhof einlegen, um sich an dessen friedvoller Schönheit zu erfreuen oder die Gräber der prominenten Baden-Badener aufzusuchen. Um ihnen die Ehre zu erweisen, vielleicht einen Gedichtband oder einen Stift am Grab Werner Bergengruens abzulegen, wie es beispielsweise der Brauch am Friedhof Père Lachaise in Paris ist. Dort hinterlassen Fans aus aller Welt kleine Gaben an den Gräbern von Oscar Wilde, Antoine de Saint-Exupery oder „The Doors“-Sänger Jim Morrison.
Wir haben keinen Père-Lachaise, aber auch unser historischer Hauptfriedhof kann sich durchaus sehen lassen: wunderschöne alte Bäume, eine reiche Historie, bekannte Namen. Eine Tafel am Haupteingang weist bereits auf die zahlreichen berühmten Ruhenden hin und lädt zu einem Rundgang ein.
Fotos: Ben Becher | Foto WB: Urheber:Unterberg, Rolf (Fotograf) Bildnachweis:REGIERUNGonline; B 145 Bild-00015397