Das New Pop ist und bleibt ein absoluter Maßstab in der Musikwelt

11September
2023

Ab Donnerstag wird Baden-Baden für drei Tage zur New Pop City. In ganz Europa gilt das New Pop Festival als wegweisendes Newcomer-Event. Die Verantwortlichen sind auch nach vielen Jahren mit großer Leidenschaft und viel Herzblut dabei. Interview mit Gregor Friedel, Festivalchef.

Herr Friedel, Ihr wievieltes New Pop Festival ist das diesjährige?

Gregor Friedel: „Mein erstes New Pop war 1999. Damals habe ich als Reporter gearbeitet. Später war ich Band Contact, Venue Manager, stellvertretender Projektleiter und jetzt seit 2017 Festivalchef. Gearbeitet habe ich somit 17-mal beim New Pop (zweimal ist es in dem Zeitraum ja ausgefallen: 2001 aufgrund der Anschläge vom 11. September, 2020 aufgrund der Corona-Pandemie). Von 2011 bis 2016 war ich als Gast hier – in dem Zeitraum habe ich beim NDR Fernsehen gearbeitet. Bedeutet: insgesamt ist das jetzt mein 23. New Pop Festival.“

Wie viele SWR Mitarbeitende kümmern sich um dieses Event?

Gregor Friedel: „Das kann ich gar nicht sagen. Wir machen in der Vorbereitung ab März jeden Jahres Jour Fixes, bei denen in der Regel die wichtigsten Gewerke dabei sind. Da sind wir normalerweise so um die 20 Leute. Natürlich sind da aber nicht alle Kolleginnen und Kollegen dabei, die dazu beitragen, dass das Festival jedes Jahr ein Highlight wird. An den Produktionstagen arbeiten dann noch Kabelhilfen für die Fernsehaufzeichnungen, Kameraleute, Ü-Wagen-Besatzungen etc. Insgesamt ist das dann während der Produktion eine dreistellige Anzahl von Kolleginnen und Kollegen, die das New Pop umsetzen.“

Wann beginnt die Planung für das, was wir jetzt auf der Bühne erleben werden?

Gregor Friedel: „Mitunter schon im Mai des vorhergehenden Jahres. In Brighton gibt es ein absolutes Newcomer-Showcase-Festival, bei dem man Künstlerinnen und Künstler zu einem sehr frühen Stadium entdecken kann, die in der Regel erst im darauffolgenden Jahr einer größeren Öffentlichkeit bekannt werden. Dort habe ich beispielsweise 2019 Celeste entdeckt, die dann 2021 (Corona-bedingt, sonst wäre sie 2020 da gewesen) beim New Pop gespielt hat. Die Band-Akquise läuft also zwölf Monate im Jahr, die ersten Gespräche zu Inhalten beginnen jeweils im Januar und die ganz heiße Phase in der Vorbereitung für die Projektleitung ist zwischen Mitte/Ende März und Ende Mai/Anfang Juni.“

Wie erklären Sie sich die hohe Resonanz auf das Spektakel?

Gregor Friedel: „Das SWR3 New Pop Festival ist eines der renommiertesten Radiofestivals Europas. Wir bieten hier mit den außergewöhnlichen Spielstätten, der wunderschönen Stadt, dem roten Teppich, den Partynächten, den Liveübertragungen auf die Vidiwalls für die Besucher:innen und die Künstler:innen vor Ort etwas, das es in dieser Form nirgendwo anders gibt. Für die Künstler:innen ist das New Pop das mögliche Sprungbrett für eine Weltkarriere und damit eine feste Größe. Jeder weiß, dass hier Amy Winehouse, Ed Sheeran, Sam Smith, Bruno Mars (um nur einige zu nennen) gespielt haben und natürlich bedeutet es für die Acts immens viel, wenn sie in dieser Tradition wahrgenommen werden. Das New Pop ist und bleibt ein absoluter Maßstab in der Musikwelt.“

Welche Zielgruppe spricht das New Pop an? Kommen auch Ältere?

