Wo und wie wir nicht bauen sollten in Baden-Baden
27Juli
2017
Was Sie hier sehen hat der Gemeinderat mit Mehrheit beschlossen, nämlich den Bebauungsplan „westliche Wörthstraße“: direkt neben dem Tausendfüßler (B 500) sollen nun diese Wohnungen für „betreutes Wohnen“ gebaut werden.
Dagegen gestimmt haben alle Gemeinderäte der Freien Bürger für Baden-Baden (FBB) und einige andere auch: Stimmen, die nachdenklich geworden waren.
Zuvor gab es im Gemeinderat eine hitzige Diskussion, vor allem um die Frage, ob dieses Baugebiet denn überhaupt für ältere Menschen geeignet ist. Wie ist das mit der Luft? Wie ist das mit dem Dreck aus den Autos? Was ist mit dem Lärm? Und vor allem: wie toll ist denn das Gutachten über die Belastung durch die Verkehrsluft, das die Stadt erstellen ließ. FBB-Stadtrat Prof. Dr. Heinrich Liesen arbeitete sich in diese Materie ein – sehr zum Ärger der CDU-Fraktion im Stadtrat von Baden-Baden. Denn diese CDU war natürlich für den Bebauungsplan, zumal die ihr nahestehende IDEAL-Wohnbau dort die Altenwohnungen errichten will.
Professor Liesen fand einiges heraus, was ihn bedenklich stimmte: Das Gutachten über die Luftqualität beim Baugebiet arbeitet nicht mit eigenen Messungen, sondern es rechnet die Belastungen durch einfaches Multiplizieren hoch: nämlich auf Grund der Angaben der Autohersteller und des Verkehrsaufkommens auf dem Zubringer. Das heißt: Autos auf dem Zubringer mal Schadstoffausstoß, so wie vom Hersteller angegeben (!). Was diese Angaben der Autohersteller wert sind und wie sie entstanden, nämlich durch Betrug und möglicherweise rechtswidrigen Kartellabsprachen, weiß inzwischen jedes Kind; das ist eine endlose ärgerliche Betrugsgeschichte. Die Stadtverwaltung nahm dieses „Gutachten“ als Grundlage und erklärte die Luft für Okay.
Liesen gab nicht auf und blieb bei seiner Ansicht, was den CDU-Stadtrat Bloedt-Werner dazu brachte, ihm Angstmacherei vorzuwerfen.
Was man wissen sollte: der so angegriffene Gemeinderat, Professor Dr. med. Heinrich Liesen, ist einer der renommiertesten Sportmediziner Deutschlands und heute Stadtrat für die Freien Bürger für Baden-Baden (FBB) im Gemeinderat von Baden-Baden. Er ist als hochqualifizierter Mediziner natürlich selbst sachverständig und war zu Zeiten von Franz Beckenbauer während zweier Weltmeisterschaften Mannschaftsarzt der Deutschen Fußball-Weltmeisterelf. Prof. Liesen hatte sich vor Ort am Zubringer kundig gemacht, er hatte zusätzlich den ehemaligen Rektor der Technischen Universität Stuttgart, Prof. Dr.-Ing Günter Pritschow um eine Stellungnahme gebeten (die verheerend ausfiel) und sich mit diesen Informationen an die Stadtverwaltung gewandt. Ergebnis: das von der Stadt eingeholte Gutachten ist ein errechnetes Gutachten ohne eigene Messungen. Die Gutachter selbst, mit diesen Ergebnissen konfrontiert, widersprachen nur formal, indem sie sich auf angeblich rechtlich verbindliche Grenzwerte beriefen (und gleichzeitig die Grenzwerte der Weltgesundheitsorganisation für rechtlich unverbindlich erklärten!). Das heißt: das Gutachten der Stadt geht unstrittig von den bekanntlich manipulierten Fahrzeugwerten aus, die schlicht mathematisch als konkrete Belastung vor Ort, nämlich am Zubringer, hochgerechnet wurden.
Wenn man diese Fakten in die Diskussion einführt, dann ist das keine Hysterie sondern schlichte Sorgfaltspflicht eines sachverständigen FBB-Gemeinderates. Wenn daraufhin ein stadtbekannter Schreihals der CDU-Fraktion im Gemeinderat, nämlich der Rechtsanwalt Blödt-Werner von „unverantwortlicher Angstmacherei“ spricht, dann richtet sich diese Aussage gegen den, der sie in die Welt setzt. Es geht bei dem Bebauungsplan letztlich doch um alte Menschen, die hier wohnen sollen, nicht um mathematische Formeln! Hier sollen Wohnungen für „betreutes Wohnen“ errichtet werden, und zwar direkt neben der Zubringerbrücke.
Und wenn schon, dann doch lieber gleich richtig! Wieso baut man hier nicht richtig in die Höhe (so wie das BABO-Hochhaus)? Unten bis zur Höhe des Zubringers könnte man ja ein Parkhaus planen, oben drauf viele Stockwerke in die Höhe – schließlich sinkt der Dreck von den Autos nach unten! Wenn schon bauen, dann wären Hochhäuser hier viel angemessener und würden Wohnungen schaffen, die billig wären und gleichzeitig begehrenswert: es gäbe nämlich herrliche Ausblicke, nach Baden-Baden hinein und ins Rheintal. Was hier gefordert ist nennt man Stadtplanung. Warum greift unser provinzielles Bauamt nicht auf die Kompetenz der Architektur-Professoren in Karlsruhe zu? Stattdessen bekommen wir nun wieder so ein ungeheuer törichtes Stück heimischer Architektur Marke IDEAL-Wohnbau als Entree in die Stadt hingestellt.
Baden-Baden, dein Niveau!
Übrigens zu den Luftmessungen, hier sind sie und zwar für den Monat Mai:
Bilderklärung: das Diagramm der Luftmessung Mai. Rot: pm 10 Bad Offiziell, Mittelwert/Tag; grün: pm 10, Messung Anwohner Wörthstraße; grau pm 2,5, dto
Das sind die Messungen, die privat erstellt wurden im Vergleich mit den Messungen der Stadt. Die aktuellen Messungen, was den Feinstaub betrifft, kann man verfolgen und zwar unter dem Link:
http://baden-baden.maps.luftdaten.info/#11/48.7619/8.2408
Es gibt hier Dreck – die Messungen beweisen es, auch wenn momentan noch keine abschließende Bewertung möglich ist.
Foto: Ben Becher