Uni Baden-Baden?
05Oktober
2017
Seit einiger Zeit wird in Baden-Baden diskutiert, ob wir uns eine richtige Universität gründen sollten, also keine Fachhochschule (die gibt es teilweise mit der EurAka, sie gehört aber eigentlich Berlin, Baden-Baden ist nur eine Nebenstelle).
Uni ist mehr, aber sie braucht eine Gründungsidee. Außerdem braucht man die richtigen Leute für eine solche Gründung. Was man nicht mehr braucht: den klassischen Campus.
- Wozu eine neue Uni? Ein Blick in die Geschichte der Universitätsgründungen ist lehrreich. Die großen Unis in Deutschland sind Gründungen des 15. und 16. Jahrhunderts: durch die Entdeckung des Humanismus und der Wiederbelebung der Antike und ihrer Philosophie entstanden die heute noch existierenden Universitäten z.B. in Prag, Tübingen, Marbach usw. Eine „Universität“ lehrte den seinerzeit wissenschaftlichen Kanon: das heißt, sie organisierte alle Wissenschaften universell unter einem Dach, der Universität. Daher der Name Universität. Universitäten behielten diesen Anspruch im 19. Jahrhundert, indem sie alle neuen (naturwissenschaftlichen) Wissenschaften, die durch das technische Zeitalter hochkamen (die Chemie beispielsweise) ebenfalls in ihre Universitäten integrierten. Dazu kamen dann die technischen Hochschulen, beispielsweise die in Karlsruhe, die sich heute ebenfalls als Universität begreifen.
Wir halten fest: eine Uni braucht eine (neue!) Grundidee. Das war ursprünglich die Universalität aller Wissenschaften (alles, was man lernen konnte), die man hier studieren konnte. Dazu kam die Humboldtsche Reform: die Universität erhielt den umfassenden Schutz von Forschung und Lehre. Der Staat garantiert diese Freiheiten.
- Die digitale Welt krempelt unsere alte Welt und unsere alten Unis um – was fehlt ist jedoch eine Digitale Universität, die sich den neuen Bedingungen stellt. Es geht um Forschung, Lehre und Studieren in einer digitalen Welt. Die Digitalisierung ist nicht nur ein formaler Schritt – diese Welt wird, wenn wir nicht aufpassen, unsere Werte verändern, unser Zusammenleben verändern, die Inhalte der Wissenschaften nicht nur erweitern, sondern möglicherweise auf den Kopf stellen. Die Entwicklung, die da vor uns liegt, ist unerforscht, undurchdacht und unklar. Mit einem Wort: hier liegt das grundsätzliche Forschungsziel der neuen (digitalen) Uni. Es geht aber nicht nur um Forschung (die schlechthin alle klassischen Wissenschaften betrifft), sondern auch um Lehre (brauchen wir noch Hörsäle? Nein) und studentisches Leben (studieren kann jeder im Homeoffice). Prüfungen muss man nicht am Standort organisieren, Seminare ebenfalls nicht. Das duale Prinzip von Studium und Praktikum (abwechselnd Studium und praktische Erfahrung in Betrieben und Verwaltungen) könnte ein Vorbild für die Entwicklung eines neuen Studientyps werden, der dem digitalen Zeitalter auch mehr entspricht als das bisherige Studium. Die Forschung bewegt sich innerhalb der Digitalisierung der Welt zu neuen Ufern (und Herausforderungen), die Teilnahme an dieser Welt ist nicht mehr abhängig von einem formalen Universitätszugang: die Digitalisierung erzwingt eine Demokratisierung von Forschung und Lehre, sofern sie auf eine Universität bezogen ist. Breitbandkabel für alle ist nur eine Formalität, aber danach eine Voraussetzung der Teilnahme an einem virtuellen Universitätsleben.
Wir halten fest: Die Digitalisierung ermöglicht (und erzwingt) eine völlig neue Form von Universität: eine virtuelle Uni, die ihren Rahmen in Baden-Baden (oder einen beliebig anderen Ort!) finden könnte. Warum?
