Wir brauchen dringend Wohnungen für Normalverdiener in Baden-Baden
26September
2018
In der Gemeinderatsitzung am 24. September waren der städtebauliche Vertrag und der Bebauungsplan des Projekts „Wohnen am Tannenhof“ auf dem SWR-Gelände Thema. Dieses Projekt wird von Anfang an kontrovers diskutiert. Martin Ernst, Stadtrat der FBB und Immobilienexperte, befürchtet ein Bau-Desaster. Wir fragten nach, warum.
Herr Ernst, der Gemeinderat hat dem Wohnprojekt am Tannenhof längst mehrheitlich zugestimmt. Sie haben nun abermals Bedenken geäußert. Warum?
Martin Ernst: Jeder Immobilienfachmann schlägt bei dieser Planung die Hände über dem Kopf zusammen. Warum ist dies so?
Es werden überteuerte Wohnungen in einer vollkommen überzogenen Menge gebaut. Dieses Projekt blockiert genau das, was wir in Baden-Baden brauchen: Wohnungen für den Mittelstand und sozialen Wohnungsbau – das fehlt bei uns. Wir gefährden damit abermals den sozialen Frieden in unserer Stadt. Ich persönlich habe außerdem meine Zweifel, wie die Finanzierung dieses Bauvorhabens sichergestellt werden soll. Weiterhin fördert die Stadt Baden-Baden damit ihren größten Arbeitgeber, den SWR, ein Arbeitgeber, der eine solche Förderung nicht unbedingt nötig hat. Da sollte man sich schon fragen: Hat die Stadt so viel Geld übrig? Wir wissen, dass dies nicht der Fall ist.“
Fast 400 Wohnungen sollen am Tannenhof auf dem Südwestrundfunk-Gelände entstehen. Warum sind es nach Ihrer Ansicht die falschen Wohnungen?
Martin Ernst:
Der SWR stellte sich für das gesamte Areal einen Wunschkaufpreis von 18 Mio. Euro vor. Dadurch, dass man im Wettbewerb dafür gesorgt hat, dass die Bauflächen wesentlich größer werden können, erhöhte sich der Kaufpreis dem Vernehmen nach Richtung 32 Mio. Euro. Diesen enormen Einkaufspreis muss die Baufirma zusätzlich zu den Baukosten über die Kaufpreise wieder reinholen. Damit kostet die preiswerteste Wohnung in der Tallage rund 400 T€, und alle übrigen Lagen bei gleicher Größe um 600 T€/m².
Es wird also an den Bedarfen der Bürger vorbeigeplant?
Martin Ernst: „Ja, absolut. Mit einem monatlichen Haushaltsnettoeinkommen von vielleicht 3.000 oder 3.500 Euro können Sie keine Wohnung für 600.000 Euro finanzieren. Der SWR und die Stadt spielen auf dem Rücken der eigenen Bürger Immobilien-Monopoly.“
Was müsste geschehen?
Martin Ernst: „Die Bundesregierung macht einen Notgipfel um bezahlbaren Wohnraum möglichst für die Gesamtbevölkerung zur Verfügung zu stellen. Diese Chance hat unsere Stadtverwaltung vertan, als sie den Eigenkauf für 18 Mio. € ablehnte und das Grundstück dem freien Wohnungsmarkt überließ mit dem bekannten Ergebnis, dass der Verkaufspreis explodierte.
Wir brauchen in Baden-Baden Wohnungen für Normalverdiener! Wenn sich der Polizist, der für unsere Sicherheit sorgt, keine Wohnung mehr in Baden-Baden kaufen kann, wenn die Altenpflegerin, die sich um unsere Senioren kümmert, keine Bleibe hier findet, dann ist etwas faul. Noch einmal: Wir brauchen sozialen Wohnungsbau, so wie vor 100 Jahren im Ooswinkel. Hier zahlen die Mieter eines Häuschens auch heute noch nur wenige hundert Euro monatliche Miete. Das muss die Stadt auf ihre Agenda nehmen und den Bürgern ermöglichen. Stattdessen lässt man eine Bauspekulation am Tannenhof zu und vergeudet Grund und Boden für ein sozial ungerechtes Bauprojekt. Dem können die Freien Bürger für Baden-Baden nicht zustimmen, auch wenn die Mehrheit im Gemeinderat es so für richtig findet.“
Foto: FBB