Gregor Friedel: „Unser Ziel ist es, ein Angebot für alle zu machen, die Freude an Musik haben. Das geht einerseits bei den Ticketpreisen los. Hier kostet das günstigste Ticket 19 Euro. Damit versuchen wir, dass sich möglichst viele Menschen Karten leisten können. Wer das nicht kann, kann alles vor den Vidiwalls hautnah erleben. Durch das Angebot, das wir gesamt bei der Veranstaltung machen, bieten wir eben auch die Möglichkeit, dass ganze Familien kommen. Am Samstagnachmittag gibt es immer ein sehr frühes Konzert, damit junge Familien mit ihren Kindern auch live bei einem Konzert dabei sein können. Und natürlich kommen auch Ältere – sowohl zu den Konzerten, als auch an die die Konzertmuschel oder an die Fieser-Brücke, um sich dort mit Freunden zu treffen und am Spektakel teilzunehmen.“

Welchen Part muss die Stadt hier erfüllen, damit alles reibungslos funktioniert?

Gregor Friedel: „Es gibt jedes Jahr einen großen Termin mit allen Gewerken, in dem wir alle Planungen besprechen, uns mit den zuständigen Abteilungen der Stadtverwaltung austauschen, unter anderem mit der Polizei, Feuerwehr und dem DRK. Die Genehmigung liegt dann bei der Stadt und wir tauschen uns auch während der Veranstaltung unentwegt aus.“

Und wie beurteilen Sie die Zusammenarbeit mit der Stadtverwaltung?

Gregor Friedel: „Herausragend. Die Unterstützung könnte nicht besser sein. Es ist stets ein konstruktiver Austausch auf Augenhöhe und es ist selten, dass ein Wir so gelebt wird, wie in der Zusammenarbeit mit der Stadt Baden-Baden.“

Gibt es auch Punkte, wo Sie sagen, „da ist noch Luft nach oben“?

Gregor Friedel: „Ich bin mir nicht ganz sicher, ob alle wirklich verstanden haben, welche Bedeutung und welche Strahlkraft das New Pop für die Musikszene europaweit hat. Jeder weiß, dass das eine tolle Veranstaltung für die Stadt, die Bürger:innen und Besucher:innen ist. Tatsächlich ist das New Pop für Baden-Baden aber vergleichbar mit dem Jazzfestival für Montreux. Und da wird vom Stadtmarketing doch nochmal ganz anders mit diesem USP umgegangen. In Bezug auf überregionale Kommunikation, Bewerbung, Marketing könnte ich mir schon vorstellen, dass hier noch Spielraum nach oben ist.“

Manche Bürger beklagen, dass es zu wenig Tickets gibt bzw. diese schnell vergriffen sind. Haben Sie einen Trost für all jene?

Gregor Friedel: „Wir haben ja in diesem Jahr extra den Verkaufsmodus umgestellt und die Zeichnungsphase aufgelöst. Das heißt, dass wir am 7. Juli mit allen Tickets in den Verkauf gegangen sind. Gut, zugegeben: wir haben morgens um 5 Uhr mit Beginn der Morningshow angefangen, aber auch da war in den ersten zwei Stunden ja nicht alles ausverkauft. Grundsätzlich glaube ich, dass wir durch den allgemeinen Vorverkaufsstart die Möglichkeit deutlich erhöht haben, dass man an Karten kommen kann. Und all die, die kein Glück hatten, können sich alle Konzerte auf den Vidiwalls oder auch zuhause im Livestream anschauen. Wer die Konzerte vom New Pop verfolgen will, kann das auf jeden Fall tun.“

Auf welchen Moment des Festivals freuen Sie sich ganz besonders?

