Das Stadtarchiv: vor die Tore der Stadt?

22Oktober
2018

Wolfgang Niedermeyer hat viele Jahre als Architekt in Frankfurt gearbeitet. Später entdeckte er die Schönheit Baden-Badens – und zog hierher. Viele Bürger kennen ihn von seinen Führungen durch die Villengebiete der Stadt. Nun hat der 1. Vorsitzende des Vereins „Stadtbild Baden-Baden“ dem 1. Bürgermeister, Alexander Uhlig, einen Brief geschrieben. Niedermeyers Schmerzpunkt: die geplante Verlegung des Stadtarchivs an einen drittrangigen Standort.

Es ist ein bisschen so, als würde man demnächst Barockkunst in einem Betonklotz zeigen: Die Verwaltung plant, das Stadtarchiv vom historischen „Baldreit“ in einen Neubau umzuziehen. Letzterer ist beschlossene Sache, weil im jetzigen Archiv etwa der Brandschutz fehle. Dieser malerische Ort nahe Rathaus und Thermen verdankt seinen Namen einer schönen Sage. Die Hauptrolle darin spielt ein Edelmann, der, von der Gicht alsbald kuriert, ausruft: „Wie bald reit' ich doch!“ Im Badischen Sagenbuch II ist zu lesen: „Nur die erste und die zwei letzten Silben wurden nicht gehört, und die Herberge heißt seitdem zum Baldreit.“

Der neue Ort: laut einer Umfrage nicht geeignet

Die Gegend, den die Verwaltung für den Neubau vorschlägt, hat nichts vom Charme des „Baldreit“ in der Altstadt: Er soll in der Wörthstraße neben dem Wohnmobilhafen entstehen. Wolfgang Niedermeyer bezeichnet dies in einem Brief an die Stadtverwaltung als einen Verlust.

Die geplante Verlegung des Stadtarchivs hat er in seinem Verein zum Anlass genommen, eine Blitzumfrage durchzuführen. Das Ergebnis: Für 95 Prozent der Befragten repräsentiert das Stadtarchiv eine wichtige Funktion in Baden-Baden mit 2000-jähriger Geschichte und angestrebtem Welterbe-Titel. Den Funktionsstandort an der B 500 neben einem Wohnmobilhafen finden 85 Prozent als nicht der Bedeutung angemessen.

Das Gedächtnis der Gemeinde präsentiert die Stadt

Der jetzige Zustand des Archivs im denkmalgeschützten „Baldreit“ ist, laut Niedermeyer, durchaus beklagenswert. Dies sei aber seit mehr als zehn Jahren bekannt. „Eine vorausschauende Planung für ein adäquates Ersatzgrundstück fand nicht statt, sodass zum jetzigen Zeitpunkt, nach verwaltungsinterner Begutachtung von acht Grundstücken, jetzt nur noch eine nachrangige Position ausgewiesen wird“, schreibt Niedermeyer.

Dies würde das „Gedächtnis der Gemeinde“ aus der Kernstadt herausreißen. Resümee des Experten: Die Stadt verliert eine Stätte der Eigenpräsentation im historischen Kern.

Schätze aus vergangenen Zeiten

Die Akten der Verwaltung im Stadtarchiv geben spannende Einblicke in die Vergangenheit Baden-Badens. So finden sich dort etwa Ratsprotokolle von 1777 an, Bürgermeistereirechnungen von 1700, Haushaltspläne von 1897 bis 1997 und vieles mehr. Das Bild vergangener Zeiten wird ergänzt durch Aufzeichnungen von Vereinen, Nachlässe bedeutender Persönlichkeiten und Sammlungen von Fotos, Bild- und Tondokumenten, Plakaten, Zeitschriften.

Foto: FBB