- Was braucht man für eine digitale Universität? Eine „Digitale Universität Baden-Baden“ braucht zunächst einmal keinen gigantischen Campus. Die traditionelle Uni braucht diesen riesigen baulichen Aufwand: teure Bibliotheken, welche die Millionen gedruckter Bücher aufbewahren. Dazu Vorlesungsräume, Seminarräume, Speiseräume, Wohnungen für Professoren und Studenten. Dazu eine aufwendige Verwaltung, die all diese Dinge organisiert: Vorlesungstermine, Prüfungstermine, Besprechungszeiten usw. All das braucht eine digitale Uni nicht.
Sie braucht aber eine Ordnungsstruktur (wer ist ein Professor an dieser Uni? Wer definiert intern diese Universität? Wer steht hier unter dem Schutz von Forschung und Lehre?). Dazu: welchen Status, welchen Schutz haben die, welche hier virtuell studieren? Welche Abschlüsse (Prüfungsordnungen) gelten hier, und wie sind sie anerkannt?
Klar ist: der Betrieb dieser Uni ist virtuell. Letztlich kann jeder zuhören, das heißt studieren, weil Beschränkungen ja auch nicht notwendig sind. Die hierzu notwendigen Investitionen (Netze) sind die eigentlich fundamentalen Investitionen in eine solche Uni.
Baulich wäre nur eine Verwaltungszentrale notwendig, in der sich der Lehrkörper (Senat, Dekanate) regelmäßig treffen kann. Aber so wie die Lehre wird auch die Forschung in die digitale Welt „ausgelagert“ und nicht künstlich am Standort zentriert.
Wir halten fest: Eine Digitale Universität verlagert auch ihren Raum- und Ressourcenbedarf in die die digitale Welt: Studenten und Professoren kommunizieren über Homeoffice. Nur die Verwaltung der UNI braucht einen angemessenen Platz vor Ort, um den Lehr- und Prüfungsbetrieb in Gang zu halten.
- Was brauchte man also für die Gründung einer solchen Universität?
Zunächst mal den politischen Willen, beispielsweise der Stadt Baden-Baden und der hier ansässigen digitalen Unternehmen. Das Unternehmen Grenke ist beispielsweise ein unglaublich effizientes Unternehmen im Dienstleistungsbereich. Da werden auch nicht Säcke voller Geld über die Fluren getragen – alles geschieht digital. Das ist geradezu die Grundlage für das Funktionieren von Grenke. Grenke kommuniziert international mit zig-tausenden von Kunden. So könnte eine Uni auch funktionieren.
Wir brauchen weiterhin eine Gründungsgesellschaft, die beispielsweise über einen Gründungskongress eine solche Uni organisiert und hierzu die richtigen Leute einlädt.
Viel Geld braucht man nicht, die vielen Gebäude usw. einer traditionellen Universität braucht man alle nicht. So werden Milliarden Euro gespart. Eine digitale Uni nutzt schlicht bereits vorhandene Ressourcen. Und eine solche Uni könnte wesentlich demokratischer organisiert sein als alle bisherigen Unis: sie ermöglicht Jedermann, der studieren will, schlicht den Zugang, denn niemand beansprucht einen Studienplatz – eine virtuelle Universität hat unendlich viele Studienplätze. Wer mitmacht, ist an Bord.
Und das Wichtigste: alle Fragen, die uns heute umtreiben, wenn wir an die Digitalisierung unserer Welt denken, wären grundsätzlich das Forschungsprogramm dieser Universität Baden-Baden.
Man muss nur damit anfangen.
- Grundsätzliche Bemerkung: Wir sind uns bewusst, das dieser hier vorgelegte Vorschlag nur ein erster (bescheidener!!) Aufschlag ist. Man muss die Dinge weiter durchdenken. Dazu ist jeder eingeladen.
Foto: Ben Becher