Gregor Friedel: „Das Schönste ist eigentlich immer die Eröffnung. Wenn man weiß, dass jetzt losgeht, worauf viele Menschen monatelang hingearbeitet haben. Ab dann ist man tatsächlich in einem ganz bestimmten Modus, der einen die nächsten drei Tage durch die Veranstaltung trägt.“

Das New Pop Festival gab es erstmals 1998. Was war für Sie der absolute Höhepunkt aller Festivals, die Sie begleitet haben?

Gregor Friedel: „Los ging es ja bereits 1994 mit dem SWF3 New Pop Festival, seit 1998 heißt es SWR3 New Pop Festival. Die Frage ist nicht leicht zu beantworten. Es gab fast jedes Jahr magische Momente. The xx im Festspielhaus. Amy Winehouse im Theater. Für mich persönlich aber vermutlich: Sam Fender im Kurhaus, als er ,Dancing In The Dark‘ von Bruce Springsteen gespielt hat. Unvergesslich und heute noch Gänsehaut, wenn ich nur dran denke.“

Und: Gab es auch mal eine Panne?

Gregor Friedel: „Einmal hat sich ein Künstler – ich nenne den Namen bewusst nicht – versehentlich in seinem Hotelzimmer eingeschlossen und kam nicht mehr raus. Wir mussten dann die Tür mit Gewalt öffnen und er ist quasi vollgepumpt mit Adrenalin aus dem Hotel raus und direkt auf die Bühne geschossen. Das war ein bissl abenteuerlich.“

Was war das schönste Kompliment zum New Pop, das Sie je bekommen haben?

Gregor Friedel: „Ich wurde in London auf einem Konzert jemandem vorgestellt, der gefragt hat, was ich beruflich mache. Ich sagte: ,Musikchef von SWR3‘ und er sagte sofort: ,New Pop Festival. Eine mega Veranstaltung. Ich sage allen meinen Künstlern, die bei mir unter Vertrag sind, dass sie im September keine Bookings annehmen sollen, weil sie entweder beim New Pop in Baden-Baden oder beim Reeperbahnfestival in Hamburg spielen könnten. Das sind für mich die beiden wichtigsten Rising-Artist-Konzerte auf dem Kontinent.‘ Ich habe ihn dann gefragt, welche Künstler von ihm denn schon beim New Pop gespielt haben. Er war der Agent von Ed Sheeran. Das war für mich das allergrößte Kompliment, das man dem New Pop machen kann, weil es einfach zeigt, welche unfassbare Bedeutung diese Veranstaltung in der Musikwelt hat. Ich muss zugeben, dass selbst mir das bis zu diesem Moment in der Tragweite nicht klar war.“

Wie darf man sich die Zusammenarbeit mit den Künstlern, die kommen, vorstellen: Bleibt man auch danach miteinander in Kontakt oder verpufft die Verbindung relativ schnell?

Gregor Friedel: „Das ist ein bisschen so wie bei Bekanntschaften, die man im Urlaub macht. Mit manchen hält man sein Leben lang engen Kontakt, andere verliert man aus den Augen, wieder andere trifft man hie und da mal und freut sich gemeinsam an der Erinnerung. Unlängst war Marlon Roudette bei uns in der Musikredaktion zu Besuch. Er ist 2014 beim New Pop aufgetreten. Sein Onkel Eagle-Eye Cherry spielte 1998 beim New Pop, seine Halbschwester Mabel stand 2018 im Theater auf der Bühne. Die Mutter von den beiden ist Neneh Cherry. Er meinte – scherzhaft, aber natürlich richtig – dass es keine Familie gibt, von der mehr Mitglieder beim New Pop gespielt haben als seine. Und dass sie sich auch alle sehr gerne an Baden-Baden erinnern und da auch immer mal wieder drüber sprechen, wenn sie zusammen sind. Oder Rea Garvey, den mit SWR3 eine tiefe, langjährige Freundschaft verbindet, die ihren Ursprung beim New Pop fand.“

Herzlichen Dank, Herr Friedel!

 

Fotos: SWR